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Market View & Insights
Die Aktienmärkte sind hoch bewertet, weitere Zinserhöhungen drohen und der Ukraine-Krieg sowie die Sanktionen werden sich wirtschaftlich negativ auswirken. Wie sollten sich Anlegerinnen und Anleger vor diesem unsicheren Hintergrund positionieren?
In dieser Folge unserer Serie "3 Fragen an…" erläutert Thomas Wille, LGT Chief Investment Officer für Europa, worauf man im aktuellen Umfeld achten sollte.
1. Sollten Anleger im derzeitigen Umfeld Aktien verkaufen und ihren Cash-Anteil drastisch erhöhen, also das Pulver trocken halten und bei tieferen Kursen wieder einsteigen?
Grundsätzlich empfehlen wir, in jedem Umfeld an der langfristigen Anlagestrategie festzuhalten und kein kurzfristiges Markttiming im grossen Stil zu versuchen. Im derzeitigen inflationären Umfeld sollte man ganz klar reale Werte bevorzugen. Cash, also Bargeld, ist aber ein nominaler Wert. Im besten Fall wirft es keinen Ertrag ab, im schlechtesten Fall bezahlt man darauf sogar noch Negativzinsen. Bei Inflationsraten von über acht Prozent in den USA und über sechs Prozent in der Eurozone ist ein hoher Bargeldanteil im Portfolio also kaum die beste Alternative - abgesehen von einer vernünftigen Liquiditätsreserve. Auf der Aktienseite ist angesichts der aktuell eher hohen Bewertungen eine sorgfältige Selektion wichtig. Wir empfehlen, den Fokus auf Qualitäts- und Substanzwerte mit einer nachhaltigen Dividendenrendite zu legen.
2. Die Inflationszahlen brechen Rekorde und die Notenbanken diskutieren Zinserhöhungen. Macht es da Sinn, den Anleihenanteil zugunsten von Cash zu senken und erst bei einem weiteren Zinsanstieg wieder einzusteigen, um sich die höheren Zinsen zu sichern?
Nein, auch hier gilt das zuvor Gesagte: die individuelle Anlagestrategie gibt den optimalen Mix vor. Anleihen sind eine nominale Anlageklasse - genau wie Bargeld - und damit direkt der Inflation ausgesetzt. Trotzdem ist abhängig vom individuellen Risikoprofil ein bestimmter Anteil Anleihen sinnvoll. Dieser sollte aber überwacht und aktiv verwaltet werden. So könnten in nächster Zeit bestimmte mit langen Restlaufzeiten zunehmend interessant werden. Zudem gibt es aktuell im Anleihesegment attraktive Nischen, die jedoch sehr dünn gesät sind. Hier ist eine sehr gute Marktkenntnis gefragt, wenn man davon profitieren will.
3. Sollten Anleger überhaupt versuchen, mit taktischen Anpassungen ihrer Anlagestrategie von erwarteten Marktentwicklungen zu profitieren oder ist das Risiko zu gross, dass sie sich damit so wie "der Rest der Herde" verhalten und Verluste erleiden?
Bei taktischen Anpassungen geht es ja darum, kurzfristig innerhalb bestimmter Bandbreiten von der langfristigen strategischen Asset Allocation abzuweichen. Ein Beispiel: Wenn die Anlagestrategie einen strategischen Aktienanteil von 40 Prozent im Portfolio vorsieht und man kurzfristig eine sehr positive Entwicklung an den Aktienmärkten erwartet, kann man diesen Anteil taktisch auf 45 Prozent erhöhen und profitiert dann, wenn die Märkte tatsächlich steigen.
Taktische Abweichungen können also durchaus zum Erfolg führen, jedoch sollte man dabei sehr stringent und emotionslos vorgehen. Wenn man nämlich ohne klaren Plan agiert, insbesondere wenn man keine Kaufs- oder Verkaufslimiten definiert, besteht die Gefahr eines Fehlschlags. Gerade in der heutigen vernetzten Welt können sich die Märkte über längere Zeit in die falsche Richtung bewegen - oft länger, als es Anleger mit schwachem Nervenkostüm aushalten. Diese kaufen und verkaufen dann oft im dümmsten Moment.
Die LGT Experten analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Research-Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.