The Strategist

Duale Herausforderung

Angesichts der Turbulenzen im Bankensektor scheinen die Zentralbanken mit einer dualen Herausforderung konfrontiert. Dabei bleibt der Kampf gegen die Inflation das primäre Ziel, aber der Zinserhöhungszyklus zeigt erste Bruchstellen auf. Deshalb könnte beim Zinsentscheid des Fed das Risiko einer Eskalation der Bankenkrise eine entscheidende Rolle spielen. 

Datum
Autor
Thomas Wille
Lesezeit
10 Minuten
Dual Mandate
© Shutterstock

Preisstabilität ist in der Regel das primäre Ziel der wichtigsten Zentralbanken. Als eine der wenigen Währungshüter hat die amerikanische Notenbank (Fed) jedoch ein duales Mandat, das neben der Preisstabilität auch Vollbeschäftigung umfasst. Aufgrund der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor auf beiden Seiten des Atlantiks scheint sich nun aber ein neues duales Mandat herauszukristallisieren. Neben dem bekannten Inflationsziel des Fed von 2% und der Arbeitsmarktsituation rückt nun die Wahrung der Stabilität des Finanzsystems als zweites wichtiges Ziel verstärkt in den Vordergrund.

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Zu welchem Preis?

Im Kampf gegen die Inflation müssen die Zentralbanken auf Nummer sicher gehen und dürfen sich keine Schwächen erlauben. Die Inflationsbekämpfung bleibt das primäre Ziel, aber in den letzten Tagen stellte sich zunehmend die Frage, was die Folgen des schnellsten Zinserhöhungszyklus in den USA und in der Eurozone sind und welchen Preis das Fed und die EZB bereits sind, dafür in Kauf zu nehmen. Dabei ist nicht nur die Geschwindigkeit der geldpolitischen Straffungen von Bedeutung, sondern auch die Tatsache, dass die Zinsen von einem Null- oder Niedrigzinsumfeld aus angehoben wurden. Erste Risse im System wurden nun bereits sichtbar. US-Regionalbanken wie die Silicon Valley Bank (SVB) oder die First Republic Bank (FRB) zeigen eindrücklich erste Bruchstellen auf. Vor diesem Hintergrund wurde in der vergangenen Woche deutlich, dass die beiden wichtigsten Zentralbanken wohl oder übel ein weiteres Mandat erhalten haben. Mit der Schieflage der "global systemrelevanten" Credit Suisse wurde schnell klar, dass für die Zentralbanken neben der Inflationsbekämpfung nun auch die Stabilisierung des Finanzsystems höchste Priorität hat.

Entschlossene Notenbanken

Die US-Notenbank hat angesichts der drohenden Bankenkrise in Koordination mit anderen gewichtigen Zentralbanken nicht lange gezögert und die Finanzmärkte mit reichlich Liquidität beruhigt. So wurden in der letzten Woche unter der Führung des Fed über ein "Diskontfenster" mehr als 150 Milliarden US-Dollar in den Markt gepumpt (Grafik 1). Dieser Impuls war sowohl grösser als während der Covid-19-Pandemie als auch während der grossen Finanzkrise von 2008/2009. Zusammen mit anderen Liquiditätsspritzen ist die Bilanz der US-Notenbank in der vergangenen Woche um mehr als 300 Milliarden US-Dollar gewachsen.

Kein klassisches QE

Auch wenn das Fed die Bilanz kurzfristig wieder ausgeweitet hat, kann dies nicht mit einem klassischem QE (Quantitative Easing) verglichen werden. In der Zeit der grossen Finanzkrise bis zur Corona-Pandemie (2008-2019) war die Ausweitung der Notenbankbilanz durch einen klassischen "Asset Swap" gekennzeichnet, der sich primär auf Finanzportfolios auswirkte. Der Einfluss auf die Realwirtschaft und damit auf das Wachstum und die Inflation war sehr begrenzt. Nun geht es bei der Bilanzausweitung aber vor allem um die Beseitigung von Liquiditätsengpässen der Geschäftsbanken, die aufgrund eines unzureichenden "Asset-Liability-Managements" ihrer Bilanzen in Schieflage geraten sind.

Alle Augen auf das Fed

Nach der letzten Zinserhöhung der EZB sind heute (20:00 Uhr MEZ) alle Augen auf den Entscheid des Offenmarktausschusses (FOMC) der US-Notenbank gerichtet. Aus unserer Sicht wird entscheidend sein, wie der Fed-Vorsitzende Jerome Powell den vom Marktkonsens antizipierten Zinsschritt um weitere 25 Basispunkte kommentieren wird. Dabei werden die Finanzmärkte auch genauestens hinhören, was die nächsten Schritte des Fed in einer möglichen weiteren Eskalation der Bankenkrise sein könnten. In diesem Szenario bleiben wir bei unserer defensiven Strategie, mit einer relativen Präferenz für Anleihen gegenüber Aktien.

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