Anlagestrategien

Aktionsplan der EU: Ist Europas Finanzindustrie nachhaltiger?

Mai 2018: Die Europäische Kommission veröffentlicht den Aktionsplan Sustainable Finance. Und nun? Sind Finanzindustrie und Wirtschaft heute nachhaltiger?

Datum
Autor
Tilmann Schaal, LGT
Lesezeit
6 Minuten
Aktionsplan der EU

Die Europäische Union (EU) ist eine der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt. Vor vier Jahren haben sich deren Institutionen verpflichtet, eine nachhaltigere Finanzwirtschaft zu fördern. Darauf sind eine Reihe von Initiativen und verbindlichen Massnahmen entstanden, um nachhaltige Investitionen zu fördern und den Weg hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu ebnen.

In diesen Tagen erhalten nun Millionen von Anlegern eine Nachricht von ihrem Finanzinstitut, in dem sie darüber informiert werden, wie nachhaltig ihr Geld angelegt ist. Dies ist eine der Auswirkungen des Investor Action Plan in Europa, aber eine, die für EU-/EWR-Bürger sehr greifbar ist.

MiFID II: Definition von Nachhaltigkeit bei Finanzdienstleistungen

Die Nachricht ist das Ergebnis der Überarbeitung der EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II. Hinter dem sperrigen englischen Begriff  "Markets in Financial Instruments Directive" verbirgt sich eine verbindliche Regelung der Europäischen Kommission, nach der europäische Aktien und Fonds unter anderem über ihre Nachhaltigkeit informieren müssen. Die zweite Auflage der EU-Richtlinie setzt insbesondere in Bezug auf die Nachhaltigkeit Standards.

All dies geschieht in einer Zeit, in der das Thema nachhaltige Finanzen aus der Nische heraus in den Fokus der Anleger gerückt ist. So ist der Anteil nachhaltiger Anlagen in den letzten drei Jahren exponentiell gestiegen. Vor allem institutionelle Anleger haben sich an die Spitze dieses Trends gesetzt. Allerdings wurde diese Erfolgsgeschichte auch durch verschiedene Skandale im Zusammenhang mit Greenwashing getrübt.

Wie steht die Finanzbranche zum Thema nachhaltige Finanzen? Wir sprachen darüber mit Chris Greenwald, Head of Sustainable Investing, LGT Private Banking.

Frage: Warum nehmen institutionelle Anleger viel häufiger nachhaltige Anlagen in ihre Portfolios auf als Privatanleger? 

Institutionelle Anleger sehen sich einem zunehmenden Druck seitens ihrer Stakeholder ausgesetzt, nachhaltig zu investieren. Als Reaktion auf diesen Druck haben sie den Anteil nachhaltiger Anlagen (SI) in ihren Investments erhöht.

Ausserdem haben viele institutionelle Anleger in den letzten zwei Jahrzehnten ihre Vermögensveranlagung von aktiven auf passive Strategien umgestellt. Dadurch sind die Anleger weniger aktienspezifischen Risiken als langfristigen systematischen Risiken ausgesetzt. Ein Grund dafür: Die Indexrenditen sind letztlich davon abhängig, ob es der Wirtschaft grundsätzlich und auf lange Frist gesehen gut geht.

ESG-Faktoren - die Kriterien für nachhaltiges Investieren

Wenn Sie sich nicht nur für die finanzielle Dimension, sondern auch für die ökologischen und sozialen Auswirkungen Ihrer Investitionen interessieren, sollten Sie sich mit diesen drei Buchstaben vertraut machen.

Viele Vermögensverwalter konzentrieren sich deshalb mittlerweile auf langfristige Themen wie den Klimawandel oder die Zunahme der sozialen Ungleichheit. Diese Faktoren haben langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft; und als eine der Folgen fordern viele Institutionen von ihren Vermögensverwaltern ein höheres Engagement im Bereich der Nachhaltigkeit.

Frage: Aber dieser Trend zu einer nachhaltigeren Finanzwirtschaft steht im Widerspruch zu dem, was derzeit noch oft im Private Banking geschieht?

Betrachtet man die Private-Banking-Branche als Ganzes, so zeigen Umfragen eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Interesse der Privatkunden an nachhaltigen Anlagen und dem, wie sie tatsächlich investieren. Bei einer Reihe von Banken haben Kundenbetreuer ihren Kunden in der Vergangenheit nicht erläutert, welche nachhaltigen Anlagemöglichkeiten es gibt.

Dies wird sich mit den Vorschriften der MiFID II-Richtlinie ändern. Jeder Kundenbetreuer in der EU wird verpflichtet, mit seinen Kunden Gespräche über deren Interesse an nachhaltigen Anlagen zu führen. Die Berater werden auch verpflichtet, interessierten Kunden die verschiedenen Möglichkeiten zu nachhaltigen Investments zu erläutern.

Chris Greenwald
"Aus unserer Sicht ist die EU-Verordnung auch eine Chance, Greenwashing zu überwinden", sagt Chris Greenwald, Head of Sustainable Investing, LGT Private Banking.

Frage: Was erwarten Sie sich von den zusätzlichen Informationspflichten der EU?

Wir gehen davon aus, dass dies zu einem kontinuierlichen Wachstum der nachhaltigen Anlagen führen wird. Der Trend aus dem institutionellen Bereich wird sich auf das Private Banking ausweiten. Dadurch werden nachhaltige Anlagen für Privatkunden zum Mainstream.

Frage: Die LGT ist seit Jahren im Bereich Sustainable Finance tätig. Was haben Sie in dieser Zeit unternommen, um das Interesse Ihrer Kunden an diesem Thema zu steigern?

Die LGT hat mit dem ESG-Cockpit ein eigenes Nachhaltigkeitsrating entwickelt. Dieses führt verschiedene Datenquellen zu einem Score zusammen, der transparent ist und die Daten an den wichtigsten Punkten erhebt. Aufgrund dieses Fundaments konzentriert er sich auf die wesentlichsten Nachhaltigkeitsthemen einer jeden Branche. Und dadurch, dass wir das Rating selbst erstellen, bieten wir interessierten Kunden ein hohes Mass an Transparenz und können die Ergebnisse ausführlich erläutern.

Zusätzlich zu unserem Rating haben wir auch ein eigenes Sustainable-Investing-Mandat, das intern von unserem PM-Team verwaltet wird. Dies ermöglicht es uns, die aus Sicht der Nachhaltigkeit besten Titel auszuwählen. Ebenso können wir die positiven Nachhaltigkeitsaspekte der im Mandat enthaltenen Unternehmen ausführlich darlegen. Aufgrund des hohen Masses an Transparenz und Überzeugung, mit der wir dieses Mandat umsetzen, vertrauen unsere Kunden in diese nachhaltige Anlagestrategie.

Ausserdem haben wir ein nachhaltiges Beratungsangebot entwickelt, bei dem unsere Kunden die für sie wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen auswählen und entsprechend in Unternehmen investieren, die dazu passen. Wir glauben, dass wir Privatkunden damit am besten davon überzeugen können, in nachhaltige Anlagen zu investieren. Sie erwarten zunehmend Lösungen, die auf ihre spezifischen Interessen zugeschnitten sind.

Frage: Das Beispiel LGT zeigt, dass Unternehmen selbst entscheiden können, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Wozu brauchen wir dann noch die Vorschriften und Richtlinien der Europäischen Union?

Nachhaltiges Investieren ist in den letzten drei Jahren sehr schnell gewachsen. Jetzt muss dafür gesorgt werden dass der Begriff "nachhaltiges Investieren" standardisiert wird. Abhängig vom Vermögensverwalter wird dies unterschiedlich definiert. Das kann Kunden verwirren. Deswegen ist eines der Hauptziele der EU-Verordnung, standardisierte Definitionen für nachhaltige Investitionen zu entwickeln.

Darüber hinaus werden die Richtlinien von den Unternehmen verlangen, dass sie mithilfe standardisierter Metriken darlegen, welche ihrer Geschäftsaktivitäten tatsächlich nachhaltig sind. Dieses Mass an Konsistenz bei den Unternehmens-Reportings wird den Kunden einen besseren Vergleich bieten, wenn sie eine nachhaltige Anlagestrategie entwickeln möchten.

Hängebrücke im Wald
Chris Greenwald: "Das Thema Sustainable Finance ist für die LGT und ihre Eigentümer, die Fürstenfamilie, von strategischer Bedeutung." © istock / Fred Froese

Aus unserer Sicht ist die EU-Verordnung auch eine Chance, Greenwashing zu überwinden - nicht so sehr durch die Verordnung an sich, sondern weil sie den Kunden eine Reihe von nachhaltigen Anlagemöglichkeiten aufzeigt. Die Kunden werden sich natürlich für die Fonds mit der besten Performance und dem überzeugendsten Nachhaltigkeitskonzept entscheiden. Das ist ein natürlicher Selektionsprozess, der durch die Wahlmöglichkeit der Kunden entsteht. Wahrscheinlich ist das der effizienteste Mechanismus, um Greenwashing zu überwinden und sicherzustellen, dass das Kapital in die besten nachhaltigen Anlagestrategien fliesst.

Frage: Liechtenstein und die Schweiz sind zwei der wichtigsten Standorte der LGT. Warum sind der EU-Aktionsplan und die daraus resultierenden Aktivitäten der Europäischen Union auch für Finanzunternehmen in diesen beiden Ländern wichtig? Schliesslich sind weder die Schweiz noch Liechtenstein Mitgliedsstaat.

Im Gegensatz zur Schweiz ist Liechtenstein Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). EU-Vorschriften, die in das EWR-Abkommen aufgenommen und/oder in nationales Recht umgesetzt wurden, gelten auch für unsere liechtensteinischen Kunden.

Das Thema Sustainable Finance ist aber für die LGT und ihre Eigentümer, die Fürstenfamilie, von strategischer Bedeutung. Deswegen setzt die LGT zum Beispiel die Aktualisierungen des Anlegerprofils auch für Kunden in der Schweiz um. Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit einen Mehrwert im Anlageprozess darstellt und eine gute Möglichkeit ist, langfristig zu investieren. Deshalb sprechen wir mit unseren Kunden möglichst über mehr als die in MiFID II vorgegebenen Punkte zum Anlegerprofil. Das ist für uns eine Chance, die breite Palette an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten der LGT zu erläutern.

Frage: Welchen Herausforderungen muss sich die Finanzbranche in den nächsten Jahren noch stellen? Welche Entwicklungen könnten für ihre Kunden besonders interessant sein?

Einer der wichtigsten Bereiche, die im Private Banking an Aktualität gewinnen, ist Stewardship. Das umfasst einerseits ein aktives Engagement und andererseits auch die Stimmrechtsvertretung bei einer Aktionärsversammlung. Dieses Thema ist im Markt für institutionelle Anleger schon recht weit fortgeschritten, im Private Banking aber noch relativ neu. Wir glauben, dass das Thema eine grosse Chance für das Privatkundensegment darstellt.

Die Kunden sind besonders daran interessiert, was nachhaltige Anlagen in der Welt bewirken. Engagement hilft, die Auswirkungen ihrer Anlagestrategien zu verstehen. Deshalb hat die LGT kürzlich eine Partnerschaft mit BMO Asset Management für Dienstleistungen in diesem Bereich angekündigt. Das neue Angebot wird unseren Kunden helfen nachzuvollziehen, welche greifbaren Fortschritte - bezüglich ökologischer und sozialer Aspekte - ihr Engagement gegenüber einem Unternehmen erreicht hat.

Greenwashing mit Hilfe von Transparenz verhindern

Die LGT setzt auf ein eigenes ESG-Rating. Damit können wir zum einen besser analysieren, wie nachhaltig das Vermögen unserer Kunden angelegt ist. Andererseits kann das ESG-Rating der LGT helfen, Investitionen in Unternehmen zu verhindern, die vorgeben, grün zu sein, aber letztlich nur Greenwashing betreiben.

Die Ausübung des Stimmrechts als Aktionär eines Unternehmens bleibt jedoch für viele Privatbanken eine Herausforderung. Dennoch sind wir bestrebt, unser Angebot in dieser Hinsicht zu erweitern, wo immer dies möglich ist. Wir hoffen, dass die Privatbanken in den kommenden Jahren aktiver abstimmen werden, damit der zusätzliche Druck Unternehmen zu nachhaltigem Handeln veranlasst und sie Strategien für eine kohlenstoffarme Zukunft entwickeln.

Aber wir schauen nicht alleine auf unsere Angebote und Dienstleistungen. Wir wollen auch als gesamtes Unternehmen nachhaltig handeln. Deshalb hat sich die LGT dazu verpflichtet, bei den CO2-Emissionen bis 2030 "Netto Null" zu erreichen. Die Dringlichkeit des Klimawandels hat uns dazu veranlasst, für dieses Ziel das Jahr 2030 - und nicht 2050 - ins Visier zu nehmen. Als ein Teil davon wird sich die LGT in den nächsten acht Jahren auf die Verringerung unserer CO2-Emissionen konzentrieren. Für die Zeit ab dem Jahr 2030 haben wir uns verpflichtet, die Emissionen in Zusammenhang mit unseren Portfolios zu kompensieren, indem wir CO2 der Atmosphäre entziehen.

Nachhaltigkeit ist Teil der LGT

Nachhaltigkeit

Die LGT hat sich dem Thema Nachhaltigkeit bereits früh verschrieben. Langfristiges und nachhaltiges Denken und Handeln gehören seit jeher zu den wichtigsten Kernelementen des Unternehmens. Bereits seit vielen Jahren arbeitet die LGT deshalb daran, ihr nachhaltiges Engagement sowohl im Betrieb als auch im Kerngeschäft, dem Private Banking und Asset Management, noch zu verstärken. Der LGT ist wichtig, dass ihre Geschäftstätigkeit einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft liefert. Wie sie das konkret erreicht, erfahren Sie hier.

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