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Unternehmertum

"Ich sehe jeden Tag, welchen Impact wir für die Unternehmen erzielen"

Ein Nachhaltigkeitsbericht hat seine Tücken, denn eine wichtige Grundlage bilden die CO2 Emissionen des Unternehmens. Diese wollen aber erst mal ermittelt werden - hierbei unterstützt das Berliner Start-up Cozero mit einer digitalen Plattform, die auch bei einer Dekarbonisierungsstrategie hilfreich ist. Wie das funktioniert, erklärt Cozero-Mitgründerin Helen Tacke im Interview.

Datum
Autor
Klaus Rathje, Gastautor
Lesezeit
9 Minuten

Helen Tacke
© Cozero/Helen Tacke

Frau Tacke, Sie haben viel mit Nachhaltigkeitsreporting zu tun. Solche Berichte fallen ja recht unterschiedlich aus. Was sind Ihre Erfahrungen? 

Es gibt sehr gute Beispiele für Unternehmen, die strukturiert bilanzieren und transparent reporten, aber ein Grossteil tut sich schwer, sich richtig zu öffnen. Unternehmen kämpfen mit der richtigen Datenvorhaltung, Vollständigkeit und Genauigkeit ihrer Emissionsdaten, was sich dann auch auf die Qualität des Nachhaltigkeitsreportings auswirkt. Der ganze Scope-3-Bereich, also die Emissionen, die etwa durch eingekaufte Waren oder auch den Transport verursacht werden, fällt manchmal komplett unter den Tisch - die Liefer- beziehungsweise Wertschöpfungskette kann oftmals 90 bis 95 Prozent des gesamten CO2-Ausstosses ausmachen. Ohne eine akkurate Einbeziehung dieses Bereiches ist ein Nachhaltigkeitsreport natürlich nicht sehr aussagekräftig.

Was raten Sie Unternehmen: Was können sie besser machen bei ihren Nachhaltigkeitsberichten?

Nachhaltigkeitsberichte sollten idealerweise stärker um methodische Grundlagen und Limitationen ergänzt werden. Das heisst, sie sollten klarer bekennen, wie die Zahlen zustande gekommen sind. Im Bereich der Qualitätsbewertung von Nachhaltigkeitsberichten sind Unternehmen noch nicht so gut aufgestellt, aber eine klare Transparenz, wie daran gearbeitet wird - mit konkreten Massnahmen -,ist der richtige Weg. Diese Kommunikation hat sich als Erfolgsmodell bei unseren Kundinnen und Kunden herausgestellt. Die Grundlage dafür ist eine gewisse Datenbreite und Datenqualität. Deswegen empfehlen wir, hierzu erst mal eine gute Informationsbasis zu schaffen und ein bis zwei historische Jahre zu analysieren, um zu sehen, wo man mit den Emissionsdaten steht. Dann kann man wesentlich besser Ziele setzen und Massnahmen zur Dekarbonisierung einleiten. Oft wird zu vorschnell Erfolg im Klimamanagement oder sogar Klimaneutralität kommuniziert und dann müssen Unternehmen später einen Rückzieher machen, weil die Aussage auf wackeligem Informationsstand getroffen wurde.

SChild CO2-neutral
© Shutterstock/Molenira

Deswegen ist es ja auch Teil Ihres Geschäftsmodells, dass Sie Firmen dabei helfen, diese Zahlen überhaupt zu ermitteln. 

Genau. Wir gehen datenbezogen an den Bereich Klima-Reporting und Klima-Controlling, wie wir es nennen, heran. Das gliedert sich in drei Prozessschritte: Das sind unsere Bereiche Log, Act und Share. Bei Log geht es um Transparenz, also darum, erst mal zu ermitteln und zu verstehen, woher die CO2-Emissionen kommen. Wie kann ich die richtig zuordnen? Mit diesem Schritt lassen sich auch schon Reportings erstellen, zum Beispiel für einzelne Firmenstandorte oder Produkte. Im zweiten Bereich, Act, geht es dann um die Planung der Dekarbonisierung unter der Prämisse, wie sich meine Emissionen in den nächsten drei oder fünf Jahren entwickeln werden. Das macht ein Unternehmen aus der Finanzperspektive ja auch so. Diesen Denkansatz möchten wir in die Klimawelt überführen. Wie kann ich mir Ziele setzen, und was sind geeignete Massnahmen, um die Emissionen zu reduzieren? Und: welche Budgets müssen dafür geschaffen werden, das heisst: Was kosten die Massnahmen? Der letzte Schritt ist Share: die richtige Kommunikation in Richtung Kundinnen und Kunden, Öffentlichkeit und nach innen.

Sie kommen ja aus der Finanzwelt und haben bei einem Venture-Capital-Fonds gearbeitet. 

Ja, ich habe in Unternehmen investiert und dadurch mit der Finanzbrille auf Unternehmen geschaut. Nach und nach wurden Nachhaltigkeitskriterien bei den Investitionen relevant, was letztlich der Auslöser für die Gründung von Cozero war. Der Grundgedanke lag darin, den Aspekt Nachhaltigkeit als wichtige Unternehmenskennziffer stärker zu machen, was im Übrigen ja auch der Gesetzgeber verlangt. In unserer Plattform haben wir dies mittlerweile stark verankert: Das Klimacontrolling wird an das Finanzcontrolling gekoppelt. Damit erhalten die Unternehmen eine echte Steuerungsfunktion über das Thema Nachhaltigkeit, anhand von Emissionskennzahlen und -parametern in Relation zu klassischen Finanzkennzahlen - das bringt die Nachhaltigkeits- und die wirtschaftliche Performance des Unternehmens ins Verhältnis. Das entfaltet seine volle Wirkung aber nur in digitaler Form. Im Nachhaltigkeitsbereich passiert vieles noch manuell - dann sind jedoch datengetriebene und damit bessere Entscheidungen einfach nicht möglich.

Nachhaltigkeits-Berechnungen
© iStockphoto/Ralf Hahn

Und diese Datenbasis liefert Ihre Plattform?

Die Erfassung von Daten spielt eine wichtige Rolle bei Cozero. Diese kommen aus anderen Systemen, die unsere Kundinnen und Kunden verwenden. Die erste CO2-Berechnung findet dann in Echtzeit statt, anhand der Aktivitätsdaten wie der verbrauchten Energie, einer Dienstreise oder eingekauften Materialien in der Produktion. Diese Daten werden in unserem System in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet.

Aber es geht ja nicht nur darum, vorhandene Daten im Unternehmen zu sammeln. Manche Verbrauchswerte müssen ja auch neu ermittelt werden für den Nachhaltigkeitsbericht, oder?

Ja, die Datenverfügbarkeit ist manchmal nicht von Beginn an vollständig gegeben. Es kommt vor, dass in einigen Abteilungen oder in der Produktion Personen einen Datenpunkt vorliegen haben, der nicht digitalisiert ist, weil auch die zugrunde liegende Rechnung nur in Papierform vorliegt. Diese Personen müssen natürlich unbedingt in den Prozess involviert werden. Mit unserer Plattform ermöglichen wir es, dass diese einzelnen Datenpunkte hochgeladen werden können, sodass eine dezentrale Datenabfrage ermöglicht wird. Wichtig ist auch noch, dass sehr viele Datenpunkte in der Regel bei Lieferanten liegen, also nicht im eigenen Unternehmen. Wenn ich ein Produkt oder eine Logistikleistung einkaufe, dann pack ich diese ja in meinen eigenen Emissions-Rucksack. Dann aber muss dazu auch ein Datenaustausch stattfinden, und genau das ermöglichen wir über ein digitales Abfragemodul zur Lieferanteneinbindung. Am Ende des Tages sind die CO2-Daten der Unternehmen miteinander verbunden.

Graffitti - Welt
© GettyImages/David Malan

Was hat Sie daran gereizt, Unternehmerin zu werden?

Das Unternehmerische hatte in verschiedenen Lebensstationen bei mir immer etwas Positives: Ich habe selbst einmal für ein Start-up namens Coffee Circle gearbeitet. Für jedes Kilo Kaffee, das sie verkaufen, wird Geld gespendet. Das war eine tolle unternehmerische Erfahrung, weil es mir gezeigt hat, was möglich ist, wenn man ein bestimmtes Ziel vor Augen hat. Und das Ziel bei Coffee Circle lag immer darin, etwas zurückzugeben, also ein soziales Anliegen. Bei Cozero stand die Erkenntnis im Vordergrund, dass die Unternehmen einen grossen Hebel haben, den Klimawandel zu stoppen, wenn sie ihre CO2-Emissionen reduzieren. Und darin liegt schliesslich die Vision von mir und meinen Mitgründern: eine Welt zu schaffen, die von grünen Produkten und Services dominiert wird. Dies sollte zum neuen Standard des modernen Unternehmertums werden. Das bedeutet aber auch eine echte Transformation von Unternehmen - weg von manuellen, anstrengenden, unstrukturierten Datensammlungen und Prozessen hin zu einer komplett digitalen Organisation. Jeden Tag zu sehen, welchen Impact wir damit auslösen, finde ich grossartig, und das gibt mir richtig Energie zurück.

Containerschiff unter Brücke mit LKW
© iStockphoto/shaunl

Wie helfen Sie Unternehmen bei der Dekarbonisierung?

Es geht darum, sich richtige Ziele zu setzen und die richtigen Massnahmen zu finden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Evaluierung dieser Massnahmen. Viele Unternehmen wagen sich nicht daran, weil sie oft nicht richtig einschätzen können, welche Massnahmen helfen und was sie kosten. Dafür haben wir eine eigene Methodik entwickelt, die wir ROCI nennen; das steht für Return on Climate Investment. Sie besagt, wie viel CO2-Reduzierung man je Euro bekommt, den man in eine Massnahme investiert. Genau das optimieren wir für Unternehmen. Dekarbonisierung sollte auch unter unternehmerischen Gesichtspunkten analysiert und durchgeführt werden.

Hat die professionelle Beschäftigung mit CO2-Ersparnissen mit Ihrem eigenen Leben etwas gemacht?

Ja, wir tauschen uns im Team sehr viel persönlich darüber aus, wie wir unseren Lebensstil verändern. Dadurch haben sich für mich viele neue Routinen im Privaten ergeben.

Welche denn? Was ist Ihr Lieblingsbeispiel zur CO2-Ersparnis?

Bei mir persönlich sind es zum Beispiel Verpackungen! Ich mache selbst nur kurze Mittagspausen und bestelle häufig Essen bei einem lokalen Lieferservice. Hier hat man die Möglichkeit, Recyclingboxen im Tauschmodus zu verwenden. In Berlin nutze ich gern das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr. Das geht oft genauso schnell wie mit dem Auto. Das alles ist sicherlich nicht ungewöhnlich. In unserem Unternehmen selbst nutzen wir natürlich auch unsere Plattform. Das heisst, wir protokollieren sehr granular unsere CO2-Emissionen und erhalten dadurch ständig neue Erkenntnisse für Verbesserungen. Da können wir einen tollen Hebel ansetzen. 

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