The Strategist

Erkenntnisse aus der Q4-Berichtssaison

Die Berichtssaison 2023 zeigt weltweit gemischte wirtschaftliche Ergebnisse. Während der US-Markt eine moderate Erholung verzeichnet, kämpft Europa mit Gewinnrückgängen. Der folgende Artikel analysiert diese Entwicklungen und wirft einen Blick auf die Erwartungen für das erste Quartal 2024.

Datum
Autor
Georg Ruzicka, Head Equity Research LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

Q4-Berichtssaison
© Shutterstock

Die Berichtssaison für das vierte Quartal sowie für das Gesamtjahr 2023 neigt sich in allen Regionen dem Ende zu. Wie üblich starten wir mit einem Rückblick auf den US-Markt. Nach einer Gewinnrezession über drei Quartale in Folge zeigte sich im Q3 2023 eine erste Stabilisierung, gefolgt von einer Trendwende der Gewinndynamik im Q4 2023. Das Gewinnwachstum für den S&P 500 lag bei rund +7% gegenüber dem Vorjahr, und damit rund vier Prozentpunkte höher als zu Beginn der Berichtssaison. Das Gewinnwachstum von +7% zeigt eine moderate Beschleunigung gegenüber dem Gewinnwachstum von lediglich +4% im Vorquartal. Das Umsatzwachstum betrug insgesamt nominal +3.7% und real bescheidene +0.7% gegenüber dem Vorjahr. Diese Werte sind deutlich schwächer, als es das solide US-Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2023 hätte erwarten lassen. 

Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Gewichtung der Treiber des S&P 500 und des US-Bruttoinlandprodukts. Die verarbeitende Industrie respektive die Güterfertigung, die sich 2023 in einer Rezession befanden, machten lediglich 18% des U.S. Bruttoinlandprodukts aus, trugen aber Schätzungen zufolge rund 51% zu den Umsätzen des S&P 500 bei. Die deutlich stärkere Dynamik im gewichtigeren Dienstleistungsbereich der US-Wirtschaft spiegelt sich also nur unterdurchschnittlich in der Umsatzdynamik des S&P 500 wider. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Nennungen einer "schwachen Nachfrage" im Q4 2023 einen neuen Höchstwert seit der Covid-Pandemie erreicht haben. Kosteneinsparungsmassnahmen bzw. Margenverbesserungen trugen insgesamt zum Gewinnwachstum bei. So wurde die Gewinnsaison von einigen Ankündigungen von Massenentlassungen, unter anderem im Technologie- und Bankensektor, begleitet. 

Unter der Oberfläche zeigen sich zudem äusserst divergierende Trends. Die so genannten "glorreichen Sieben" erzielten im vierten Quartal ein Gewinnwachstum von rund +56% gegenüber dem Vorjahr, während der "S&P 493" (ohne diese sieben Unternehmen) ein negatives Gewinnwachstum von -2% gegenüber dem Vorjahr verzeichnete. Das vierte Quartal war in dieser Hinsicht ein Ausnahmequartal. Zwar dürften die "glorreichen Sieben" auch in Zukunft ein klar über dem Markt liegendes Gewinnwachstum erzielen, doch dürfte sich dieser gewaltige Unterschied im Verlauf des Jahres 2024 deutlich verringern. Die aktuellen Schätzungen für das Umsatz- und Gewinnwachstum des S&P 500 im ersten Quartal 2024 liegen bei jeweils +3.6% gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2024 gehen die Konsenserwartungen aktuell von einem Umsatzwachstum von +5.0% und einem Gewinnwachstum von +11% aus.

Und ausserhalb der USA?

Europa rutschte mit einer Zeitverzögerung von rund zwei Quartalen hinter den USA in eine Gewinnrezession und verharrte darin im vierten Quartal 2023. Bei einer klaren Umsatzkontraktion blieb unterm Strich ein Gewinnwachstum von -11% gegenüber dem Vorjahr, was die Erwartungen um rund zwei Prozentpunkte verfehlte. Die meisten Gewinnwarnungen gab es in den Sektoren Nicht-Basiskonsum und Industrie. Demgegenüber stechen die Sektoren Technologie und Gesundheitswesen mit einem Gewinnwachstum von je +12% positiv hervor. 

Man müsste schon sehr optimistisch sein, um die europäische Berichtssaison positiv zu interpretieren. Das Gewinnwachstum von -11% stellt eine sequenzielle Verbesserung gegenüber dem Vorquartal mit -16% dar. Verfehlungen der Erwartungen wurden von den Investorinnen und Investoren weniger stark abgestraft, während positive Überraschungen wieder stärker honoriert wurden. Letzteres liegt wahrscheinlich auch an der geringeren Anzahl positiver Überraschungen - so wenige wie zuletzt im Jahr 2018. Bei den laufenden Gewinnrevisionen verzeichnete der europäische Aktienmarkt einen der negativsten Starts in die Berichtssaison Q4 2023 seit vielen Jahren. Auch sind die Erwartungen für das Gewinnwachstum im ersten Quartal 2024 in Mitleidenschaft gezogen worden und liegen nun bei gesenkten -16%. Nach diesen jüngsten negativen Schätzungsrevisionen scheinen sich die Erwartungen für die nächsten zwölf Monate allerdings langsam zu stabilisieren. Q1 2024 könnte somit einen möglichen Tiefpunkt in der europäischen Gewinnrezession markieren. Für das Gesamtjahr 2024 geht der aktuelle Konsens von einem leicht positiven Gewinnwachstum europäischer Aktien (Stoxx Europe 600) von +4% aus. 

Für den japanischen Markt wurde schliesslich bei einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von rund +2% ein durchschnittliches Gewinnwachstum von +10% gegenüber dem Vorjahr erzielt. Als Exportnation profitieren japanische Unternehmen nach wie vor von einer schwachen Heimmarktwährung. 

Fazit: Bodenfrost oder Frühlingsgefühle? 

Die Berichtssaison für das vierte Quartal 2023 verlief für den US-Markt besser als erwartet und zeigte eine graduelle Verbesserung gegenüber dem Vorquartal. Die derzeit eher bescheidenen Erwartungen für das erste Quartal 2024 bieten eine vernünftige Basis, die der Markt schlagen könnte. In Europa folgte ein weiteres Quartal mit zweistelligen Gewinnrückgängen. Während Q4 2023 eine graduelle Verbesserung gegenüber dem Vorquartal zeigte, wird bedauerlicherweise für Q1 2024 wiederum mit einer allmählichen Verschlechterung gerechnet, die aber möglicherweise die Talsohle markieren könnte. Auf globaler Basis verharrten die Gewinnrevisionen im Februar unterhalb des Wertes eins, was bedeutet, dass die Schätzungen für mehr Unternehmen gesenkt als angehoben wurden. Im Februar zeigen sich graduelle Verbesserungen für die Regionen USA, Japan und die Schwellenländer, während Europa im negativen Territorium lag. 

Basierend auf Analysen, die bis ins Jahr 1988 zurückreichen, weisen die Monate März bis Mai im Durchschnitt eine positive Saisonalität auf, wobei die Gewinnrevisionen historisch betrachtet überwiegend nach oben tendieren. Man könnte also folgendes Fazit ziehen: "Vereinzelt ist noch mit Bodenfrost zu rechnen, aber Anzeichen eines Frühlings liegen in der Luft". 

Kontakt aufnehmen