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Anlagestrategien

Der Gaming-Sektor entwächst den Kinderschuhen

Dank der rapide fortschreitenden Digitalisierung und der spektakulären 4K-Bildauflösung ist Gaming kein Nischengeschäft mehr. Im Gegenteil: Der Gaming-Sektor generiert mittlerweile mehr Umsatz als die Musik- und die Filmbranche zusammen.

Datum
Autor
Maggie Elliott, Gastautorin
Lesezeit
4 Minuten

Vier junge Männer mit identischen roten Jacken, Kopfhörern und Konsolen starren konzentriert auf ihre Bildschirme
Oft spielen sie weiterhin im Halbdunkeln an einer Videospielkonsole, sonst hat sich einiges verändert: Topspielerinnen oder -spieler in Asien verdienen beispielsweise so viel wie Fussballprofis in Europa und haben ein Millionenpublikum, so LGT Analyst Chris Burger. © Keystone/EPA/Alex Plavevski

Vergessen Sie den bleichgesichtigen Teenager, der im Halbdunkeln an einer Videospielkonsole klebt. Gaming ist inzwischen in der ganzen Gesellschaft verbreitet. Das auf Gamingdaten spezialisierte Marktforschungsunternehmen Newzoo schätzt, dass letztes Jahr mehr als 3,5 Milliarden Menschen Videospiele gespielt haben. Die Zahl der Gamerinnen und Gamer ist während der Pandemie sprunghaft gestiegen. Nach dem Ende der Lockdowns waren Computerspiele interessanterweise nicht etwa out. Vielmehr kletterten die Zahlen weiter.

Grosse, global agierende Technologieunternehmen sind auf dieses Phänomen aufmerksam geworden. Die Gaming-Industrie, die lange von Kleinunternehmern und Computerfreaks in Souterrain-Büros dominiert war, hat kontinuierlich an Professionalität gewonnen. Chris Burger, der als Senior Equity Analyst bei der LGT tätig ist, sagt dazu: "Man braucht finanzielle Schlagkraft, um erfolgreiche Spiele zu entwickeln. Die Spiele von heute erfordern tolle Grafiken, erstklassigen Sound und Animationen wie im Film. Um diese Punkte perfekt umzusetzen, sind Teams von Hunderten Mitarbeitenden erforderlich. Ein kleines Studio kann diesen Prozess einfach nicht stemmen."

Ein Mann spricht vor einem grossen Bildschirm, auf dem das Videospiel Mario Brothers läuft
Mit dem kultigen Game Boy führte Nintendo und Top-Designer Shigeru Miyamoto das Konzept des mobilen Spielens ein. © Keystone/AP Photo/Paul Sakuma

Die Technologieriesen mischen schon lange in der Gamingszene mit. Microsoft und Sony haben sich bereits einen Namen gemacht, und der vom Gaming generierte Anteil an ihrem Gesamtumsatz steigt rapide. Die LGT schätzt, dass nach der Übernahme von Activision Blizzard im Oktober 2023 rund zehn Prozent des Umsatzes von Microsoft aus dem Spielebereich stammen. Bei Sony sind es 32 Prozent. Andere Riesen wie Nintendo, Tencent, Apple, NetEase, Google, Take-Two Interactive und Electronic Arts investieren hohe Summen, um Marktanteile in der Gaming-Branche zu erobern.

Gamingindustrie im Aufwind dank Smartphones und Breitbandverbindungen

Die Gaming-Industrie ist vergleichsweise jung, hat sich aber seit der Einführung des Commodore 64 Anfang der 1980er Jahre rasant entwickelt. Nintendo brachte seine eigene Spielkonsole auf den Markt und später den kultigen Game Boy, der das Konzept des mobilen Spielens einführte. Sony kam in den 1990er Jahren mit der PlayStation auf den Markt und Microsoft im Jahr 2000 mit der Xbox. 

Eine Fantasiefigur aus einem Videospiel in mittelalterlicher Kampfausrüstung streckt die Hand zum Himmel
Dank Cloud Computing werden Spiele, wie hier "The Legend of Zelda", plattformunabhängiger. © Nintendo

Bis dahin galten Computerspiele als Zeitvertreib für Kinder. Mit der Einführung des Smartphones, des flächendeckenden High-Speed-Internets, spektakulärer Grafiken und vor allem anspruchsvollerer Spiele hat die Gaming-Leidenschaft auch viele Erwachsene gepackt. Natürlich haben einige dieser Erwachsenen schon als Kinder gespielt. Aber wie die Statistiken zeigen, haben viele erst mit dem Spielen begonnen, als es zum Mainstream wurde. Die Industrie profitiert hiervon, weil Erwachsene über höhere Einkommen verfügen als Kinder und zudem bereit sind, viel Geld für Computerspiele auszugeben.

Man kann heute noch immer auf Konsolen und PCs spielen. Das Mobile Gaming hat sich inzwischen aber zum grössten und am schnellsten wachsenden Marktsegment entwickelt. Von den geschätzten USD 184 Milliarden Umsatz, die 2023 im Computerspielsektor erzielt wurden, entfielen 49 Prozent auf das Mobile Gaming. Konsolen machten 29 Prozent und PCs 22 Prozent des Umsatzes im Gamingbereich aus.

Plattformunabhängige Spiele beflügeln den Umsatz

Der Trend zum Mobile Gaming spiegelt einen einschneidenden Wandel in der Branche wider. Früher konzentrierten sich die Spielehersteller darauf, immer ausgefeiltere Spiele zu entwickeln, die immer komplexere und teurere Hardware benötigten, um gespielt werden zu können. "Im Zuge der Entwicklung des Cloud-Computing bieten die Firmen ihre Spiele nun in der Cloud an. Gamerinnen und Gamer können diese monatlich oder stündlich nutzen", so Burger. Die erforderliche Rechenleistung wird vom Endgerät auf einen Server mit geeigneter Hardware ausgelagert. "Dies wird künftig zu mehr plattformunabhängigen Spielen führen und eine Reihe neuer Ertragsströme freisetzen", erklärt der Analyst.

Einer Spitzengamerin oder einem Spitzengamer zuzusehen ist Unterhaltung. 

Chris Burger, CFA, Senior Equity Analyst, LGT Private Banking

Der Umsatz der Gaming-Industrie verteilt sich auf die Hardware- und die Softwareproduzenten. Burger erwartet, dass das grösste Potenzial für künftige Umsatzsteigerungen im Bereich der In-Game-Käufe und In-Game-Werbung liegt. "Bei diesen Mikrotransaktionen sind die Kaufhürden für die Endkundinnen und Endkunden aufgrund der geringeren Beträge niedriger", sagt Burger. Derweil suchen Werbetreibende auch nach Möglichkeiten zur Integration von In-Game-Messaging, um so weitere Umsatzsteigerungen zu erzielen.

E-Sports als neues Unterhaltungsformat

E-Sports ist ein wachsendes Segment des Gaming-Markts, das sich in Asien besonders dynamisch entwickelt. Dieses Wachstum mag verblüffend erscheinen. Burger weist aber darauf hin, dass die meisten Menschen Sport lieber anschauen als selbst treiben. "Es geht um Unterhaltung. Man schaut jemandem mit grossen Fähigkeiten zu. Was spricht dagegen, dass dieser Jemand eine Spitzengamerin oder ein Spitzengamer ist?"

Zwei Fans in einer Halle mit Plakaten für ihre Mannschaft
Wenn es Unternehmen gelingt, eine Community rund um ein bestimmtes Spiel aufzubauen, entsteht eine Kundenbindung, die sich positiv auf den Umsatz auswirkt. © Keystone/AFP/Anthony Wallace

"Topspielerinnen oder -spieler in Asien verdienen so viel wie Fussballprofis in Europa und haben ein Millionenpublikum", so der LGT-Analyst. "Gleichzeitig nutzen E-Sportlerinnen und E-Sportler Streaming-Plattformen, um die Werbetrommel für ihre Sponsoren - die Gaming-Unternehmen - zu rühren." Wenn es Unternehmen gelingt, eine Community um ein bestimmtes Spiel zu entwickeln, können sie die Kundenbindung an dieses Spiel und den damit erzielten Umsatz deutlich erhöhen.

In der Gaming-Branche sind erhebliche Konsolidierungstendenzen zu beobachten. Ein Grund dafür sind die hohen Kosten, die Unternehmen entstehen, wenn sie einen Blockbuster an den Markt bringen wollen. Die Budgets für die Entwicklung der besten Videospiele sind in den letzten Jahrzehnten explodiert und belaufen sich mittlerweile auf Hunderte Millionen US-Dollar. Bei manchen Spielen dauert die Entwicklung über fünf Jahre. Für ein kleines Unternehmen ist es meist unmöglich, eine ganze Reihe von Spielen auf den Markt zu bringen. Und ein Flop kann für die Firma den Ruin bedeuten.

KI als Werkzeug und wortwörtlicher Gamechanger

Ein Mann in Anzug und Krawatte lächelt freundlich in die Kamera
Chris Burger, Senior Equity Analyst LGT

Ein Silberstreif am Horizont ist die generative KI, von der man sich erhofft, dass sie dazu beitragen wird, die eskalierenden Kosten für die Entwicklung neuer Spiele zu senken. KI ist bereits zu einem gefragten Werkzeug geworden, um die Erstellung von Inhalten zu beschleunigen. 

Im Computerspielbereich könnte die KI laut Burger aber mehr als nur ein Werkzeug sein: "Virtual Reality stellt aus unserer Sicht eine weitere Stufe in der Gaming-Entwicklung dar. Ist man im Metaversum, befindet man sich wirklich im Spiel und spielt es nicht nur. Dadurch wird die Erfahrung noch intensiver." Auf diese Weise könnten sich Computer-Rollenspiele eines Tages in unendliche, lebendige Welten verwandeln, die organisch mit der Gamerin oder dem Gamer wachsen. 

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