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Market View & Insights
Mit der Reorganisation der Lieferketten zeigt sich, dass der Fokus zunehmend auf der Produktion im eigenen Land liegt und dass die Weltwirtschaftsordnung einen Paradigmenwechsel durchläuft.
Die Globalisierung, einst Synonym für grenzenlosen Fortschritt, befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, mehrschon in einer Kehrtwende. Denn seit der globalen Finanzkrise von 2008 beobachten wir ein Phänomen, das als "Slowbalisierung" bekannt ist - eine Verschmelzung der Begriffe "slow" (langsam) und (Globalisierung) - und das eine Verlangsamung der Globalisierungsbestrebungen bezeichnet.
Der globale Warenhandel, d. h. die Summe der weltweiten Importe und Exporte, ist ein Abbild dieses Wandels. Von den 1960er-Jahren bis 2008 explodierte er geradezu, seither geht er im Verhältnis zum weltweiten Bruttoinlandprodukt (BIP) stetig zurück.
Nach unserer Ansicht stellt die Slowbalisierung kein vorübergehendes Phänomen dar; es dürfte sich vielmehr um eine fundamentale wirtschaftliche und politische Neuausrichtung handeln. Der Trend wurde von den jüngsten Krisen wie der Covid-Pandemie, dem Ukrainekrieg und dem Handelskonflikt zwischen den USA und China zusätzlich verstärkt. Diese Ereignisse haben die Anfälligkeit der globalen Lieferketten offengelegt und gezeigt, wie hoch der Stellenwert von strategischen Produkten und wesentlichen Alltagsgütern tatsächlich ist.
Unternehmen und Staaten befassen sich nun mit der Neuorganisation ihrer bestehenden globalen Netzwerke. Bei der Neuausrichtung der Lieferketten geht es nicht nur um Kostenoptimierung, sondern auch zunehmend um die Bedeutung der Versorgungssicherheit. Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Automatisierung sollen sicherstellen, dass im eigenen Land oder im nahen Ausland belastbare Lieferketten geschaffen werden können. Der Preis für mehr Sicherheit ist ein Anstieg der Teuerung.
Gleichzeitig erkennen Regierungen weltweit die Notwendigkeit, strategische Industrien zu unterstützen und ihre Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu verringern. So subventioniert die EU beispielsweise die Produktion im Inland mit Initiativen wie dem "Green Deal Industrial Plan", um ihre Souveränität in Technologiefragen sicherzustellen.
Diese Entwicklung signalisiert, dass geopolitische und nationale Sicherheitsüberlegungen ebenso wichtig sind wie wirtschaftliche Aspekte. Unternehmen in ganz verschiedenen Branchen wie Technologie, Automobilbau und Gesundheitswesen richten ihre Geschäftsmodelle neu aus, um sich diese kritische Verlagerung der globalen Wirtschaftsordnung zunutze zu machen.
Es trifft zwar zu, dass die "America First"-Politik von Präsident Trump die Slowbalisierung beflügelt; dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass dieser Trend schon seit einiger Zeit anhält. Protektionistische Massnahmen und der Rückzug der USA wie auch einiger anderer Länder aus internationalen Vereinbarungen lassen Wirtschaftsblöcke entstehen - die USA, die EU und China sind die grössten unter ihnen -, die zunehmend einen eigenen Kurs fahren.
Der Trend zur Slowbalisierung führt zu einer Neugewichtung der globalen Netzwerke und der regionalen Autonomie. Die Frage, wie kostengünstig ein Produktionsstandort ist, spielt bei Entscheidungen nicht länger zwingend die grösste Rolle; vielmehr geben Sicherheits- und Stabilitätsbedürfnisse bei zahlreichen Lieferketten- und Produktionsentscheidungen den Ausschlag.
Mit dieser Neuausrichtung eröffnen sich Chancen für Unternehmen, von der Verlagerung ihrer Produktionsstandorte, der Stärkung lokaler Lieferketten und der Ausrichtung auf Unabhängigkeit im Technologiebereich zu profitieren. Betrachten wir einige Schlüsselbranchen im Einzelnen:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Slowbalisierung zweifellos Branchen zugutekommt, die lokale Wertschöpfungsketten mit Innovation verbinden, sei es durch Automatisierung, ressourceneffiziente Produktion oder digitale Unabhängigkeit. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv mitgestalten, fördern nicht nur ihre eigene Krisenresilienz, sondern langfristig auch eine regional vernetzte, nachhaltige Wirtschaft.
Die Expertinnen und Experten der LGT analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.