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Finanzmärkte

Emotionen lenken für bessere Anlageergebnisse

Anlegerinnen und Anleger wissen, dass Anlageentscheidungen am Aktienmarkt emotional anspruchsvoll sein können, insbesondere bei kurzfristigen Verlusten. Zu lernen, wie man mit Rückschlägen umgeht und das Risiko steuert, ist entscheidend, um die Rendite zu optimieren. Langfristig  könnten sich diese beiden Ansätze auch finanziell eindeutig auszahlen.

Datum
Autor
Tim Cooper, Gastautor
Lesezeit
3 Minuten

Aufnahme einer konzentrierten oder nachdenklichen Person
Wenn Emotionen die Oberhand gewinnen, reagieren wir eher auf vergangene Ereignisse als auf eine aktuelle Realität, sagt Christian Bartsch, Dozent für Resilienz an der Liechtenstein Academy. © Shutterstock/Liyle

Weltweit sind die Aktienkurse seit Beginn der Aufzeichnungen markant gestiegen, im Durchschnitt um rund zehn Prozent pro Jahr. Aber Aktien sind volatil und erleben vielen Höhen und Tiefen. Einbrüche von zehn Prozent kommen in der Regel einmal im Jahr vor, Verluste von 20 Prozent alle paar Jahre. Die gute Nachricht: Meistens erholen sich die Aktienmärkte rasch und machen sich auf zu neuen Höhenflügen.

Wie umgehen mit Vermögensverlusten und Risiken?

Zwei Händler diskutieren vor einem Display mit Börsenkursen
Wer an einem Tiefpunkt aus dem Markt aussteigt, schreibt den finanziellen Verlust fest. © Keystone//EPA/Gustavo Cuevas

Angenommen, Ihr Portfolio verliert in den nächsten 12 Monaten zehn Prozent an Wert. Wie reagieren Sie am besten? Sie können abwarten, bis die Kurse wieder steigen. Aber es ist schwierig, solche Verluste auszuhalten. Oft sind es intensive Gefühle von Schmerz, Verlust, Enttäuschung, Reue und Angst - nicht zuletzt, da die Medien bei Kurskorrekturen häufig den Teufel an die Wand malen.

Wenn man unvorbereitet ist, können einen diese Emotionen zu einer Überreaktion verleiten, z.B. zum Verkauf aller Aktien. Wenn sich der Markt dann wieder erholt, kann man so um eine beträchtliche Rendite gebracht werden. Forscher schätzen, dass solche emotionsgetriebenen Fehler Anleger im Verlauf der Jahre erhebliche Summen kosten. 

Gefahren von Panikverkäufen

Ein leger gekleideter Mann sitzt, spricht und gestikuliert.
Da die Tageskurse in rund 47 Prozent der Fälle im Minus schliessen, machen die Anlegerinnen und Anleger deutlich häufiger Verlusterfahrungen, sagt Professor Christoph Merkle. © christophermerkle.github.io

Christoph Merkle, ausserordentlicher Professor für Finanzen an der Universität Aarhus in Dänemark, zeigt, dass die mit Verlusten verknüpften Gefühle Ängste auslösen und zu Panikverkäufen führen können. Wer aber an einem Tiefpunkt aus dem Markt aussteigt, schreibt den finanziellen Verlust fest.

"Der Zeitpunkt deutlicher Verluste ist der schlechteste Moment, um eine Entscheidung zu treffen, weil dann der unbewusste, emotionale Teil des Gehirns aktiv ist", sagt er. "Meine Forschung zeigt, dass die Menschen im Nachhinein meist erkennen, dass die vorübergehenden Verluste nicht so schlimm waren, wie sie dachten."

Laut Professor Merkle verschärft die Allgegenwart von Online-Zugängen und Mobiltelefonen das Risiko von Panikverkäufen, da sich Kurse zu jeder Tages- und Nachtzeit überprüfen lassen. Und da die Tageskurse in rund 47 Prozent der Fälle im Minus schliessen, sind Verlusterfahrungen für Anlegerinnen und Anleger deutlich präsenter als Gewinnerlebnisse.

Auch vermögende oder überdurchschnittlich intelligente Menschen können zu Kurzschlussreaktionen neigen. Eine Umfrage von EY zeigt, dass 73 Prozent des Anlegerpublikums ihr Anlageverhalten nach einem Werteinbruch ihres Portfolios ändern.

Was hinter dem emotionalen Anlageverhalten steckt

Christian Bartsch ist Inhaber von bartsch consulting und Dozent für Resilienz an der Liechtenstein Academy, einem von der LGT gegründeten Institut für Persönlichkeitsentwicklung.

Seiner Meinung nach neigen Menschen dazu, sich auf Bedrohungen zu konzentrieren, weil dies für unsere Vorfahren, die in Höhlen lebten, von Vorteil war. Deshalb empfinden die meisten Menschen den Schmerz von Anlageverlusten stärker als die Freude über Gewinne - und neigen auch heute noch zu sogenannten Fight-or-Flight Responses (Kampf-oder-Flucht-Reaktionen).

"Dieser Pessimismus ist angebracht, wenn es um physische Bedrohungen geht. Bei den für unsere Zeit typischen Herausforderungen wie dem Investieren ist er jedoch fehl am Platz", wie Christian Bartsch unterstreicht.

Eine Person springt in einer städtischen Umgebung von einer niedrigen Säule zur nächsten.
Der Schmerz des Bedauerns ist stärker bei Menschen, die zur Maximierung neigen (immer das Beste wollen) und die glauben, dass Erfolg mehr von Können als von Glück abhängt, sagt Professor Meir Statman. © istock/golero

Das ist jedoch noch nicht das Ende der psychologischen Herausforderungen. Laut Meir Statman, Professor für Finanzwirtschaft an der Santa Clara University und Verfasser von "A Wealth of Well-Being: A Holistic Approach to Behavioral Finance", können Verluste Reue auslösen - den Schmerz, den wir empfinden, wenn wir eine alternative Handlung in Betracht ziehen, zum Beispiel "ach hätte ich doch heute statt gestern investiert". "Verschiedene Persönlichkeiten empfinden den Schmerz des Bedauerns unterschiedlich", sagt Statman. "Er ist zum Beispiel stärker bei Menschen, die zur Maximierung neigen (immer das Beste wollen) und die glauben, dass Erfolg mehr von Können als von Glück abhängt."

So lassen sich Emotionen beim Anlegen regulieren

Glück spielt eine Rolle beim Anlegen. Wer dies anerkennt, empfindet weniger Reue. Laut Meir Statman lässt sich das Bedauern so strategisch minimieren. Es lässt sich nicht immer alles kontrollieren. Eine weitere Strategie besteht darin, statt des besten Ergebnisses ein Ergebnis anzustreben, das "gut genug" ist. Und drittens lassen sich die Portfoliorenditen glätten, wenn man regelmässig kleine Beträge im Aktienmarkt anlegt.

Ist man einmal investiert, gilt es, reflexartige Reaktionen zu vermeiden. Bartsch sagt, dass man dies tun kann, indem man die natürlichen Kampf-oder-Flucht-Reflexe zügelt und "dem Drang widersteht, um jeden Preis etwas zu tun, um nach einem Verlust zu versuchen, das Gefühl der Kontrolle wiederzuerlangen."

Ein Händler vergräbt sein Gesicht in den Händen, ein anderer schaut besorgt.
Ein Blick auf die historische Entwicklung der Aktienmärkte und die Häufigkeit von Crashs und Verlusten zeigt, dass diesen Ereignissen in der Regel eine rasche Erholung und weitere Kursgewinne folgen. © Keystone/EPA/Justin Lane

Wer vorausdenkt, hat bessere Chancen. Der legendäre griechische Held Odysseus liess sich an den Mast seines Schiffs fesseln, um den Lockrufen der Sirenen zu widerstehen. Sonst wäre er verloren gewesen. Professor Merkle empfiehlt, wie Odysseus Massnahmen zur Vermeidung von spontanen und unreflektierten Handlungen zu ergreifen.

Eine Strategie besteht darin, den Stand des eigenen Portfolios weniger häufig abzurufen. Wenn Sie es doch tun, entscheiden Sie sich im Voraus, nicht auf Auf- und Abwärtsbewegungen oder auf Angst einflössende Nachrichten zu reagieren.

Bevor Sie reagieren, atmen Sie tief durch. Schlafen Sie darüber und sprechen Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen.

Christian Bartsch, Dozent für Resilienz

 

Ein Mann mit blauem Sakko, kariertem Hemd und Brille schaut freundlich in die Kamera.
Christian Bartsch empfiehlt, die eigene Resilienz zu trainieren, indem der positive Umgang mit Unsicherheit geübt wird.

Zudem empfiehlt er "Verbindlichkeiten zu schaffen". Wer Altersvorsorge betreibt, kann einer Pensionskasse beitreten. Die eingezahlten Beträge lassen sich nicht ausbuchen oder ohne Weiteres verschieben. Zahlreiche Anlegerinnen und Anleger wollen jedoch Zugang zu ihren Portfolios haben und sie anpassen können. In diesem Fall sind zusätzliche Strategien erforderlich, um auf Kurs zu bleiben.

Es lohnt sich, die historischen Entwicklungen der Aktienmärkte eingehend zu analysieren, um einen Einblick in die Frequenz von Crashs und Verlusten zu erhalten und zu realisieren, dass auf diese Ereignisse zumeist eine rasche Erholung und weitere Kursgewinne folgen. Führen Sie sich Ihre eigenen Erinnerungen an Baissen - etwa während der Coronapandemie - vor Augen. Erinnern Sie sich, wie rasch anschliessend die nächste Hausse einsetzte? Wer die oben genannten Gedankengänge immer wieder durchgeht, dürfte gut auf Schocks vorbereitet sein.

Langfristig denken

Christian Bartsch empfiehlt, die eigene Resilienz zu trainieren, indem man den positiven Umgang mit Unsicherheiten übt. Gerade bei Anlagedilemmas, so seine Begründung, werden alle kurzfristigen Entscheidungen im unbewussten, emotionalen Teil unseres Gehirns getroffen. Das rationale Denken setzt erst später ein. "Bevor Sie reagieren, atmen Sie einmal tief durch und überlegen Sie. Schlafen Sie darüber und sprechen Sie mit Menschen, die Sie vertrauen. Ihre Finanzberaterin oder Ihr Finanzberater ist eine gute Anlaufstelle."

Bird's eye view of a red kayak navigating rocks and whitewater
Ein langfristiger Plan kombiniert die eigenen finanziellen Bedürfnisse, Ziele mit der Risikobereitschaft und hilft, impulsive Reaktionen zu vermeiden. © istock/CarcarsaGuru

Wer noch nicht über einen langfristigen Plan verfügt, der die eigenen finanziellen Bedürfnisse, Ziele und die Risikobereitschaft kombiniert, sollte sich von einer Beraterin oder einem Berater beim Entwurf eines solchen Plans unterstützen lassen. Diese Planung und ihre regelmässige Überprüfung tragen dazu bei, impulsive Reaktionen zu vermeiden.

Ein Tipp zum Schluss: Ein Puffer aus liquiden Mitteln und eine gesunde Diversifikation des Anlageportfolios wirken beruhigend und sorgen für besonnenere Reaktionen, da das finanzielle Wohlbefinden in Baissen nicht unmittelbar bedroht ist.

Persönlichkeit und vorgefasste Meinungen

Es ist auch wichtig, Ihre Anlegerpersönlichkeit zu verstehen. Reagieren Sie zum Beispiel eher direkt und angemessen auf die aktuelle Situation oder reagieren Sie auf tiefer liegende Ereignisse, die Sie in Ihrer Jugend entwickelt haben? Bartsch nennt das Beispiel eines erfolgreichen Geschäftsmannes, dessen Eltern in Konkurs gingen. Diese Erfahrung führte dazu, dass er unverhältnismässig viel Angst hatte, Geld zu verlieren, obwohl er über viel Geld verfügte und sich nicht um kurzfristige Marktschwankungen kümmern musste. 

Eine Frau mit Brille sitzt in der Küche und schaut nachdenklich und vielleicht besorgt auf ein Dokument
Worauf reagierst du, wenn du dein Portfolio betrachtest: auf die aktuelle Realität, oder auch auf vergangene Ereignisse? © Shutterstock/fizkes

"Immer wenn unsere Emotionen - z. B. Angst - die Oberhand gewinnen, reagieren wir wahrscheinlich nicht auf die aktuelle Realität, sondern auf vergangene Ereignisse", sagt Christian Bartsch. "Wer sich bewusst macht, was die eigenen Reaktionen prägt, kann auf der Verhaltensebene Gegensteuer geben, um negative Folgen zu vermeiden."

Je häufiger und eingehender die Gespräche mit der eigenen Finanz- oder Anlageberaterin bzw. dem eigenen Finanz- oder Anlageberater ausfallen, desto besser können sie Bedürfnisse, Persönlichkeiten und Reaktionen auf Entwicklungen - und Risiken - nachvollziehen. So können sie Kundinnen und Kunden besser unterstützen und dafür sorgen, dass deren langfristige Pläne auf Kurs bleiben.

Liechtenstein Academy

Die vor fast 30 Jahren von der LGT gegründete Liechtenstein Academy vermittelt Wissen und Fähigkeiten, um eine immer komplexer werdende Welt zu verstehen. Spezialisiert auf die Bereiche Persönlichkeitsentwicklung, Family Governance und Sustainability unterstützt sie Personen, Unternehmen und Unternehmerfamilien bei ihrem Bestreben, verantwortungsvoll und langfristig zu handeln. Für eine Welt, geführt mit Weitblick und Umsicht.

 

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