Finanzwissen

Persönlichkeiten der Börsenwelt: Harry Markowitz

Die meisten heutigen Anlagestrategien beruhen auf theoretischen Überlegungen aus dem Jahr 1952. Wir stellen den Vater der modernen Portfoliotheorie vor.

Datum
Autor
Sidi Staub, LGT
Lesezeit
4 Minuten
Harry Markowitz

Dass man sein Geld nicht in eine einzige Anlage stecken sollte, ist keine sehr neue Erkenntnis. Bereits 1792 versuchten Anleger an der Wall Street ihre Risiken möglichst gut zu streuen. Allerdings gingen sie dabei eher intuitiv vor, nach der Eier-im-Korb-Methode, wie es übrigens auch heute noch viele Anleger tun. Es vergingen 160 Jahre, bis 1952 in einem amerikanischen Fachmagazin, dem «Journal of Finance», ein Artikel erschien, in dem erstmals ein wissenschaftliches Modell zur Erstellung eines optimal diversifizierten Portfolios vorgestellt wurde. Autor des Artikels war der damals 25-jährige Harry Markowitz, der an der University of Chicago Wirtschaftswissenschaften studierte und im Rahmen seiner Doktorarbeit die Anwendung mathematischer Methoden auf die Wertpapiermärkte untersuchte. Das von ihm entwickelte Modell sollte ihm 1955 den Doktortitel und 1990 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften eintragen, gemeinsam mit den Wissenschaftlern Merton H. Miller und William F. Sharpe. Nebst diesen beiden offiziellen Titeln, erhielt Markowitz später den eher inoffiziellen Titel als Vater der modernen Portfoliotheorie.

Mathematisch-statistische Optimierung

Die von Markowitz mitentwickelte Theorie zeigt, wie ein Portfolio mit mathematisch-statistischen Verfahren effizient diversifiziert, also auf verschiedene Einzelanlagen aufgeteilt und auf diese Weise optimiert werden kann. Ein solches, optimales Portfolio sollte das Ziel jeder Anlegerin und jedes Anlegers sein: Es maximiert den erwarteten Ertrag bei gegebenem Risiko, bzw. minimiert das erwartete Risiko für einen bestimmten Ertrag. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die einzelnen Wertpapiere im Portfolio nicht vollständig korreliert sind, sich also nicht gleichläufig entwickeln. Verluste auf einzelnen Wertpapieren werden dann nämlich durch Gewinne auf anderen Wertpapieren kompensiert. Markowitz entwickelte in seiner Doktorarbeit eine mathematische Methode, wie verschiedene Anlagen zu einem Gesamtportfolio kombiniert werden, das diesen Effekt bestmöglich ausnützt. 

Glücklicher Zufall

Das Konzept mathematisch optimierter Portfolios war zu Markowitz’ Zeit bahnbrechend. Dass er aber überhaupt auf die Idee kam, sich wissenschaftlich mit der Optimierung von Portfolios zu beschäftigen, ist teilweise einem glücklichen Zufall zu verdanken. Als er nämlich seinen Doktorvater Jacob Marschak treffen wollte, um sich über mögliche Themen für seine Dissertation zu unterhalten, traf er im Vorzimmer dessen Aktien-Broker, der ebenfalls einen Termin mit Marschak hatte. Da der Professor verspätet war, mussten die beiden längere Zeit warten. Sie kamen ins Gespräch und es war schliesslich dieser Broker, der ihm vorschlug, für seine Doktorarbeit mathematisch-statistische Methoden auf das Studium der Geldanlage und Finanzmärkte anzuwenden. Auch Marschak gefiel die Idee und der Rest ist Geschichte.

Beinahe gescheitert

Wie bahnbrechend seine Theorie tatsächlich war, zeigte sich, als Markowitz seine Doktorarbeit 1955 vor der Dissertationskommission verteidigen sollte. Eines der Kommissionsmitglieder war nämlich Milton Friedman, einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und ebenfalls ein zukünftiger Nobelpreisträger. Und ausgerechnet Milton Friedman argumentierte, dass die Portfoliotheorie gar nichts mit Ökonomie zu tun habe und Markowitz deshalb der Doktortitel verweigert werden sollte. Allerdings wurde Friedman nach kurzer, heftiger Debatte von den anderen Kommissionsmitgliedern überstimmt. Obwohl nicht unbestritten, sind heute die Erkenntnisse der später weiterentwickelten modernen Portfoliotheorie aus der professionellen Geldanlage nicht mehr wegzudenken und Basis für die Anlageentscheide vieler institutioneller, aber auch privater Anleger.

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