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Regierungsstillstand in den USA - aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Die US-Regierung konnte einen "Shutdown" vorerst vermeiden, sah sich jedoch mit einem Machtpoker innerhalb der Republikanischen Partei konfrontiert, der zum Sturz des Sprechers des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, führte. Der anhaltende Haushaltsstreit und die Unsicherheit über die Regierungsführung erhöhen das Risiko eines "Shutdowns" sowie negativer wirtschaftlicher Konsequenzen und auch einer möglichen Einstellung der US-Finanzhilfe für die Ukraine.

Datum
Autor
Georg Ruzicka, Head Equity Research LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

Strategist US Capitol
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In der Nacht auf Sonntag, den 1. Oktober 2023, konnte in Washington in letzter Sekunde ein Regierungsstillstand abgewendet werden. Konkret wurde ein Aufschub um 45 Tage bis zum 17. November 2023 beschlossen. Was einst als extreme Massnahme konzipiert war, entwickelt sich immer mehr zu einem politischen Machtspiel in Washington. Da das Fiskaljahr der Regierung immer zum 30. September endet, geht es derzeit um das nächste Haushaltsbudget, beginnend am 1. Oktober 2023 bis 30. September 2024. Dabei müssen insgesamt zwölf Budgetvorlagen verabschiedet werden.

In den vergangenen 40 Jahren kam es in den USA zehnmal zu einem teilweisen oder vollständigen Regierungsstillstand, je nachdem, über wie viele der zwölf Bewilligungsvorlagen des Gesamthaushalts keine Einigung erzielt werden konnte. Dabei betrug die durchschnittliche Dauer eines «Shutdowns» im Schnitt 14 Tage. Während das politische Machtspiel in der Regel zwischen Demokraten und Republikanern ausgetragen wird, wird es diesmal von Republikanern vom extrem rechten Flügel und dem Rest der republikanischen Partei dominiert. Der moderate republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, der drittmächtigste Politiker der USA, hat den erzielten Aufschub ermöglicht und wurde dafür von den Hardlinern in seiner Partei seines Amtes enthoben.

Finanzhilfen für die Ukraine eingefroren

Nachdem die Finanzierungszusagen der USA an die Ukraine einer der Hauptstreitpunkte zwischen dem Repräsentantenhaus und dem Senat waren, basiert der aktuelle Kompromiss auf einem vorübergehenden Einfrieren weiterer geplanter US-Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von USD 24 Milliarden. Dies sozusagen als Preis für die Vermeidung eines kompletten Regierungsstillstands, der indirekt zu Lasten der Ukraine geht, respektive die Fähigkeit der Selbstverteidigung gefährdet.

Ein möglicher Regierungsstillstand käme zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt

Es gibt derzeit keine klare Nachfolge für den Sprecher des Repräsentantenhauses, was der politischen Konsensfindung nicht förderlich erscheint. Derzeit herrscht Uneinigkeit über alle zwölf Bewilligungsvorlagen zum Staatshaushalt. Insbesondere bei der Frage, wo und um wie viel die aus dem Ruder gelaufenen US-Staatsausgaben gekürzt werden sollen, gehen die Vorstellungen zwischen Repräsentantenhaus und Senat auseinander. Betragsmässig müssten Differenzen von mindestens USD 120 Milliarden überbrückt werden, voraussichtlich ohne den Verteidigungshaushalt zu tangieren. Diese Differenzen bis zum 17. November zu überbrücken, könnte sich jedoch als schwieriger erweisen, als möglicherweise weitere temporäre Verschiebungen zu erreichen. Sollte es nicht gelingen, einen Kompromiss zu finden, käme ein möglicher Regierungsstillstand in den USA jedenfalls zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da er die bisherigen Teilerfolge auf dem Weg zu einer «sanften Landung» der US-Wirtschaft untergraben würde. In einem Quartal mit erwartetem Nullwachstum besteht die Gefahr eines Rückfalls in die Kontraktion.

Was passiert bei einem «Shutdown»?

Während bei einem «Shutdown» die Staatsschulden weiter bedient werden und die wichtigsten Staatsaufgaben weiter erfüllt werden (z.B. Fluglotsen) - wenn auch ohne Bezahlung - bleiben viele Staatsangestellte zu Hause und erhalten vorübergehend keinen Lohn. Ein Regierungsstillstand wirkt sich somit über den Produktionsausfall staatlicher Beschäftigten direkt auf das Wirtschaftswachstum aus. Schätzungen zufolge belastet ein «Shutdown» das annualisierte BIP-Wachstum mit -0.2 Prozentpunkten pro Woche - allerdings kann etwa die Hälfte der wirtschaftlichen Auswirkungen rückgängig gemacht werden, sobald der Stillstand aufgehoben ist. Interessanterweise kann in einer solchen Situation auch die Veröffentlichung relevanter makroökonomischer Daten verunmöglicht werden. In der aktuellen Situation, in der die US-Zentralbank datengetrieben navigiert, wäre dies für die äusserst zinssensitiven Bond- und Aktienmärkte problematisch. Es ist daher davon auszugehen, dass das Fed bei einem Regierungsstillstand aufgrund des «Blindflugs» vorerst keine weiteren Zinsschritte vornehmen würde.

Anhaltend hohe Unsicherheit

Die Verschiebung der schwierigen Kompromissfindung in einem dysfunktionalen System um 45 Tage bietet wenig Anlass zur Entspannung. Die Risiken eines Regierungsstillstands in den USA wurden von Oktober auf November verschoben und bleiben somit bestehen. Und selbst eine erfolgreiche Konsensfindung für den Staatshaushalt 2024 im vierten Quartal 2023 würde die längerfristige Frage der Nachhaltigkeit der strukturell hohen US-Haushaltsdefizite und auf rund 122% des BIP gestiegenen Staatsverschuldung nicht abschliessend klären. Insgesamt bleibt die Unsicherheit daher vorerst deutlich erhöht.

 

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