The Strategist

Vorbereitungen für die Zinssenkung im Sommer

Die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen am Donnerstag zusammen, um die jüngsten Inflationsentwicklungen zu diskutieren und ihren geldpolitischen Kurs für die kommenden Wochen bekannt zu geben. Wir erwarten keine unmittelbare Richtungsänderung, werden die Pressekonferenz aber aufmerksam verfolgen, um Hinweise auf mögliche Zinssenkungen im späten Frühjahr oder Frühsommer 2024 zu erhalten.

Datum
Autor
Tina Jessop, Senior Economist, LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Strategist EZB
© Shutterstock

Die Inflationsdynamik hat sich mittlerweile so weit abgekühlt, dass die EZB über die Möglichkeit und den Zeitpunkt von Zinssenkungen diskutieren kann. Zwar liegen die Inflationszahlen im Jahresvergleich immer noch über dem Zielwert von 2%, aber die annualisierten durchschnittlichen prozentualen Veränderungen der letzten drei Monate entsprechen nun entweder dem Zielwert von 2% oder sind unter diese Schwelle gefallen. Wichtig ist, dass dies auch für die Kerninflation gilt, bei der die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise sowie die Dienstleistungsinflation nicht berücksichtigt werden. Dies ist wichtig, da der Dienstleistungssektor am stärksten vom Lohnwachstum betroffen ist. 

Worauf wartet die EZB? 

Die Wirtschaft der Eurozone stagniert seit 2023 weitgehend. Die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors sind schwach, das Verbrauchervertrauen ist gedämpft (auch wenn es sich verbessert) und die Arbeitsmärkte zeigen Anzeichen einer marginalen Entspannung. Der Einlagenzins der EZB liegt derzeit bei 4.0% und wird von uns als restriktiv für das Wirtschaftswachstum angesehen. Je länger er auf dem derzeitigen Niveau bleibt, desto grösser sind die Auswirkungen auf das Wachstum. Die Geldpolitik wirkt mit einer gewissen Verzögerung. 

Nach dem jüngsten Inflationsrückgang ist die EZB jedoch «zuversichtlich», dass die Inflation mittelfristig «nachhaltig» auf 2% zurückgekehrt ist. In ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass die EZB so lange restriktiv bleiben wird, wie es notwendig ist, um sicherzustellen, dass dieses Ziel erreicht wird und um das Risiko einer potenziellen zweiten Inflationswelle zu unterbinden. In diesem Zusammenhang wies Präsidentin Lagarde auch auf die Bedeutung des Lohnwachstums hin. Bislang haben die Arbeitsmärkte der Eurozone den negativen Auswirkungen höherer Zinsen weitgehend getrotzt. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief, und das Lohnwachstum ist nach wie vor zu hoch, um mit dem Inflationsziel von 2% vereinbar zu sein. Damit die Inflation nachhaltig zurückgeht, muss sich das Lohnwachstum abschwächen. Die EZB wird jedoch erst dann in der Lage sein, die Lohndynamik für 2024 besser zu verstehen, wenn die Auswirkungen der jüngsten Lohnverhandlungen im April und Mai veröffentlicht werden.

EZB-Zinssenkung möglicherweise im April oder Juni

Die nächsten geldpolitischen Entscheidungen der EZB stehen am 7. März, 11. April und 6. Juni an. Für die März-Sitzung wird es für die EZB noch zu früh sein, um sich einer nachhaltigen Rückkehr zum 2%-Ziel hinreichend sicher zu sein. Wir rechnen daher mit einer ersten Zinssenkung im April oder Juni. Der Zeitpunkt wird letztlich von der Entwicklung des Wirtschaftswachstums und der Inflation in den kommenden Wochen und Monaten abhängen. Sollte die EZB bis Juni warten, würden wir eine Senkung des EZB-Einlagensatzes um 50 Basispunkte (statt einer moderaten Senkung um 25 Basispunkte) nicht ausschliessen, da die EZB - wieder einmal - der Kurve hinterherhinkt und zu den vorherrschenden wirtschaftlichen Bedingungen aufschliessen müsste.

Kontakt aufnehmen