Die Amerikanerin ist die erste Frau, die diese Auszeichnung mit niemandem teilen muss. Die Königlich-Schwedische Akademie setzte diesmal "nur" auf eine Preisträgerin.
Als erst dritte Frau hat die Ökonomin den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Dieser wird meist an mehrere Personen vergeben. Die diesjährige alleinige Auszeichnung für Claudia Goldin hat deshalb Seltenheitswert.
"Ich habe mich immer für eine Detektivin gehalten," verriet die 77-jährige Arbeitsmarkt-Historikerin Claudia Goldin im ersten Telefoninterview mit der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm, unmittelbar nachdem sie frühmorgens am 9. Oktober von ihrem Preis erfahren hatte.
Arbeitsmarktdaten aus 200 Jahren untersucht - ganz ohne künstliche Intelligenz
Empirische Methodik vorangetrieben
Die Akademie hob die Qualität von Goldins Arbeit hervor, die auf Daten über die Entwicklung der US-Arbeitnehmerschaft aus mehr als 200 Jahren basiert. Sie habe gezeigt, wie und warum sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Einkommen und Beschäftigungsquoten im Laufe der Zeit verändert hätten. Eine wahrhaft detektivische Arbeit, wenn man bedenkt, dass solche Daten erst in jüngerer Zeit systematisch und maschinenlesbar erfasst werden. Goldin hat mit ihrer Arbeit wichtige empirische Methoden vorangetrieben, um wirtschaftliche Phänomene zu quantifizieren und zu verstehen.
Kosten der Mutterschaft
Claudia Goldins Forschung trifft den Zeitgeist, da Fragen zur Geschlechterungleichheit und Arbeitsmarktdynamik die Gesellschaft und Wirtschaft stark umtreiben. Zu den Erkenntnissen der Ökonomin gehört, dass die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern (der sogenannte Gender Pay Gap) entgegen weitverbreiteten Annahmen nicht nur auf offensichtliche Diskriminierung, sondern auch auf komplexe soziale und wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen sind. Insbesondere hat sie herausgearbeitet, dass die Gehaltslücke eng mit mutterschaftsbedingten Karriereunterbrüchen zusammenhängt.
Moderne Arbeitsteilung auch bei Goldins zu Hause
Mit ihrer Forschung leistet Claudia Goldin einen wichtigen Beitrag, um immer noch bestehende Ungleichheiten in der Wirtschaft zu bekämpfen und traditionelle Formen der Arbeitsteilung zu hinterfragen. Im Hause Goldin selbst scheint die Arbeitsteilung modern zu sein - das legt eine weitere Passage aus dem Telefoninterview mit der Akademie nahe. Auf die Frage, was sie als erstes getan habe, nachdem sie vom Nobelpreis erfahren habe, antwortete Goldin, dass sie sofort ihren Mann - ebenfalls Wirtschaftsprofessor in Harvard - informiert habe. Dieser habe gelächelt und gemeint, das sei grossartig und was er nun tun solle. "Ich sagte ihm, er solle den Hund ausführen und Tee kochen, und dass ich mich auf eine Pressekonferenz vorbereiten müsse."
Führende Arbeitsmarktexpertin
Geboren am 27. Dezember 1946 in New York City, hat Claudia Goldin sich einen führenden Platz in der Welt der Wirtschaftswissenschaften erarbeitet. Nach dem Studium an der Cornell University und ihrer Promotion an der University of Chicago begann sie ihre akademische Laufbahn an der University of Pennsylvania, bevor sie an die Harvard University wechselte, wo sie noch heute lehrt. Sie gilt als führende Expertin auf dem Gebiet der Arbeitsökonomie und der Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt.
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