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Anlagestrategien

Agentic AI - wenn künstliche Intelligenz selbstständig handelt

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich rasant weiterentwickelt. Die nächste Entwicklungsstufe sind autonome KI‑Agenten - ein fundamentaler Wandel, der Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig prägen dürfte.

  • von Chris Burger, Senior Equity Specialist Europe, LGT Private Banking
  • Datum
  • Lesezeit 5 Minuten

Nicht mehr nur reagieren - agierende KI setzt Ziele, trifft Entscheidungen und handelt. Ein transformativer Wandel, sagt Chris Burger von LGT Private Banking. © Shutterstock/sdecoret

Zusammenfassung

  • Agentic AI markiert einen Wandel von passiven Tools zu autonomen digitalen Agenten.
  • Sie erledigt komplexe Aufgaben mit minimalem menschlichem Aufwand.
  • Anwendungsfälle in der Praxis reichen von Gesundheitswesen über Finanzen und Logistik bis hin zur Cybersicherheit.
  • Die Technologie sorgt für Effizienz, wirft jedoch Fragen hinsichtlich Ethik, Kosten und Aufsicht auf.
  • Es wird eine rasche Einführung erwartet, die zu erheblichen Umwälzungen in der Softwarebranche führen wird.

Der Begriff verrät es bereits: Agentic AI. Anders als generative KI, die Inhalte auf Basis von Benutzeranfragen erstellt, kann Agentic AI als autonomer "Agent" agieren und komplexe, mehrstufige Aufgaben mit minimalem menschlichem Eingreifen erledigen. Dieser Wandel markiert den Übergang von KI als passivem Werkzeug hin zu einem aktiven System, das Entscheidungen trifft, handelt und Ergebnisse eigenständig erzielt.

Was daran besonders spannend ist, sind die unzähligen realen Anwendungsfelder, die sich daraus ergeben. Es ist vergleichbar mit dem Sprung von einem smarten digitalen Assistenten hin zu einem selbständigen, intelligenten Individum, das zielgerichtete Aufgaben von Anfang bis Ende umsetzt. Der Vorteil liegt auf der Hand: niedrigere Betriebskosten, schnellere Ausführung und neue datengestützte Dienstleistungen. Unternehmen, die Agentic AI gezielt einsetzen, können so messbare Leistungssteigerungen erzielen.

Über generative KI hinaus

Sundar Pichai, CEO, Googlee
Da agierende KI zunehmend in den Fokus rückt, stellt sich nicht mehr die Frage, was Maschinen leisten können, sondern was sie tun dürfen sollten. © Mike Kai Chen/NYT/Redux/laid

Künstliche Intelligenz entwickelt sich schneller als jede andere Technologie in der Geschichte - mit tiefgreifenden Auswirkungen auf Branchen und Investitionslandschaften. Generative KI hat die Welt ins Staunen versetzt, doch ihr Einfluss ist bislang nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

Heute erstellt generative KI Inhalte wie Texte, benötigt aber Benutzereingaben und kann nicht eigenständig handeln. Obwohl rund 80 % der Unternehmen generative KI bereits einsetzen, sind die Auswirkungen oft noch begrenzt - unter anderem weil wir uns in der ersten Implementierungsphase befinden und Schwierigkeiten bei der Erfolgsmessung bestehen.

Wie Agentic AI funktioniert

Agentic AI kann gezielt auf spezifische Herausforderungen angepasst werden, folgt aber meist einem ähnlichen Prozess:

  • Wahrnehmung: Agentic AI sammelt Umgebungsdaten über Sensoren, APIs, Datenbanken oder Benutzereingaben.
  • Argumentation: Die KI analysiert die Daten mittels natürlicher Sprachverarbeitung (NLP), Mustererkennung und Kontextverständnis.
  • Zielsetzung: Das System definiert Ziele auf der Grundlage voreingestellter Ziele oder Benutzeranweisungen und erstellt einen Plan zu deren Erreichung.
  • Entscheidungsfindung: Agentic AI wählt anhand definierter Kriterien wie Effizienz und Genauigkeit die besten Massnahmen aus.
  • Ausführung: Die KI führt die gewählte Aktion aus und interagiert dazu mit externen Systemen oder Ressourcen.
  • Lernen & Anpassung: Die KI bewertet die Ergebnisse des Handels und sammelt Feedback, um zukünftige Entscheidungen durch verstärktes oder selbstüberwachtes Lernen kontinuierlich zu verbessern.
  • Orchestrierung: Mehrere Agenten und Systeme werden koordiniert, um komplexe Arbeitsabläufe effizient zu automatisieren.

Erste Versionen von Agentic AI erschienen Ende 2024 in Form intelligenterer Chatbots mit "Deep Search"-Funktionen. Diese konnten Probleme mithilfe mehrstufiger Argumentationsketten lösen und Rechercheprozesse automatisieren. 2025 kamen dann erste Produkte auf den Markt, die Aufgaben noch eigenständiger bewältigen - ein weiterer Schritt von reaktiver zu autonomer KI.

Agentic AI ist da

Diese technologische Zäsur bringt erhebliche Umwälzungen im traditionellen Softwaregeschäft mit sich. Denn Agentic AI kann Aufgaben wie die Programmierung oder den Kundendienst übernehmen - und teilweise klassische Softwarelösungen ersetzen.

Das stellt gängige Geschäfts- und Preismodelle in Frage. Softwareunternehmen reagieren, indem sie KI-basierte Lösungen in ihre Produkte integrieren und zunehmend auf nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle setzen. Sie verfügen zwar über eine etablierte Nutzerbasis und daher wertvolle Datensätze - doch der Wettbewerb mit KI-gestützte Startups und Tech-Giganten nimmt spürbar zu.

Agentic AI ist handlungsbereit - aber Menschen müssen weiterhin entscheiden, wo die Grenzen zu ziehen sind.

Es wird erwartet, dass Agentic AI sich von der Bearbeitung fokussierter Aufgaben hin zur Abwicklung komplexer, vielschichtiger Arbeitsabläufe entwickeln wird - mit potenziell transformativem Einfluss auf unternehmerische Prozesse. Coresight Research, ein globales, auf Technologie spezialisiertes Forschungsunternehmen, schätzt, dass bis 2029 rund 51 % der Unternehmenssoftware KI-Agenten nutzen wird. Das ebenfalls auf Technologie spezialisierte US-amerikanische Forschungsunternehmen Grandview Research erwartet, dass der globale Markt für KI-Agenten von 5,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 auf über 50 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 wächst - das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 45 %.

Einige Herausforderungen bleiben

So vielversprechend Agentic AI ist - der technologische Fortschritt bringt auch Herausforderungen mit sich, die umsichtig angegangen werden müssen. Besonders sensibel ist das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Kontrolle. Wenn KI-Systeme eigenständig Entscheidungen treffen, bedarf es gleichzeitig einer menschlichen Aufsicht, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden und die Einhaltung ethischer sowie rechtlicher Standards zu gewährleisten.

Hinzu kommt, dass viele Entscheidungsprozesse innerhalb von Agentic AI-Systemen schwer nachvollziehbar sind. Das erschwert es, die Resultate kritisch zu prüfen - ein Grund, weshalb viele Menschen bei sensiblen Themen wie Gesundheit oder Bildung weiterhin den menschlichen Austausch bevorzugen.

Oberflächlich betrachtet autonom - aber unter der Haube erfordern agentenbasierte Systeme erhebliche Leistung, Integration und Überwachung. © Waymo

Auch beim Datenschutz besteht Handlungsbedarf, insbesondere angesichts der zunehmenden Systemvernetzung und Cyberrisiken. Die Entwicklung und der Betrieb von Agentic AI-Systemen sind zudem mit hohen Kosten verbunden - etwa durch den Aufwand für komplexe Argumentationsmodelle, Systemintegration und die laufende Überwachung.

Und nicht zuletzt: Der zunehmende Einsatz von Agentic AI könnte zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten führen - eine soziale Herausforderung, die aktiv adressiert werden muss.

Um diesen Bedenken und Risiken Rechnung zu tragen, müssen Transparenzrichtlinien, ethische Leitplanken, robuste Governance-Strukturen und gezielte Einsatzstrategien entwickelt werden - damit Agentic AI sicher und verantwortungsvoll genutzt werden kann.

Vielfältige Anwendungsfälle

Trotz aller offener Fragen: Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Bereits heute zeigt sich die Vielseitigkeit von Agentic AI - und das aktuelle Anwendungsspektrum ist nur der Anfang.

Chris Burger, Senior Equity Analyst, LGT Private Banking
Chris Burger, Senior Equity Specialist, LGT Private Banking

Im Gesundheitswesen kommt Agentic AI etwa zur Unterstützung chirurgischer Eingriffe, bei der Diagnose von Krankheiten und der Interpretation medizinischer Bilder zum Einsatz. KI-Agenten werten grosse Patientendatensätze aus, schlagen personalisierte Behandlungen vor und helfen in Notaufnahmen bei der Triage. Auch administrative Prozesse wie Terminplanung, Erinnerungen oder Rezeptbestellungen können automatisiert werden.

In der Finanzwelt handeln Agentic AI-Systeme eigenständig mit Aktien, Rohstoffen oder Kryptowährungen - und analysieren dabei riesige Datenmengen in Echtzeit. Sie verbessern die Betrugserkennung und optimieren Backend-Prozesse wie Compliance-Checks oder Kreditanträge.

Selbstfahrende Fahrzeuge nutzen Multi-Agenten-Systeme zur Navigation, um die Umgebung wahrzunehmen und sicher mit anderen Verkehrsteilnehmern zu interagieren. Lieferdrohnen und Lkw profitieren von Echtzeit-Routenplanung - selbst in dynamischen Umgebungen.

In der Logistik steuern KI-Agenten Lagerbestände, prognostizieren Nachfrage, koordinieren Bestellungen und sorgen für fristgerechte Auslieferung. Roboter übernehmen das Sortieren, Verpacken und Versenden - ohne menschliches Eingreifen - und steigern so Geschwindigkeit und Genauigkeit.

Und obwohl Cybersicherheit ein zentrales Thema bei Agentic AI ist, kann die Technologie auch helfen, Angriffe frühzeitig zu erkennen - etwa durch die Überwachung von Netzwerkverkehr oder verdächtigem Nutzerverhalten.

Grosse Chancen

Agentic AI ist keine Zukunftsmusik - sie ist bereits Realität. Und ihre Verbreitung nimmt rasant zu. Für Unternehmen und Investoren eröffnet das grosse Chancen.

Oder wie es Amazon-CEO Andy Jassy formulierte: "Viele dieser Agenten müssen erst noch gebaut werden - aber machen Sie keinen Fehler: Sie kommen. Und sie kommen schnell."

Marktinformationen unserer Expertinnen und Experten

So sehen wir die Märkte

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