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Market View & Insights
Climate Tech und Dekarbonisierung werden wieder interessant für Investoren. Droht eine Blase wie in den 2000ern?
Mitte der 2000er Jahre stiegen Investments in Climate-Tech-Unternehmen, die Technologien für alle Bereiche von Wind- und Solarenergie bis hin zu Elektroautos und Brennstoffzellen entwickelten, rapide an. Für weitsichtige Start-ups, die versuchten, Lösungen für ökologische Herausforderungen zu finden, war das eine wahre Goldgrube. Kluge Investoren sahen ihre Chance gekommen.
Was folgte, war die inzwischen berüchtigte "Clean-Tech-Bubble": Ein Zusammenspiel verschiedener unglücklicher Faktoren resultierte in atemberaubenden Verlusten. Von den 25 Milliarden US-Dollar, die zwischen 2006 und 2011 in saubere Technologien flossen, verloren Risikokapitalgeber laut dem Beratungsunternehmen PwC mehr als die Hälfte. Ereignisse wie der Finanzcrash 2008, die Konkurrenz aus China - insbesondere im Solarbereich - und billiges Erdgas liessen die Bewertungen plötzlich ins Bodenlose fallen. Das Geld versickerte.
Wie steht es heute um Clean Tech? 2021 strömt das Kapital wieder in Klimatechnik-Unternehmen. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben Firmen aus dem Klimabereich 16 Milliarden US-Dollar an Investments erhalten, so Climate Tech VC. In der Vergangenheit lag die grösste jährliche Summe laut Bloomberg bei rund 18 Milliarden USD. Angesichts des sich abzeichnenden zweiten Booms in der Klimatechnologie sind einige besorgt: Steuert der Sektor auf einen weiteren spektakulären Absturz zu?
Die Indizien sprechen dagegen. Viele der Faktoren, die zum Platzen der Blase vor zehn Jahren beigetragen haben, haben sich inzwischen verändert, da andere Generationen, Technologien und Marktbedingungen vorherrschen.
So hat sich beispielsweise das Narrativ rund um den Klimawandel in den letzten Jahren geändert, da immer mehr Menschen unmittelbar darunter leiden. Die Einstellung hat sich von Apathie und Leugnung hin zu Angst und Aktivität gewandelt. Eine Anfang September von der Universität Bath veröffentlichte, globale Studie ergab, dass 60% der jungen Menschen aus 10 Ländern "sehr besorgt" oder "äusserst besorgt" über die bevorstehenden Klimakrisen sind. Über die Hälfte gab an, dass sie derzeit glauben, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist.
Sophie Purdom ist Investorin in junge Climate-Tech-Unternehmen und Mitbegründerin von Climate Tech VC, einem Substack-Newsletter mit 15 000 Abonnenten. Sie beobachtet zwei neue Gruppen von engagierten Menschen, die die Entwicklung in diesem Bereich vorantreiben. Silicon-Valley-Persönlichkeiten, die den grossen Tech-Jobs den Rücken gekehrt haben, um mit ihrem Scharfsinn den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. "Die meisten Menschen, die sich in diesem Bereich zu engagieren, haben eine Klimakatastrophe erlebt und wollen jetzt handeln", so Purdom, "Oder sie haben vor kurzem ein Kind bekommen und denken plötzlich anders über die Zukunft nach." Die zweite Gruppe, die sie identifiziert, ist eine jüngere Kohorte von Fachleuten der Generation Z, die mit der Angst vor dem Klimawandel aufgewachsen ist. "Ich habe das Gefühl, dass in den nächsten sechs Monaten eine neue Reihe von Investmentfirmen entstehen wird, die sich ganz dem Klimaschutz widmen", fügt sie hinzu.
Doch selbst die Nachwuchstalente, die in den Climate-Tech-Bereich strömen - von nachhaltigen Vermögensverwaltern bis hin zu Datenwissenschaftlern - können die Menschheit nicht vom Abgrund wegführen, wenn politische Anreize und Unterstützung fehlen. Die Pläne des Übereinkommens von Paris von 2015, die CO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts zu senken, sind nur der Anfang: Regierungen bieten mehr denn je Subventionen für nachhaltige Unternehmen an und fördern die Dekarbonisierung. In den USA will die Regierung Biden rund eine Billion US-Dollar für Klimaprojekte bereitstellen - darunter 174 Milliarden US-Dollar für Elektrofahrzeuge, 165 Milliarden US-Dollar für die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und der Schienennetze sowie 180 Milliarden US-Dollar für die wissenschaftliche Forschung, wie The Economist berichtet.
"Der Klimawandel steht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Konsumentennachfrage. Aber gleichzeitig gibt es auch Regierungen, die handeln wie nie zuvor", sagt Iskander Erzini Vernoit, politischer Berater bei E3G, einem europäischen Think Tank für Klimafragen. "Das verschafft der Investorengemeinschaft ausserordentlich viel Klarheit."
Diese Klarheit wird durch die sprunghaften Fortschritte im Technikbereich, die seit der Clean-Tech-Blase von 2006-2011 erzielt wurden, noch verstärkt. In der Zwischenzeit haben sich Randtechnologien wie künstliche Intelligenz, Big Data und das Internet der Dinge weiterentwickelt. Sie geben den Innovatoren im Bereich Klimatechnologie neue Werkzeuge im Kampf um die Rettung des Planeten an die Hand. Am nützlichsten sind dabei Smartphones.
Denken Sie an Erfindungen wie die mobile Spiele-App MyTrees, eine App, die in Zusammenarbeit mit Conservation International Naturschutzprojekte spielerisch gestaltet. Die Spieler zahlen eine Abonnementgebühr, mit der sie an einer wöchentlichen Verlosung teilnehmen. Je mehr Geld eingezahlt wird, desto mehr Bäume werden gerettet und desto grösser sind die Gewinnchancen.
"In den 2000ern lautete die Frage 'Was kann ich tun?'", sagt Cody Hoffman, Gründer von MyTrees. "Der Wille, Unternehmen zu gründen, um dem Planeten zu helfen, war vielleicht da, aber die technologische Bandbreite nicht."
Hoffman sagt voraus, dass in den nächsten Jahren die Lektionen, die die Gewinner des Web 2.0 gelernt haben, auf den Klimawandel übertragen werden: "In den letzten zwanzig Jahren hat jeder herausgefunden, wie man Geld verdienen kann. Jetzt geht es darum, diese Techniken für das Klima einzusetzen."
Wenn mehr Unternehmen wie MyTrees die digitale Technik nutzen, um den Klimawandel auf neue Weise anzugehen, könnte die Branche vermeiden, dass sich zu viele Investoren auf einige wenige Erfindungen stürzen. Lightrock ist eine Private-Equity-Firma, die Geld in höchst unterschiedliche Unternehmen investiert, die von Energiegewinn bis zu vertikaler Landwirtschaft reichen. Ihr CEO Pal Erik Sjatil ist der Meinung, dass eine Wiederholung der Ereignisse von 2007 bis 2011 verhindert werden kann, wenn man den Hype ignoriert und in unterschiedliche Bereiche investiert.
"Wir versuchen bewusst, uns nicht auf eine einzige Technologie zu konzentrieren", sagt er. "In einem sich schnell entwickelnden Bereich kann zunehmende Aufmerksamkeit die Preise in die Höhe treiben. Es ist jedoch unerlässlich, an den Fundamenten eines Unternehmens festzuhalten."
Es sieht so aus, als würde die Climate-Tech-Branche ihren ungebremsten Wachstumskurs fortsetzen. Ein Grund dafür ist die Häufigkeit von Klimakatastrophen. Jedes Mal, wenn ein Ereignis in den Nachrichten oder im öffentlichen Bewusstsein auftaucht, finden mehr Investments und Ausgaben ihren Weg in diesen Bereich.
Diejenigen, die ihren Reichtum während des ersten Klima-Tech-Booms versickern sahen, mögen bei der Erinnerung daran zusammenzucken, aber ihr Beitrag war nicht umsonst. "Die Arbeit, die in dieser Zeit geleistet wurde, hat den aktuellen Boom erst ermöglicht", sagt Purdom. "Sie hat die Kosten für Dinge wie Solar- und Windenergie gesenkt, was es der Klimatechnik ermöglichte, sich zum Beispiel in der Landwirtschaft zu etablieren. Einige Leute haben sich verbrannt und es hat einige schreckliche Narben hinterlassen. Aber wenn man zurückblickt, war die Arbeit, die in dieser Zeit geleistet wurde, durchschlagend positiv."
Titelbild: © KEYSTONE/Olivier Maire
Im Oktober 2021 hat die globale Impact-Investment-Plattform Lightrock ihre Finanzierung von Sunfire bekannt gegeben, einem weltweit führenden Unternehmen in der Entwicklung und Produktion von industriellen Elektrolyseuren. Lightrock investiert damit in den schnell wachsenden Markt für nachhaltige Wasserstofftechnologien.
Kevin Bone, Partner bei Lightrock: "Die einzigartigen Technologien von Sunfire werden die Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff senken und dazu beitragen, eine wettbewerbsfähige Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu etablieren und die Zahl der Branchen, die sich wirtschaftlich dekarbonisieren können, weiter zu erhöhen. Die vielen Netto-Null-Ziele, die sich Unternehmen und Regierungen gesetzt haben, können ohne eine drastische Steigerung der Produktion und der Einführung von grünem Wasserstoff nicht erreicht werden, und Sunfire wird eine wesentliche Rolle dabei spielen, dies zu ermöglichen."