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Finanzwissen

Klug und clever - Warren Buffett und Charlie Munger

Sie gründeten das, was viele für die erfolgreichste Investmentpartnerschaft aller Zeiten halten: Berkshire Hathaway Inc. Was können Anlegerinnen und Anleger heute von ihnen lernen?

Datum
Autor
Wendy Cooper, Gastautorin
Lesezeit
6 Minuten
Zwei ältere Herren in Anzug und Krawatte bei einem Fototermin
Beim Investieren geht es um den langfristigen Erfolg: Dieser Grundsatz hat die 45-jährige Partnerschaft von Charlie Munger (rechts) und Warren Buffett geprägt. © Robyn Twomey/Redux/laif

"Ignore the pundits. Buy businesses, not stocks. Believe in America."

Nicht an Gurus glauben, auf Unternehmen statt auf Aktien setzen, an Amerika glauben - Warren Buffetts Anlagetipps sind überraschend einfach. Seine legendären Berkshire-Hathaway-Aktionärsbriefe sind Lobgesänge auf die Gewitztheit und die "Weisheiten" seiner Heimat Omaha, Nebraska. Seit 1964, als er Berkshire kaufte - damals ein am Rande des Konkurses stehendes Textilunternehmen aus dem amerikanischen Westen -, hat Warren Buffett über 50 solche Briefe verfasst.

Die Briefe appellieren an den gesunden Menschenverstand von "Anlegerinnen und Anlegern, die Berkshire ihre Ersparnisse anvertrauen, ohne auf Kursgewinne zu setzen". So formulierte es Buffett 2023 in seinem Newsletter. Er bezog sich auf "Menschen, die sparen, um eine Farm oder ein Mietshaus zu kaufen, und nicht Leute, die ihre überschüssigen Mittel in Lottoscheinen oder hochgehandelten Titeln platzieren wollen."

Doch mit gesundem Menschenverstand allein kann man die aussergewöhnliche Performance von Berkshire nicht erklären. In den fast sechs Jahrzehnten zwischen 1965 und 2023 erzielte das Portfolio einen durchschnittlichen jährlichen Gewinn von 19.8 Prozent - und war damit fast doppelt so erfolgreich wie der S&P500 mit einer Rendite von 10.2 Prozent einschliesslich Dividenden. Tatsächlich sind die Berkshire-Aktien nach wie vor einer der begehrtesten Titel der Welt.

Der "Architekt" und der "Generalunternehmer"

Ein älterer Herr mit dicker Brille, Anzug und Krawatte, daneben eine Diätcola, spricht in ein Mikrofon
Wie Buffett pflegt auch Munger den Stil des lockeren Kamingesprächs. © Keystone/AP Photo/Nati Harnik

Alle diese Erfolge wären ohne das Anlagegeschick seines alten Freundes, Landsmanns und Geschäftspartners Charlie Munger nicht möglich gewesen, wie Buffett - das "Orakel von Omaha" - betont. Charlie Munger starb am 28. November 2023 kurz vor seinem 100. Geburtstag. "Charlie war der 'Architekt' des Erfolgs von Berkshire", wie Buffett ausführt, "und ich übernahm die Aufgaben des 'Generalunternehmers', um seine Vision Tag für Tag konkret umzusetzen".

Mungers Vision war eine Kombination aus dem, was er "Weltweisheit" nannte, und einem systematisch logischen Ansatz bei der Aktienauswahl, der sich vor allem durch die Fähigkeit auszeichnet, Ideen zu verwerfen, deren Zeit abgelaufen ist. 

Munger selbst führte dieses Geschick auf die sorgfältige Berücksichtigung dessen zurück, was er den "Lollapalooza-Effekt" nannte, womit er das Zusammentreffen von Vorurteilen, Wünschen und Effekten (oder Modellen) bezeichnete, die Menschen (in diesem Fall Anlegerinnen und Anleger) alle in die gleiche Richtung streben lassen, was unverhältnismässig heftige und irrationale Konsequenzen hat.

Um die Interaktion von Modellen und ihre Wirkung zu beschreiben, nutzte er häufig den Vergleich mit dem Kartenspiel Bridge - genau wie Buffett war auch Munger ein ausgezeichneter Spieler. Wer je an der Generalversammlung und am Jahrestreffen von Berkshire teilgenommen hat, erinnert sich wahrscheinlich an die lebhaften Fragerunden, nach deren Ende Munger und Buffett oft eine Runde Bridge spielten.

Vier Personen spielen Karten an einem Tisch und lachen.
Das Kartenspiel Bridge als Metapher für Investitionsmodelle: Sowohl Munger als auch Buffett, hier mit Bill Gates und Freunden, waren ausgezeichnete Spieler. © Keystone/AP Photo/Nati Harnik

Die von Munger in seinem "Poor Charlie's Almanack" - einer Reverenz an den von ihm bewunderten Benjamin Franklin und seinen "Poor Richard's Almanack" aus dem Jahr 1732 - festgehaltenen Erkenntnisse zur Finanzwelt dürften ebenfalls vielen bekannt sein. Mungers Buch gleicht in seinem Stil den Aktionärsbriefen von Buffett; beide sind als zwanglose Kamingespräche geschrieben.

"Wunderbare Unternehmen zu fairen Preisen erwerben"

Nachdem Munger 1978 als Vizepräsident bei Berkshire eingetreten war, übernahm das Unternehmen seine Vision als Anlagegrundsatz. Buffett wandte sich damit von seinen Value-Investing-Überzeugungen und von seinem früheren Vorbild und Professor an der Columbia Business School Benjamin Graham ab. Er vermied von nun an Anlagen in günstige Titel von Unternehmen, die kurz vor dem Konkurs stehen - wie von Berkshire bis dahin getätigt - und suchte nur noch nach "wunderbaren Unternehmen und Beteiligungen zu fairen Preisen". Damit nicht genug: Buffett hat mehr als einmal unterstrichen, dass "[Charlie] mich abrupt zur Vernunft brachte, sobald meine alten Gewohnheiten wieder durchbrachen".

Buffett bezeichnet die äusserst billigen Titel, auf die er früher spezialisiert war, als "Zigarrenstummel" - eine Anspielung auf das flüchtige Vergnügen, das ein letzter, kostenloser Zug an einer Zigarre beschert. "Bis Charlie Munger kam, konnte mich niemand von meiner Zigarrenstummelsucht kurieren. Er gab schliesslich die neue Richtung vor, um ein Unternehmen aufzubauen, das sowohl eine respektable Grösse als auch attraktive Gewinne erzielen konnte", wie Buffett 2014 in seinem Aktionärsbrief zum 50. Jahrestag der Gründung von Berkshire schrieb. Diese Richtung erwies sich als goldrichtig.

Ein Mann hebt etwas aus einem Lieferwagen mit dem Logo von Coca-Cola
Amerikanische Unternehmen mit Vorzeigecharakter: Bank of America, Apple und Chevron, darunter langfristige Beteiligungen wie Coca-Cola, das seit 1988 im Besitz von Berkshire Hathaway ist. © Keystone/AP Photo/Elise Amendola

Buffetts Nachfolger werden mit Berkshire ein riesiges Vehikel erben, das in erstklassige Unternehmen aus den Bereichen Versicherung, Eisenbahn, Detailhandel, Energie und Produktion investiert ist. Berkshire ist über USD 900 Milliarden wert, in seinem Portfolio befinden sich über 50 Unternehmen. Die Top Ten sind US-amerikanische Firmen, meist mit ikonischem Status: Bank of America, Apple, Kraft Heinz, Occidental Petroleum, American Express, Chevron und Citigroup. 

Zudem ist Berkshire an den meisten von ihnen schon sehr lange beteiligt. Buffetts und Mungers Unternehmen hält seit 2001 Aktien von American Express, der Einstieg in Coca-Cola erfolgte 1988. Solche Topaktien zeichnen sich meist auch durch Dividendenwachstum aus, wie das Beispiel Coca-Cola zeigt: Das Unternehmen hat seit mehr als 50 Jahren jedes Jahr seine Dividenden erhöht.

Neue Anlagemöglichkeiten? Leichter gesagt als gefunden.

Trotz der grossen Erfolge hat sich Berkshire in den letzten Jahren bei der Suche nach neuen und attraktiven Anlagemöglichkeiten schwergetan.

Eine Grossveranstaltung mit zwei älteren Herren auf einem Podium, die über eine Grossbildleinwand in einen Saal projiziert wird
Grösse als Bürde: Rekordhohe Bargeldreserven und mangelnde Anlagemöglichkeiten zwingen Berkshire zu Aktienrückkäufen im grossen Stil. © Keystone/AP Photo/Nati Harnik

"Es gibt nur noch eine Handvoll Unternehmen in diesem Land, die wirklich etwas bewegen können...und sie wurden von uns und anderen schon unendlich oft unter die Lupe genommen", schrieb Buffett 2024 in seinem Aktionärsbrief. "Ausserhalb der USA gibt es kaum Kandidaten, die für Berkshire sinnvolle Anlageoptionen darstellen."

Im Jahr 2022 wendete Buffetts Unternehmen Milliarden für die Übernahme des Versicherungskonglomerats Alleghany auf, ebenso Anfang 2024 für die Übernahme von Pilot Flying J, einem Raststättenbetreiber für Fernfahrer. Diese Aufwendungen hatten aber kaum Auswirkungen auf die Bargeldreserven von Berkshire: Ende 2023 beliefen sie sich auf rekordhohe USD 167.6 Milliarden - mit einem im Jahresverlauf erzielten Zuwachs von USD 39 Milliarden.

Aufgrund der deutlich grösseren Konkurrenz (vor allem seitens der Private-Equity-Anleger) investiert Berkshire heute in grossem Stil in eigene Aktien und nimmt routinemässig Rückkäufe vor, wenn an den öffentlichen Märkten keine attraktiven Anlagemöglichkeiten zu finden sind. "Unsere Grösse ist inzwischen auch eine Bürde", merkt Buffett reumütig an.

Permanente Kapitalverluste kommen nicht in Frage

Selbst unter diesen Umständen ist Berkshire wesentlich erfolgreicher als ein durchschnittliches US-Unternehmen. Buffett weiss, was der Grund dafür ist: extremer Konservatismus in Budgetfragen. "Von Anfang an hatten wir einen Anlagegrundsatz, der sich nie ändern wird", erklärte er im Jahr 2024 voller Stolz: "Permanente Kapitalverluste kommen nicht in Frage. Dieses Risiko gehen wir nicht ein."

Eine Frau lächelt, als sie einem älteren Mann vor Publikum die Hand schüttelt.
Eine Frage der Geduld: Buffett, der siebtreichste Mensch der Welt, riet den Aktionärinnen und Aktionären, die richtigen Aktien zu besitzen und abzuwarten, könne "fast unermesslichen Reichtum bringen". © Keystone/AP Photo/Nati Harnik

Zweifelsohne spielte Buffett damit auch auf seine eigene Vermögenslage an (2024 galt er als siebtreichster Mensch der Welt, sein Vermögen wird auf rund USD 135 Milliarden geschätzt), als er den Aktionärinnen und Aktionären erklärte, "dass eine Beteiligung an einem der 'wenigen Unternehmen', das zusätzliches Kapital für hohen zukünftigen Renditen einsetzen kann, und im Zweifel abwarten kann…nahezu unermesslichen Reichtum einbringen kann".

Dies deckt sich selbstverständlich genau mit der Devise von Charlie Munger. Beide wurden von Aktivistinnen und Aktivisten häufig unter Beschuss genommen, da sie Probleme wie den Klimawandel oder die Diversität auf Führungsebene ausser Acht liessen. Dennoch hat sich ihr grundsolider Einsatz im Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre eindeutig für alle ausgezahlt, die Buffett und Munger ihre Ersparnisse anvertraut haben.

Schliesslich geht es bei Anlagen eben nicht um die sofortige Befriedigung. Es geht um den langfristigen Erfolg. Daher ist es kein Wunder, dass Munger und Buffett zu den renommiertesten Anlegern aller Zeiten gehören.

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