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Finanzwissen

Was Anleger lesen sollten: The Economist

In Zeiten von Fakenews, Clickbaits und seichtem Social-Media-Content bleibt diese britische Wochenzeitschrift eine Bastion journalistischer Exzellenz.

Datum
Autor
Tim Cooper, Gastautor
Lesezeit
5 Minuten

The economist

Manchmal scheinen selbst hochwertige Zeitungen ihren Wirtschaftsteil nach ein paar Bierchen am Freitagnachmittag zusammengeschustert zu haben. Der seriöse und manchmal etwas nüchterne Economist bildet hierzu einen wohltuenden Gegensatz. Die angesehene Wochenzeitschrift aus London ist stolz auf ihre elegante Schreibe, die gründlichen Recherchen, das rigorose Prüfen von Fakten und vor allem auf ihre frischen und unabhängigen Gedanken und Ideen.

Zusätzlich zum starken Fokus auf gesamtwirtschaftliche Fragen behandelt der Economist auch Finanzthemen und verfügt über einen ausgezeichneten Wirtschaftsteil, der sich eingehend mit der Unternehmenswelt befasst. Kürzliche Beispiele hierfür sind umfassende Analysen des Rekord-Börsengangs der chinesischen Ant Group oder des endlosen Rechtsstreits um TikTok. Berichtet wird aber ebenso über weniger bekannte, aber interessante Unternehmen, wie z.B. die kürzlich an der Börse notierte Palantir Technologies.

Tabulose Berichterstattung

Der Economist erschien erstmals vor über 170 Jahren. Er steht für freie Marktwirtschaft und eine Politik der Mitte. Politische Themen werden fair und ohne Tabus behandelt – von der Korruption in Amerika über die gewaltsame Unterdrückung in Russland bis hin zur staatlichen Manipulation in China.

The Economist
Ein wohliges Gefühl von Exklusivität

Um eine einheitliche redaktionelle Linie zu gewährleisten, werden die Artikel im Economist anonym veröffentlicht. Ich finde das etwas befremdlich. Warum soll man einem Journalisten seine Autorschaft vorenthalten – insbesondere angesichts der zunehmenden Bedeutung von Transparenz und der Wichtigkeit unterschiedlicher Stimmen im öffentlichen Diskurs? Immerhin scheint dies zur Ausgewogenheit der Artikel beizutragen.

Die Zeitschrift scheut Boulevardisierung. Lieber greift sie drängende globale Probleme auf, auch wenn diese sperrig sind. In einer kürzlichen Ausgabe erschien beispielsweise ein zehnseitiger Bericht über die Gefahren von Demenz für die Weltbevölkerung und die Gesundheitsdienste. Das ist wichtig – aber definitiv keine leichte Lektüre. Wie zum Ausgleich glänzt der Economist mit interessanten und prägnanten Grafiken, Statistiken und anderen visuellen Darstellungen. Es geht auch nicht nur um tiefschürfende Features: Die wöchentliche Printausgabe bietet eine saubere Zusammenfassung globaler Nachrichten.

Pflicht- und Lustlektüre

Auch online ist der Economist am Puls der Zeit. Abonnements sind für Print und digital oder nur digital erhältlich. Dazu gehört auch eine App mit dem Titel Espresso. Diese bietet einen "konzentrierten Schuss globaler Analysen", den man morgens auf die Schnelle konsumieren kann. Die digitale Ausgabe gibt es übrigens auch als Audiofile, gelesen von professionellen Rundfunksprechern. Der Economist-Podcast bietet Hintergrundgespräche mit hauseigenen Journalisten und Experten. Hinzu kommen ausgezeichnete Videos. Kürzlich erschien beispielsweise ein Interview mit Bill Gates über die Covid-19 Pandemie, geführt vom Chefredakteur Zanny Minton Beddoes. Die Podcasts und teilweise auch die Videos sind ohne Abonnement zugänglich.

The Economist wendet sich an eine anspruchsvolle, kosmopolitische Leserschaft – es gibt keine geographischen Schwerpunkte und die umfassende weltweite Berichterstattung ist vorbildlich.

Ein Abonnement der Printausgabe gibt einem das Gefühl von Exklusivität, ein bisschen wie die Mitgliedschaft in einem privaten Club oder der Kauf einer teuren Designeruhr. Der Verlag nennt dies "the Economist experience". Für mich – und ich bin sicher auch für die meisten der Millionen anderen Leser – ist diese Erfahrung mit einem wohligen Gefühl der Zufriedenheit verbunden.

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