The Strategist

Ein Jahr danach

Im Kampf gegen die hohe Inflation startete die US-Notenbank vor einem Jahr einen aggressiven Zinserhöhungszyklus. Seither hat sich das Preiswachstum verlangsamt, die Teuerung verharrt aber deutlich über dem Notenbankziel.

Datum
Autor
Thomas Wille
Lesezeit
10 Minuten
Surreales Bild Mann mit Treppen.
© shutterstock

Im Mai 2022 musste die US-Notenbank (Fed) zum ersten Mal seit über 22 Jahren einen Zinsschritt von mehr als 25 Basispunkten vornehmen, da die US-Inflationsrate rasant gestiegen war. Es war der erste von vier Zinsschritten von jeweils 75 Basispunkten - ein Zinserhöhungstempo, das für die meisten Marktteilnehmer noch vor wenigen Jahren unvorstellbar war. Der Rest ist Geschichte. Die US-Notenbank musste den schnellsten und steilsten Zinserhöhungszyklus einleiten, um die Inflationsrate von fast 10% in den Griff zu bekommen. Ein Wert, den wir sofort mit der Volcker-Ära in Verbindung bringen. Wo stehen wir ein Jahr später?

Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken

Vor einem Jahr standen die beiden grossen Notenbanken - das Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) - erst am Anfang ihres Zinserhöhungszyklus. Die Unsicherheit über die Steilheit des Zinspfads und die Anzahl der Zinsschritte war gross. Ein Jahr später stellt sich die Situation ganz anders dar, denn die US-Notenbank dürfte sich dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus genähert haben. Bei der EZB sind noch zwei bis drei Schritte zu erwarten, die aber von den Marktteilnehmern bereits antizipiert und eingepreist werden. Der Gegenwind dürfte damit der Vergangenheit angehören.

Inflationsdynamik

Vor einem Jahr brach die Inflation aus dem disinflationären Wohlfühlband steil nach oben aus und stieg auf beiden Seiten des Atlantiks auf über 8%. Ein Jahr später haben wir die Höchststände hinter uns gelassen (USA 9.1%, Eurozone 10.6%), sind aber noch weit von der Zielmarke der US-Notenbank und der EZB von 2% entfernt. Die grosse Unbekannte bleibt, wie schnell die Kernrate zu sinken beginnt und wie «sticky» sie ist. Im Moment ist für Investoren die Richtung (tiefer) wichtiger als das Niveau (die Höhe).

Wirtschaftswachstum

Vor einem Jahr waren die Konjunkturaussichten bereits auf Abschwung eingestellt, aber das Hauptszenario war eine sanfte Landung oder geringes Wachstum. Heute erwartet der Markt ein Nullwachstum oder sogar eine leichte Rezession in den USA. Sollte die US-Notenbank die Zinsen länger auf dem aktuellen Niveau belassen müssen, wäre das Enttäuschungspotenzial geringer.

Was ist KI?

Das Thema "Künstliche Intelligenz" (KI) gibt es zwar schon seit einigen Jahren, aber bis vor einem Jahr war es für Anleger noch kaum von Interesse. Niemand wusste wirklich, wer die grossen Player sind und welche Branchen davon tangiert sein werden. Heute weiss man, dass jeder davon betroffen sein kann und dass US-Big-Tech wieder einmal im Mittelpunkt steht. Nach dem Start von ChatGPT der Firma OpenAI in Kollaboration mit Microsoft wurde eine wahre Lawine losgetreten. Heute ist es ein starker Treiber für verschiedene Indizes.

Rest der Welt und KI

Die Unsicherheiten haben in den letzten Monaten kontinuierlich abgenommen. Aus fundamentaler Sicht bevorzugen wir bei Aktien aufgrund der attraktiven Bewertung weiterhin den Rest der Welt gegenüber den USA. Mittel- bis langfristig bleiben wir bei unserer positiven Einschätzung für den KI-Bereich, kurzfristig sollte das Risikomanagement in diesem volatilen Bereich jedoch nicht vernachlässigt werden. 

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