The Strategist

Erkenntnisse aus der Q3-Berichtssaison

Die Unternehmensberichtssaison für das dritte Quartal kann insgesamt als enttäuschend beurteilt werden. In den USA ist aber zumindest die Hoffnung gestiegen, dass das Schlimmste der Gewinnrezession vorüber sein könnte. Europa hinkt diesem Trend jedoch hinterher. 

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Autor
Georg Ruzicka, Head Equity Research LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Earnings season
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In den Vereinigten Staaten haben zwischenzeitlich über 92% der S&P 500 Unternehmen ihre Ergebnisse für das dritte Quartal offengelegt. Nachdem das Gewinnwachstum im S&P 500 drei aufeinanderfolgende Quartale (Q4 2022, Q1 2023 und Q2 2023) rückläufig war, ergibt sich für das dritten Quartal endlich wieder ein positives Wachstum im Gewinn pro Aktie von 4.1% gegenüber dem Vorjahr - immerhin rund 5% über den Erwartungen zu Beginn der Berichtssaison.

Die Anzahl positiver Gewinn- und Umsatzüberraschungen liegt im Rahmen der historischen Durchschnittswerte. Dem entgegen steht ein enttäuschendes Verhältnis zwischen positiven zu negativen Ausblicken der Unternehmen, das sich auf dem tiefsten Wert seit Juni 2019 eingependelt hat. Interessant ist auch die Tatsache, dass die geplanten Unternehmensinvestitionen erstmals in zehn Quartalen insgesamt rückläufig waren, wobei das Gesamtbild durch zwei technologienahe Unternehmen stark verzerrt wird. Diese ausgenommen bleiben die Investitionsvorhaben leicht im positiven Bereich.

Des Weiteren sind die Aktienrückkaufprogramme - primär ein Phänomen der Tiefzinsjahre nach der grossen Finanzkrise - im Vorjahresvergleich um 3% rückläufig gewesen, was allerdings gegenüber dem Vorquartal, wo diese um 26% tiefer als im Vorjahresquartal lagen, eine sequenzielle Verbesserung darstellt. Wir sehen Bremsspuren im «Financial Engineering», sprich der Aufnahme von Schulden, um eigene Aktien zurückzukaufen. Dies hat sich im aktuellen Zinsumfeld deutlich verteuert.

81 Unternehmen im S&P 500 (16% des Index) thematisierten in ihren Telefonkonferenzen zu den Quartalsberichten schwierige Verhandlungen mit Gewerkschaften und Streiks, ein Anstieg um 80% gegenüber Vorjahr und um den Faktor drei gegenüber 2021, sowie ein neues Zwanzigjahreshoch. Dies suggeriert, dass sich die Verhandlungsmacht in einem Umfeld der Vollbeschäftigung von der «Wall Street» zur «Main Street», also den Arbeitnehmenden, verschoben hat, was auf künftig höheren Margendruck seitens Lohnkosten hinweisen könnte.

Zwei Drittel aller Unternehmen, die einen Ausblick veröffentlicht haben, waren negativ, was deutlich über dem Fünfjahres- und knapp über dem Zehnjahresdurchschnitt liegt. Für das vierte Quartal wird nun ein Umsatzwachstum von 3.3% und ein Gewinnwachstum von 3.2% gegenüber Vorjahr erwartet. Sollte dies erreicht werden, würden die Umsätze für das Gesamtjahr 2023 um 2.3% und der Gewinn pro Aktie um knapp 0.6% wachsen. Für das Gesamtjahr 2024 gehen die aktuellen Konsensschätzungen von einem Umsatzwachstum von 5.5% und einem Gewinnwachstum von 11.6% aus.

Ein Blick nach Europa

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die verfügbaren Daten und aufbereiteten Analysen für den europäischen Markt jenem der USA immer noch hinterherhinken. Trotzdem lassen sich bereits jetzt klare Schlüsselerkenntnisse gewinnen, nachdem in Europa über 80% der Unternehmen im Stoxx Europe 600 ihre Quartalsergebnisse rapportiert haben. Im Gegensatz zu den USA rutschte Europa mit einer klaren Zeitverzögerung von rund zwei Quartalen in eine Gewinnrezession. Im dritten Quartal akzentuierte sich diese nochmals. Die Gewinne pro Aktie brachen um schätzungsweise 16% gegenüber dem Vorjahresquartal ein, nachdem zu Beginn der Berichtssaison ein Minus von 7% erwartet worden war. Hierbei sind deutliche Verzerrungen durch die Ergebnisse einzelner Sektoren zu vermerken. Der stärkste Sektor war beispielsweise der Finanzsektor (v.a. Banken), der schwächste Sektor war Energie. Exklusive dem Energiesektor war das Gewinnwachstum im Q3 in Europa knapp positiv. Ohne den Finanzsektor ergibt sich ein Gewinnwachstum von minus 30%.

Relevanter als die Gewinndynamik scheint die enttäuschende Umsatzdynamik zu sein. Klar unter 40% der Unternehmen vermochten beim Umsatz positiv zu überraschen, was sich mit einem historischen Durchschnitt von 52% vergleicht und nahe eines Rekordtiefs liegt. Die Anzahl der Nennungen einer schwächeren Nachfrage in den Telefonkonferenzen stieg deutlich an, das Verhältnis der Nennungen von «stärker» relativ zu «schwächer» fiel gar auf ein 16-Jahrestief. In der Folge dieser Entwicklungen sind die Erwartungen an das vierte Quartal 2023 gesenkt worden, und zwar um 3% betreffend Umsatzwachstum und um 2% hinsichtlich des Gewinnwachstums. Für das Gesamtjahr 2024 geht der Konsens aktuell von einem Gewinnwachstum von schätzungsweise 7% aus.

Ein durchzogenes Fazit

Die Berichtssaison für das dritte Quartal kann insgesamt als enttäuschend beurteilt werden. Sowohl in den USA als auch in Europa war hierfür die schwache Umsatzdynamik einer der Hauptgründe. Zudem zeigt es sich auch in den Verzerrungen, wie Investoren auf positive oder negative Überraschungen reagiert haben. Es gab wenig Toleranz für Verfehlungen, so dass negative Überraschungen deutlich stärkere Kurseinbrüche verzeichneten, als positive mit Kursgewinnen belohnt wurden. In den USA ist nach drei Quartalen mit negativem Gewinnwachstum dank einem positiven Gewinnwachstum im Q3 aber zumindest die Hoffnung gestiegen, dass das Schlimmste der Gewinnrezession vorüber sei. Europa hinkt diesem jedoch Trend hinterher. Angesichts der aktuellen Entwicklungen dürften in beiden Märkten die Erwartungen an das Gesamtjahr 2024 Spielraum für weitere Reduktionen aufweisen. 


 

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