Unternehmertum

Unersättlicher App-etit: Grosses Business mit kleinen Screens

Apps - kleine Programme, die auf mobilen Geräten laufen, haben das digitale Leben geprägt und ihre Erfinder reich gemacht.

Datum
Autor
Steffan Heuer, Gastautor
Lesezeit
4 Minuten
Apps
© Shutterstock / Disobey Art

Ohne sie wären Smartphones nicht wirklich smart: Apps, jene kleinen Programme, die uns eine scheinbar unendliche Auswahl an Spielen, Unterhaltung, Informationen und Produktivitätstools bieten, sind das Herzstück des modernen, vernetzten Lebens. Nachdem wir im ersten Teil die Entstehung von Worm, Shazam und ICQ beleuchtet haben, folgen nun die Geschichten von fünf weiteren legendären Apps, die den Weg zur heutigen digitalen Welt gebahnt haben.

Automatisierte Briefings - Summly (2011)

Nick D’Aloisio
Von Summly zu Twitter: App-Entwickler Nick D’Aloisio. © Rupert Peace / eyevine / laif

Lange vor dem Aufkommen von KI-gesteuerten Chatbots war es schwierig, prägnante Zusammenfassungen von längeren Texten zu erstellen. Nick D'Aloisio, ein in Australien geborener britischer Programmierer, fand eine erfolgreiche Lösung, noch bevor er 18 Jahre alt wurde.

2011 unter dem Namen Trimit auf den Markt gebracht, nutzte seine iPhone-App künstliche Intelligenz, um lange Texte auf ein paar hundert Wörter zu kürzen, damit sie auf einem Smartphone leichter konsumierbar waren. Dazu musste man lediglich sein Telefon schütteln. Investoren, darunter Prominente wie Yoko Ono und der Schauspieler Ashton Kutcher, standen Schlange, um sein Startup zu finanzieren. Der Erfolg der App veranlasste Yahoo, das in Summly umbenannte Unternehmen 2013 für angeblich $30 Millionen zu übernehmen, was seinen Erfinder im zarten Alter von 17 Jahren zum Millionär machte.

Yahoo integrierte die Funktionen von Summly in seine Nachrichtenplattform und D'Aloisio blieb  zwei Jahre lang bei Yahoo, bevor er sein nächstes Unternehmen namens Sphere gründete. Die Gruppenchat-App wurde Ende 2021 von Twitter übernommen, und D'Aloisio, inzwischen Ende 20, arbeitete im Januar 2023 immer noch im Londoner Büro des Kurznachrichtendienstes.

Dating 2.0 - Von Tinder zu Bumble

Whitney Wolfe Herd
Der erste Schritt den Frauen überlassen: Dating-App Pionierin Whitney Wolfe Herd. © Dina Litovsky / Redux / laif

Während sich der Name geändert hat, ist das Logo der kleinen roten Flamme geblieben. Als zwei Programmierer 2012 bei einem Hackathon die mobile Dating-App Tinder ausbrüteten, wollten sie sie erst MatchBox nennen. Doch der Name war dem einer anderen Dating-Website namens match.com zu ähnlich, die dem Technologiekonglomerat IAC gehörte.

Tinder bot eine neue, spielerische Möglichkeit, ein potenzielles Date anhand des aktuellen Standortes und einiger persönlichen Eigenschaften zu finden. Nutzer konnten nach rechts wischen, um mehr Details über jemanden zu erfahren, oder nach links, um ihre Partnersuche fortzusetzen. Tinder wurde zum Renner unter College-Studenten, und 2014 verbrachte der durchschnittliche Abonnent 90 Minuten pro Tag mit der App. Kein Wunder, dass IAC, die Muttergesellschaft von match.com, ihren Konkurrenten als Übernahmekandidat mit einer Bewertung von 3 Milliarden Dollar umgarnte. Die drei ursprünglichen Gründer (allesamt Männer) verdienten an der Fusion rund 1 Milliarde Dollar.

Der Deal stellte sich indes als kompliziertes Date heraus. Das frisch gebackene Paar lieferte sich eine öffentlich ausgetragene Schlammschlacht wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung, nachdem die Tinder-Mitgründerin und ehemalige Marketing-Vizepräsidentin Whitney Wolfe Herd das Unternehmen 2014 verliess und ihre ehemaligen Partner verklagte (der Rechtsstreit wurde schnell beigelegt). Im selben Jahr startete Herd ihre eigene Dating-App namens Bumble, bei der Frauen den ersten Schritt tun müssen. "Ich wollte schon immer ein Szenario haben, bei dem nicht der Mann meine Nummer hat, sondern ich seine", erklärte Herd das Konzept später ihrem Ehemann und Geschäftspartner, der die Dating-App Badoo gegründet hatte. "Was wäre, wenn Frauen den ersten Schritt tun und die erste Nachricht schicken? Und wenn sie das nicht tun, verschwindet das Match nach 24 Stunden."

Herd brachte das Unternehmen Anfang 2021 an die Börse und wurde über Nacht zur seltenen weiblichen Tech-Milliardärin.

Die Neuerung erlaubte es Bumble, seine Nutzerbasis trotz eines gesättigten Marktes für Dating-Apps schnell zu vergrössern. Herd brachte das in Austin ansässige Unternehmen Anfang 2021 an die Börse und wurde so über Nacht zur seltenen weiblichen Tech-Milliardärin, obwohl die Bewertung ihres 20-prozentigen Anteils am Unternehmen seitdem deutlich gesunken ist. Im dritten Quartal 2022 hatte die auf Frauen ausgerichtete App 3,3 Millionen zahlende Abonnentinnen und vermeldete einen Umsatz von 233 Millionen Dollar.

Endloser Stream - last.fm (2002)

Ein erfolgreicher Exit dank einer innovativen App nimmt manchmal verschlungene Wege. Im Jahr 2002 gründeten vier österreichische und deutsche Tüftler last.fm als Internet-Radiosender samt Musik-Community. Der mikronesische Domain-Name “fm” war eine Verbeugung an das UKW-Wellenband, auf dem die meisten Musikradios senden. Last.fm hatte seinen Sitz in London und entwickelte sich gemeinsam mit Audioscrobbler zu einem vollwertigen Dienst, der die Songs im Blick hatte, die seine Nutzer online oder auf ihren tragbaren Geräten hörten. Darauf basierend, spuckte last.fm Empfehlungen für andere Künstler aus.

Entrepreneurs aus Tradition

900 Jahre Fürstenhaus Liechtenstein im Zeitraffer

Das Fürstenhaus Liechtenstein als Eigentümerin der LGT ist seit Jahrhunderten erfolgreich unternehmerisch tätig. Unternehmerisches Denken und Handeln ist fest in der DNA der LGT verankert. 

Der Erfolg erweckte die Aufmerksamkeit der großen Medienunternehmen, so dass der amerikanische Sender CBS (jetzt Paramount Global) last.fm 2007 für 449 Millionen Dollar übernahm. In den darauffolgenden Jahren wurde das Streaming-Geschäftsmodell grundlegend umgebaut, unter anderem eine monatliche Abo-Gebühr in vielen Ländern eingeführt, bis die Streaming-Option schließlich 2014 eingestellt wurde. Stattdessen konzentriert sich last.fm heute auf die Integration mit Musikdiensten wie Spotify und Apple Music sowie der Online-Gamer-Plattform Discord, um datengetriebene Music-Discovery zu ermöglichen.

Die vier Gründer, darunter der österreichische Serienunternehmer Michael Breidenbrücker, haben seitdem verschiedene Tech-Start-ups gegründet oder in sie investiert, von denen ein paar die ursprüngliche Leidenschaft für Musik am Leben erhalten.

Nach Hause telefonieren  - Skype (2003)

Niklas Zennstroem
Von Skype zu Atomico: Entrepreneur und Investor Niklas Zennström. © Jens Gyarmaty / laif

Der schwedische Unternehmer Niklas Zennström und sein dänischer Geschäftspartner Janus Friis hatten sich gerade mit einer Plattform namens Kazaa im boomenden Markt für Peer-to-Peer-Filesharing versucht, als sie bereits die nächste Gelegenheit witterten: P2P Telefonate. Skype, das 2003 auf den Markt kam, machte den Telefongesellschaften das Leben schwer, denn plötzlich konnte jedermann dank Voice over Internet Protocol (VoIP) kostenlos telefonieren und später auch Videoanrufe starten.

Kein Wunder, dass die Nutzerzahlen von Skype in die Höhe schossen und 2005 die 100-Millionen-Marke knackten. Der Produktname wurde sogar zu einem eigenen Verb. Im selben Jahr kaufte der Online-Marktplatz eBay Skype für 2,6 Milliarden Dollar - in der Annahme, seine Plattform werde von einem einfachen Kommunikationskanal zwischen Käufern und Verkäufern profitieren. Die Idee kam bei den Nutzern jedoch nicht gut an, und eBay verkaufte zwei Drittel von Skype schon vier Jahre später an eine private Investorengruppe.

Bis 2011 war die Nutzerbasis von Skype auf 760 Millionen angewachsen. Das rief Microsoft auf den Plan, das Skype für 8,5 Milliarden Dollar schluckte. Heute hat der Dienst fast zwei Milliarden registrierte Nutzer auf der ganzen Welt, sowohl Verbraucher als auch Unternehmen. Doch neuere Tools wie Microsoft Teams und Zoom haben Skype als cooles, unverzichtbares Kommunikationsmittel die Schau gestohlen.

Zennström und Friis, die laut Medienberichten zusammen 1 Milliarde Dollar an dem Deal mit Microsoft verdienten, gründeten nach dem Exit mehrere andere Startups. Starship Technologies, das neueste Unternehmen von Friis, entwickelt städtische Lieferroboter. Zennström betreibt unter anderem eine Investmentfirma namens Atomico und hat mit seiner Frau eine gemeinnützige Stiftung ins Leben gerufen, die sich für Menschenrechte und die Umwelt einsetzt.

Unersättlicher App-etit: Grosse Geschäfte auf kleinen Screens

Bleiben Sie dran bei MAG/NET, um nächste Woche im zweiten Teil der Geschichte “Unersättlicher App-etit” mehr über Skype, Summly, Bumble und Last.fm zu erfahren.

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