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Market View & Insights
Er schrieb Geschichte als erfolgreicher "Stockpicker" und "Contrarian". Aber zugleich war John Templeton tiefgläubiger Christ, und hielt seine philanthropischen Aktivitäten für genauso bedeutend wie seine Börsengeschäfte.
Das Neue Testament lehrt, dass Mammon und Gott - weltlicher Erfolg und spirituelle Hingabe - schwer vereinbar sind. Doch für John Templeton, zeitlebens Presbyterianer, bildeten Glaube und Finanzen eine Einheit. Entsprechend scheffelte er als Pionier global diversifizierter Anlagefonds ein Milliardenvermögen: Sein legendärer Templeton Growth Fund erzielte über fast 40 Jahre hinweg ein durchschnittliches jährliches Wachstum von über 15 %.
Sein Vermögen nutzte Templeton, um eine 3.4 Milliarden USD schwere Stiftung zu gründen, die sich einer speziellen Idee verschrieben hatte: Wissenschaftliche Forschung soll uns Gott näherbringen. Für manche klingt das nach Pseudowissenschaft. Aber für Templeton ergänzten sich Wissenschaft und Religion.
Sein grosses Ziel sei es, die Menschen zu mehr geistiger Offenheit zu ermutigen, sagte er 2005 in einem Interview mit der Business Week: "Was ich finanziere, ist Demut. Ich möchte, dass die Menschen erkennen, dass man nicht glauben sollte, alles zu wissen."
Darüber, welche Rolle die Demut für Templetons finanziellen Erfolg gespielt hat, lässt sich diskutieren. Unbestritten ist aber seine Sparsamkeit. "Er glaubt, dass es in Ordnung ist, Geld zu verdienen - solange man es nicht geniesst", scherzte einer seiner Freunde.
Templeton selbst führte seinen weltlichen Erfolg auf seine Tugenden zurück, einen kühlen Kopf zu bewahren und diszipliniert zu bleiben. Zweifelsohne war aber auch sein brillanter Intellekt von Vorteil.
John Marks Templeton wurde 1912 in Winchester, Tennessee, geboren. 1934 schloss er sein Wirtschaftsstudium an der Yale University als einer der Jahrgangsbesten ab. Als Rhodes-Stipendiat studierte er danach Jura am Balliol College in Oxford, bevor er 1937 als Investor durchstartete.
Er erwischte keinen guten Zeitpunkt, um an der Wallstreet Fuss zu fassen. Die US-Märkte litten unter den Nachwehen der Grossen Depression, der Weltwirtschaftskrise. Doch von Anfang an verfolgte Templeton einen unkonventionellen Ansatz.
1939 lieh er sich Geld, um je 100 Aktien von 104 Unternehmen zu kaufen. Sie notierten alle unter einem Dollar pro Aktie, darunter befanden sich sogar 34 insolvente Firmen. Aber als sich die US-Wirtschaft für den Krieg wappnete, wandte sich das Blatt für viele dieser Unternehmen. Die meisten Titel bescherten Templeton satte Gewinne. Nur vier musste er wertlos abschreiben.
Später bezeichnete ihn das Money Magazine als "wohl grössten globalen Stockpicker des 20. Jahrhunderts". Zwar liessen sich Templetons Strategien zur Aktienauswahl nicht einfach kategorisieren. Aber sein Mantra war klar: günstig kaufen, teuer verkaufen.
Templeton mied Unternehmen, die er als teuer einstufte. Dafür hatte er Kriterien. Ihr geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die nächsten fünf Jahre durfte nicht mehr als 12 bis 14 betragen. Ausserdem kaufte er Aktien niemals nur deshalb, weil sie "unterbewertet" waren. Die Unternehmen mussten gemäss seiner Fundamentalanalyse ein attraktives, langfristiges Potenzial aufweisen. Er hielt sie im Schnitt etwa vier Jahre lang.
In vielerlei Hinsicht war Templeton ein klassischer Value-Investor wie Warren Buffett - und ihr gemeinsamer Mentor Benjamin Graham. So schlug er sich bei Börsencrashs und Bärenmärkten meist besser als der Markt, schnitt hingegen in Boomphasen eher enttäuschend ab.
Besonders erfolgreich war sein Flaggschiff, der Templeton Growth Fund Ltd. Vielleicht auch, weil er zu den ersten US-Anlagefonds gehörte, die eine globale Perspektive verfolgten.
Ursprünglich gründete er den Fonds 1954 in Kanada, wo zu dieser Zeit keine Kapitalgewinnsteuern anfielen. Früh suchte Templeton nach Anlagemöglichkeiten in damals noch wenig beachteten ausländischen Märkten, insbesondere in Japan.
Er war seiner Zeit so voraus, dass er kaum zweisprachige Börsenmakler fand, die seine Aufträge abwickeln konnten. Doch auch hier blieb er seinen Kernprinzipien treu: Als japanische Aktien in den 1970ern immer beliebter - und teurer - wurden, stieg er aus und wandte sich US-Aktien zu. Diese befanden sich gerade in einem historischen Tief.
Templeton schuf auch Fonds, die gezielt auf spezifische Branchen setzten. So gründete er beispielsweise 1956 zusammen mit dem Marketingberater William Damroth den "Nucleonics, Chemistry and Electronics Fund" - einen thematischen Fonds, der sein Interesse an Wissenschaft und Technologie reflektierte.
Als Templeton 1992 seine Fonds für USD 440 Millionen an die Franklin Group verkaufte, verwaltete sein Unternehmen bereits USD 22 Milliarden.
Zu diesem Zeitpunkt war Templeton bereits in die zweite und deutlich spirituellere Hälfte seines langen Lebens eingetreten. 1964 gab er seine US-Staatsbürgerschaft auf - manche argwöhnen, aus steuerlichen Gründen, was er jedoch vehement bestritt - und lebte fortan als britischer und bahamaischer Bürger in Nassau auf den Bahamas. Von dort aus rief er zahlreiche philanthropische Initiativen ins Leben, die meisten davon mit religiösem Bezug.
So gründete er 1972 beispielsweise den Templeton-Preis für Fortschritte in der Religion. Die erste Preisträgerin war Mutter Teresa. Mit derzeit USD 1.6 Millionen ist diese Auszeichnung höher dotiert als der Nobelpreis und unterstreicht Templetons Überzeugung, dass "spirituelle Fortschritte nicht weniger wichtig sind als andere Formen menschlichen Strebens".
Eine ähnliche Botschaft sollten weitere gemeinnützige Organisationen verbreiten. 1984 gründete Templeton den Templeton Religion Trust, danach die Templeton World Charity Foundation und 1987 folgte die John Templeton Foundation - die wahrscheinlich bekannteste aller nach ihm benannten Einrichtungen.
Templetons Ideen faszinierten zahlreiche Persönlichkeiten, darunter die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher. Sie ehrte ihn 1987 mit dem Ritterorden für seine philanthropischen Verdienste, worauf er sich "Sir John" nennen durfte. Das international ausgerichtete Templeton College in Oxford, das er 1983 stiftete und mittlerweile Green Templeton College heisst, zeugt bis heute von seinem Glauben an Bildung als inklusives Gut.
Doch sein Interesse an Finanzen und Märkten verlor Templeton nie. Im Gegenteil. 2005 verfasste er ein aussergewöhnliches Memorandum, das er nur im engsten Kreis verteilte. Erst 2010, zwei Jahre nach seinem Tod im Alter von 95 Jahren, wurde es veröffentlicht. Und siehe da: Templeton prophezeite ein globales Finanzchaos innerhalb der nächsten fünf Jahre, den Immobiliencrash und den dramatischen Rückgang der Renditen von Staatsanleihen. Zudem sah er voraus, dass die traditionelle Schulbildung durch "Elektronik" verdrängt werden - was wir heute als webbasiertes Lernen verstehen - und der Wohlstand des reichsten Prozent der Gesellschaft weiter zunehmen würde.
Auch wenn nicht alle Vorhersagen eingetroffen sind, haben sich zwei Prinzipien von Templeton bewährt: Value Investing als Weg zum Wohlstand - und Philanthropie, um wissenschaftliche Entdeckungen, Spiritualität und echte Menschlichkeit weltweit zu fördern.