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Private Banking
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Market View & Insights
Einst galt Private Equity als Synonym für Exzesse an der Wall Street. Doch längst hat es sich von seinem schlechten Ruf befreit - und ist zur grössten Anlageklasse an den privaten Märkten aufgestiegen.
Der Leveraged Buyout (LBO) von RJR Nabisco im Jahr 1989 war seinerzeit die grösste Unternehmensübernahme in der Geschichte der USA. Und sie bleibt bis heute die berüchtigtste.
LBOs sind Unternehmensübernahmen, die mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanziert werden. Die Käufer müssen dadurch weniger Eigenkapital mitbringen und profitieren von einem Hebeleffekt ("Leverage"). LBOs bilden einen Eckpfeiler von Private Equity, dem ausserbörslichen Beteiligungskapital. In der Regel wird damit in reife Unternehmen investiert mit dem Ziel, diese fit zu trimmen und später mit hohen Renditen zu verkaufen.
Das Lebensmittel- und Tabakkonglomerat RJR Nabisco war eines der grössten Unternehmen der USA. Doch im Sommer 1988 stagnierte sein Aktienkurs. Als der CEO plante, den Konzern von der Börse zu nehmen und in Privatbesitz zu überführen, witterte so ziemlich jeder Private-Equity-Akteur an der Wall Street seine Chance - und ein erbitterter Bieterkrieg entbrannte.
Das Rennen machten Kohlberg Kravis & Roberts (KKR). Aber ihre "feindliche" Übernahmetaktik und ihr aggressives Finanz-Engineering zogen viel Kritik auf sich: Sie bürdeten RJR Nabisco einen Schuldenberg von rund USD 25 Milliarden auf.
Der Deal hat LBOs und Private Equity einen erheblichen Imageschaden zugefügt. Dies umso mehr, als er im wohl meistverkauften Wirtschaftsbuch "Barbarians at the Gate" von Brian Burrough und John Helyar in allen Farben geschildert wird.
Private Beteiligungen sind tief in der lebendigen Geschichte des amerikanischen Kapitalismus verwurzelt. Die Ursprünge des sogenannten Private Equity reichen bis ins späte 19. Jahrhundert zurück, als wohlhabende Familien und Einzelpersonen ähnliche private Strukturen nutzten, um den Ausbau der Eisenbahnen zu finanzieren und Industrieunternehmen voranzutreiben.
Im Jahr 1901 erwarb der legendäre Banker J. Pierpont Morgan die Carnegie Steel Company vom Stahlmagnaten Andrew Carnegie. Er finanzierte die Übernahme, indem er goldgedeckte Anleihen herausgab - was die Transaktion zum ersten grossen "Buyout" im heutigen Sinn macht. Die Carnegie Steel Company war der zentrale Baustein, mit dem J.P. Morgan die US Steel formte.
Auf der anderen Seite investierten die Vanderbilts, Whitneys, Rockefellers, Warburgs und andere Pioniere mit ihrem Privatvermögen in aussichtsreiche Unternehmen, welche zum Fortschritt beitrugen. Heute spricht man von "Venture Capital" respektive Wagniskapital.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterten sich die Finanzierungsmöglichkeiten für wachstumsorientierte Unternehmen durch gesetzliche und regulatorische Entwicklungen - insbesondere durch den Small Business Investment Act von 1958. Zunehmend stiegen auch institutionelle Anlegerinnen und Anleger in den attraktiven Markt ein. So nahmen Private Equity und Venture Capital - das man mittlerweile vor allem mit Investitionen in risikoreiche Start-ups verbindet - ihre modernen Formen an.
Gerade LBOs haben sich als entscheidend für Private Equity erwiesen.
Als erster LBO nach Lehrbuch gilt der Kauf der Pan-Atlantic Steamship Company und der Waterman Steamship Corporation durch McLean Industries Inc. anno 1955. Doch erst die Übernahme von Gibson Greetings im Jahr 1982 katapultierte die LBOs und Private Equity ins öffentliche Bewusstsein.
Das kam so: Eine Investorengruppe um den ehemaligen US-Finanzminister William Simon legte für die Grusskartenfirma satte USD 80 Millionen auf den Tisch - Gerüchten zufolge steuerte sie selbst nur USD 1 Million bei. Lediglich 16 Monate später spülte ein Börsengang Gibson USD 290 Millionen in die Kasse. Simon verabschiedete sich mit USD 66 Millionen aus dem Geschäft.
In der Zwischenzeit hatten sich auch die Unternehmensfinanzierer Jerome Kohlberg Jr., Henry Kravis und sein Cousin George Roberts bei Bear Stearns eine goldene Nase verdient. Sie investierten meist in Familienunternehmen, deren Eigentümer attraktive Ausstiegsmöglichkeiten suchten, die aber zu klein für einen Börsengang waren.
Sie begannen in den 1960er Jahren mit sogenannten Bootstrap-Deals - einer Form der Eigenfinanzierung zulasten der Eigentümer - entdeckten jedoch bald die fremdfinanzierten Buyouts. 1976 verliess das Trio seinen Arbeitgeber Bear Stearns und gründete KKR. Es leitete den LBO-Boom der 1980er-Jahre ein, der in der Übernahme von RJR Nabisco gipfelte.
Was dann geschah, zeigt das bemerkenswerte Durchhaltevermögen der Private-Equity-Branche.
KKR verlor bei RJR Nabisco schätzungsweise USD 700 Millionen. Gleichzeitig brach der Markt für hochverzinsliche Anleihen - sogenannte Junk Bonds - zusammen, der so viele LBOs befeuert hatte. Die Party schien vorbei.
Michael Milken, bekannt als "Junk-Bond-König", landete wegen Wertpapierbetrugs im Gefängnis. Ein Jahr später, 1990, meldete seine Firma Drexel Burnham Lambert Konkurs an - sie war der führende Emittent solcher Anleihen an der Wall Street.
Doch zu Beginn des neuen Jahrtausends bereitete eine Kombination aus sinkenden Zinsen, gelockerten Kreditvergabestandards und regulatorischen Änderungen den Boden für einen noch grösseren Private-Equity-Boom.
Dieser erreichte 2006 seinen Höhepunkt - nach einer Serie von Rekordübernahmen und Kapitalzusagen von USD 302 Milliarden für 415 Private-Equity-Fonds.
Dann kam das plötzliche Ende der Ära der Mega-Buyouts. Die Turbulenzen an den Hypothekenmärkten, welche die globale Finanzkrise von 2008 ausgelöst hatten, schwappten auf die übrigen Kreditmärkte über. Die Kreditvergabestandards und die Regulierung verschärften sich wieder - in den USA wie in Europa.
Ausserdem änderten sich die Vergütungsstrukturen für Private-Equity-Fondsmanagerinnen und -Manager und General Partner (Private-Equity-Managerinnen und -Manager), da immer mehr institutionelle Anlegerinnen und Anleger auf den Markt drängten. Einige der grössten Player, darunter KKR, wandelten sich von Personengesellschaften in transparentere Aktiengesellschaften um.
Das Ergebnis: niedrigere Gebühren, geringere Renditen und damit ein weniger riskantes und verantwortungsvolleres Investitionsverhalten. Kurz: Private Equity wurde erwachsen.
In jüngster Zeit hat Private Equity sein Image als Tummelplatz "schuldensüchtiger Unternehmensplünderer" weitgehend abgelegt und ist zu einer Branche mit längerem Anlagehorizont und einer Vielfalt an Investorinnen und Investoren herangereift.
Natürlich sind die Geschäfte nach wie vor mit Risiken behaftet. Aber seit dem Anstieg der Zinssätze haben andere Formen von privater Beteiligungen - insbesondere Private Debt (privates Fremdkapital) und Private Infrastructure (private Infrastruktur-Investitionen) - eine bessere Performance als Private Equity und Venture Capital erzielt. Der Schlüssel zum Erfolg von Private Equity liegt zunehmend in der Fähigkeit der Managerinnen und Manager, die operative Effizienz der übernommenen Unternehmen zu steigern.
Insofern bleibt die Attraktivität von Private Equity als Instrument zur Renditesteigerung und Diversifikation ungebrochen. Eines ist sicher: Mit einer wachsenden Zahl von Investorinnen und Investoren, die ihr Kapital neu und anders einsetzen wollen, ist die Geschichte von Private Equity noch lange nicht zu Ende.