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Nachhaltigkeit

Transition Investments: Den Übergang finanzieren Heute Verschmutzer, morgen Vorbilder?

Umweltverschmutzende Industrien haben keinen Platz in einem nachhaltigen Portfolio - oder doch? Für zukunftsorientierte Anlegerinnen und Anleger bietet eine gezielte Einbeziehung einige Chancen. Finden Sie heraus, warum.

  • Datum
  • Lesezeit 7 Minuten

Brücken bauen für eine bessere Zukunft: Transition Investments - auch "Übergangs-Anlagen" genannt - setzen bei den Branchen an, für die der Wandel hin zu Netto-null-Emissionen besonders herausfordernd ist, deren Produkte oder Dienstleistungen aber unverzichtbar sind; wie z.B. Öl und Transport. © Shutterstock/Mike Mareen

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Transition Investments als pragmatische Ergänzung zu klassischen ESG-Anlagen: Anders als traditionelle nachhaltige Investments konzentrieren sich Transition Investments auf Unternehmen mit derzeit hohem Umweltfussabdruck, die jedoch konkrete Massnahmen zur Reduktion ihrer Emissionen und zur Transformation ergreifen - besonders in schwer zu dekarbonisierenden Branchen wie Bergbau oder Luftfahrt.
  • Junge Unternehmen: Übergangsportfolios berücksichtigen neben etablierten Unternehmen auch junge Firmen und Start-ups, deren Technologien zur Transformation beitragen. Dabei geht es weniger um formale ESG-Ratings, sondern um tatsächliche Wirkung und Innovationskraft.
  • Verantwortungsvolles Engagement statt Divestment: Transition Investments ermöglichen es Anlegern, durch aktives Engagement und Stimmrechtsausübung Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen. Entscheidend ist eine sorgfältige Prüfung von Umsetzungsplänen und Investitionsausgaben, um Greenwashing zu vermeiden und glaubwürdige Fortschritte zu fördern.

Anlegerinnen und Anleger, die sicher sein wollen, dass ihre Vermögensanlagen zu einer saubereren, grüneren und gerechteren Welt beitragen, investieren oft in Unternehmen, denen bereits erstklassige soziale und ökologische Leistungen bescheinigt werden. Oft wird jedoch übersehen, dass man auch auf eine andere, nicht so offensichtliche Art Einfluss nehmen kann: durch Investitionen in Unternehmen, die zwar derzeit einen grossen Fussabdruck haben, aber diesen mit konkreten Massnahmen verringern möchten und so ihren Beitrag zum Wohl der Menschen und unseres Planeten leisten.

Tom Hassl
Thomas Hassl, Senior Portfolio Manager, LGT Private Banking

"Sogenannte Transition Investments - "Übergangs-Anlagen" - verfolgen bezüglich Nachhaltigkeit einen pragmatischeren Ansatz als traditionelle nachhaltige Anlagen. Sie setzen gerade bei den Branchen an, für die der Wandel aussergewöhnlich herausfordernd ist, deren Produkte oder Dienstleistungen aber unverzichtbar sind", erklärt Thomas Hassl, Senior Portfolio Manager bei LGT Private Banking.

Dieser Investitionsansatz berücksichtigt auch etwa Unternehmen mit einem enormen Energiebedarf in der Öl- und Gasindustrie, in der Luftfahrt, im Baugewerbe, im Transport, in der chemischen Industrie, im Bergbau sowie in der Zement- und Stahlproduktion.
Das Baugewerbe: Eine der Branchen, für die der Weg zu Netto-null-Emissionen besonders herausfordernd ist, deren Produkte und Dienstleistungen aber unverzichtbar sind. © Shutterstock/Sumith Nunkham

In diesen Branchen gibt es keine einfache Lösung für die Dekarbonisierung. Der Weg dorthin erfordert beträchtliche Investitionen - von der Modernisierung der Produktionsanlagen bis hin zu Investitionen in Technologie und die Umstrukturierung der Lieferkette.

Fokus auf Lieferketten statt Emissionen 

In einem Übergangsportfolio finden so auch jüngere Unternehmen und innovative Start-ups Platz, deren Produkte, Dienstleistungen und Technologien Lösungen für den Umbau von Sektoren bieten, deren Verschmutzung sich nicht leicht abbauen lässt.

Da sie aber auch laufende Vorhaben unterstützen, können diese Portfolios zum Umbau der Wirtschaft sogar Unternehmen enthalten, die den ökologischen Fussabdruck des Portfolios insgesamt vergrössern, zum Beispiel Bergbauunternehmen. Der Rohstoffabbau ist zwar recht emissionsintensiv, produziert aber auch Materialien wie Kupfer und Aluminium, die für den Aufbau der für den Übergang zur sauberen Energieerzeugung erforderlichen Infrastruktur unerlässlich sind.

In diesen Branchen gibt es keine einfache Lösung für die Dekarbonisierung. Der Weg dorthin erfordert beträchtliche Investitionen.

 

"Keine Solar- oder Windkraftindustrie ohne Aluminium oder Kupfer", erklärt Hassl. "Obwohl sie die Basisemissionen und den Wasser-Fussabdruck des Portfolios erhöhen, können solche Unternehmen durchaus in einem Übergangsportfolio enthalten sein. Denn für fortschrittliche Transition Investments müssen wir uns sowohl die in Frage kommenden Unternehmen als auch die für die Umstellung notwendige Lieferkette ansehen. Wir bei der LGT wissen, dass der Übergang ohne diese Unternehmen nicht möglich ist."

Siobhan Archer, Global Stewardship Lead, LGT Private Banking
Siobhan Archer, LGT Global Stewardship Lead

Wer entsprechende Anlagen im Portfolio hat, kann auch die Entwicklung mitbestimmen. "Als Anlegerinnen und Anleger haben wir die Möglichkeit, Unternehmen zu beeinflussen, indem wir uns beispielsweise für verantwortungsvollere Standards im Bergbausektor einsetzen", sagt Siobhan Archer, Global Stewardship Lead bei LGT Wealth Management mit Sitz in Grossbritannien.

Ein weiterer Aspekt: Ganz junge Unternehmen, die etwa innovative Produkte, Dienstleistungen oder Technologien zur Bewältigung sozialer und ökologischer Herausforderungen entwickeln, erfüllen möglicherweise nicht die Offenlegungsanforderungen eines traditionellen Nachhaltigkeitsportfolios - trotzdem können sie für den Mix der Übergangsinvestitionen eine wertvolle Ergänzung sein.

"Start-ups etwa sollen natürlich über ihre Transition berichten und sie auch verlässlich messen. Aber sie können und sollten nicht viel Geld für die Erstellung glänzender Nachhaltigkeitsberichte ausgeben", sagt Hassl. "Wenn sie grossartige Produkte haben, die den Status quo in Bezug auf Nachhaltigkeit wirklich verändern, können sie trotzdem ein wichtiger Baustein eines Transition Portfolios sein."

Manche Firmen belasten zwar heute die Umwelt, tragen jedoch gleichzeitig zu einer nachhaltigeren Zukunft bei - wie z.B. Erzeuger von Forstwirtschaftsprodukten. Gehören solche Unternehmen in ein nachhaltiges Portfolio? © Shutterstock/Mike Mareen

Es gibt also Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsvorteile grösser sind als ihre durchaus vorhandenen betrieblichen Umweltbelastungen. Ein Beispiel dafür sind Unternehmen, die Papier- und Forstwirtschaftsprodukte herstellen: Während ihre Produktionsprozesse grosse Mengen an Wasser verbrauchen, liefern diese Unternehmen erneuerbare Materialien wie Holz, Bambus, Zellstoff und Papier. Forstwirtschaftliche Materialien sind recycelbar, was sie bei entsprechender Aufbereitung zu einem Teil der Kreislaufwirtschaft macht.

Fokus auf soziale Themen gewinnt an Bedeutung

Transition Finance ist nicht auf Umweltthemen beschränkt. Für die LGT zum Beispiel sind soziale Themen bei Anlageentscheidungen genauso relevant. Dazu gehören Unternehmen, die sich für verschiedenste Themen einsetzen: den Schutz der Menschenrechte, verbesserter Zugang zu sauberem Wasser, nachhaltiger Ernährung und zur Gesundheitsversorgung, mehr Gleichberechtigung oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Alle sind unter den 17 Sustainable Development Goals der UN zusammengefasst.

Malte Stiel, Senior Portfolio Manager, LGT Private Banking
Malte Stiel, LGT Senior Portfolio Manager

Die Aufnahme sozialer Themen in Transition-Portfolios ist eine zukunftsweisende Strategie. "Wenn wir bei der LGT Anlagestrategien entwickeln, wollen wir sie zukunftssicher machen und sicherstellen, dass sie auch in fünf Jahren noch passend sind", sagt Malte Stiel, Senior Portfolio Manager für Fixed Income bei LGT Private Banking. "Die Branche ist in Bewegung, und soziale Themen werden immer wichtiger - warum sollten wir sie nicht einbeziehen?" 

Archer stimmt dem zu. "Wenn man bedenkt, dass wir als Investorinnen und Investoren die Möglichkeit haben, auch nur eine einzige Person vor Ausbeutung im Bergbau zu bewahren, ist das eine enorme Chance", sagt sie. "Und wenn wir die Unternehmen heute dazu bringen, Arbeits- und Menschenrechtspraktiken zu implementieren, wird sich das bereits in den kommenden Jahren positiv auswirken.“

Greenwashing-Risiko vermeiden

Natürlich muss man beim Aufbau eines Transition Portfolios überprüfen, ob die ausgewählten Unternehmen ihre Versprechen einhalten und sie auch wirklich eine soziale Wirkung erzielen und ihren ökologischen Fussabdruck verringern. Dies wird in zunehmendem Mass in den Umstellungsplänen festgehalten. Und angesichts der zentralen Rolle, die diese Pläne bei der Investitionsprüfung spielen, fordern die Aufsichtsbehörden in ihren Leitlinien, welche Kennzahlen offengelegt werden sollten, und überwachen deren Einhaltung.

Die IFRS Foundation, die hinter den Berichtsnormen des International Sustainability Standards Board steht, integriert in ihre Guidelines für Übergangspläne beispielsweise die von der britischen Transition Plan Taskforce entwickelte "Disclosure Framework and Implementation Guidance". Das Datenklassifizierungssystem der Europäischen Kommission wiederum listet die Technologien und Prozesse auf, die als nachhaltig – und auch als Teil der Transition – angesehen werden können. Demnach müssen europäische Unternehmen offenlegen, welcher Prozentsatz der Betriebs- und Investitionsausgaben auf diese Technologien und Prozesse entfällt.

Die Kommission bezeichnet dies als "ein wichtiges Instrument für Markttransparenz, das dazu beiträgt, Investitionen auf die Aktivitäten zu lenken, die für den Übergang zu Netto-null-Emissionen und ökologischer Nachhaltigkeit am nötigsten sind".

Zukunft gestalten: Mit Transition Investments unterstützen Anlegerinnen und Anleger Unternehmen auf ihrem Weg hin zu einer sozialen und ökologischen Zukunft. © Shutterstock/ Ritesh Mahato

Für Stiel ist einer der wichtigsten dieser Indikatoren der Kapitalaufwand. "Ein Unternehmen kann viel darüber erzählen, wie es den Planeten schützt", sagt er. "Aber wenn ein grosser Teil der Investitionsausgaben in Offshore-Bohrungen fliesst, wäre das ein Anlass, die Ernsthaftigkeit dieser Aussage in Frage zu stellen."

Indem Anlegerinnen und Anleger solche Vermögenswerte nicht veräussern, sondern weiter halten, können sie verhindern, dass weniger verantwortungsbewusste Investorinnen und Investoren zu Einfluss auf Unternehmen gelangen, und sie können diese durch Engagement und ihr Abstimmungsverhalten gleichzeitig dazu bringen, ihren sozialen und ökologischen Fussabdruck zu verbessern.

Mit einer soliden Sorgfaltsprüfung bietet eine Transition Investitionsstrategie eine weitere grosse Chance: den Aufbau eines diversifizierten Portfolios, das weniger anfällig für Schwankungen in der politischen Agenda ist - und das ist zunehmend wichtig. "Aus der Portfolioperspektive kann man so ein Allwetterportfolio aufbauen", sagt Stiel.

Während traditionelle nachhaltige Anlagen bereits zu den besten ihrer Klasse zählen, bietet Transition Finance den Anlegerinnen und Anlegern ein widerstandsfähiges, zukunftssicheres Portfolio, das auch der Gesellschaft zugutekommen kann. Schliesslich unterstützt es Unternehmen dabei, ihren Weg zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit schneller zu beschreiten.

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