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Market View & Insights
Die Weltwirtschaft erwacht aus einer langen Wachstumsphase - quasi einem ausgedehnten Sommer. Wegen nachlassenden Momentums und politischer Unsicherheit in den USA hat sich der Ausblick auf die zweite Jahreshälfte 2025 zunehmend abgekühlt.
Nach Jahren aussergewöhnlichen Wachstums mehren sich nun die Anzeichen eines Übergangs. Im Verlauf des Jahres 2025 weht ein kühler Wind in den globalen Märkten.
Schwächere Arbeitsmärkte, restriktivere Kreditbedingungen und verhaltene Konsumausgaben deuten auf einen reiferen Zyklus hin. Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig einen dramatischen Abschwung, wohl aber eine stille Neujustierung von Risiko und Rendite.
In den USA hat sich die Geschichte der sanften Landung ("soft landing") gewandelt - erwartet werden nun weniger kontrollierbare Kräfte. Handelskonflikte, politische Volatilität sowie veränderte Zinserwartungen trüben das Bild. Neue Zölle untergraben das Vertrauen von Unternehmen und Märkten. Politische Schocks - etwa die überraschende Ankündigung eines "Liberation Day" - lösten Kursschwankungen aus, die an die Finanzkrise 2008 und die Covid-19-Pandemie erinnern.
Investitionen werden selektiver, Einstellungspläne werden vorsichtiger. Die Kosten der US-Zollpolitik treffen die Wirtschaft weniger direkt als psychologisch: Sie schüren Unsicherheit, bremsen das Vertrauen ins Wachstum und zwingen Unternehmen zum Umsteuern.
Das Zusammenspiel aus fallender Stimmung, hohen Zinsen und schnellem Aufbau von Lagerbeständen im US-Einzelhandel mahnt zur Vorsicht. Die Inflation dürfte kurzfristig steigen, wobei die Treiber wechseln: von nachfragegetriebenen Preiserhöhungen hin zu kostenseitigen Anstiegen - insbesondere wegen Zöllen. Letztere sind von 2.5 % auf rund 13 % geklettert, sofern die aktuellen Aufschläge bestehen bleiben, und verstärken den Inflationsdruck spürbar.
Der US-Verbraucherpreisindex dürfte im dritten Quartal bei etwa 3.3 % seinen Gipfel erreichen und danach nachgeben. Die Federal Reserve bleibt vorsichtig. Kleine Zinssenkungen - insgesamt vielleicht rund 50 Basispunkte - sind möglich, aber wohl erst ab dem vierten Quartal. Gleichzeitig könnte sich die Zinskurve leicht versteilen, besonders wenn Rezessionsrisiken schwinden - was wiederum den Druck auf langfristige Zinsen erhöhen kann.
Die Spannung zwischen nachlassendem Wachstum und hartnäckiger Inflation zeigt sich in der US-Anleihebewertung. Wir rechnen weiterhin mit etwas Entlastung durch Zinssenkungen, vor allem bei kurzen Laufzeiten. Umfang und Timing des Spielraums sind jedoch geschrumpft.
In Europa ist das Bild anders: sinkende Inflation, stabile Beschäftigung und erwartete Lockerung durch die Europäische Zentralbank. Für 2025 werden sechs Zinssenkungen erwartet - vier im ersten Halbjahr, zwei im zweiten -, womit der Leitzins gegen Jahresende bei etwa 1.5 % liegen dürfte. Realrenditen sind vielerorts stillschweigend wieder in den positiven Bereich gestiegen .
Aktienmärkte erzählen zweierlei Geschichten. In den USA sind die Bewertungen hoch, nicht wegen kräftiger Gewinne, sondern wegen grosser Risikobereitschaft. Der jüngste Anstieg basiert auf sinkenden Risikoaufschlägen, nicht auf Ertragswachstum - der Spielraum für Fehler ist gering. Europäische Aktien sind dagegen weniger ausgereizt, teils übersehen. Vor allem kleinere und mittelgrosse Unternehmen gewinnen an Aufmerksamkeit: Sie sind weniger von globalen Zöllen betroffen und stärker auf heimisches Wachstum gestützt.
Da sich Marktsegmente unabhängiger bewegen und Kursschwankungen anhalten, erlebt aktives Management ein behutsames Comeback. Der Rückzug des passiven Investierens eröffnet Chancen für fundamental orientierte Anlegerinnen und Anleger.
Mit selektiveren Aktienmärkten rücken Anlageklassen in den Fokus, die Schutz vor Unsicherheit bieten. In geopolitisch und makroökonomisch unruhigen Zeiten behauptet Gold traditionell seine Rolle als sicherer Hafen - so auch jetzt. Sein Reiz wird nicht nur durch diese Schutzfunktion gestärkt, sondern auch durch wachsende Zweifel an der langfristigen Stabilität von Reservewährungen. Besonders Käufe durch Zentralbanken wirken als struktureller Rückenwind.
Darüber hinaus gewinnen alternative Strategien an Bedeutung - nicht trotz, sondern wegen der Volatilität. Private Debt und Real Assets erscheinen attraktiv, weil sie sich bei schwächerem Wachstum und steigenden Preisen relativ stabil halten können. Hedgefonds und spezialisierte Versicherungslösungen, die in einem von breiten Trends dominierten Markt an Popularität verloren hatten, werden wieder stärker nach ihrer Fähigkeit beurteilt, Renditen zu erzielen, die nicht den Schwankungen des Aktienmarktes folgen. Private Equity erholt sich langsamer, bleibt aber langfristig relevant - vor allem in Branchen, in denen operative Verbesserungen Werte heben können.
Chinas Übergang von der Werkbank zur Konsumwirtschaft sehen wir nicht ohne Schwierigkeiten. Gerade exportabhängige Länder spüren es, wenn das Wachstum nachlässt.
Wir nähern uns einer Phase des Zyklus, in der Kapital nicht mehr Dynamik sucht, sondern Klarheit. Diese ist in einer Welt mit wechselnder Zentralbankpolitik, fragmentierter Politik und sich wandelnden Konsumgewohnheiten jedoch schwerer zu finden.
Die wirtschaftliche Jahreszeit wechselt - nicht über Nacht, aber spürbar. Für Anlegerinnen und Anleger, die bereit sind, mit Weitblick und Entschlossenheit zu handeln, ist dies womöglich weniger eine Zeit des Rückzugs als vielmehr eine Zeit der Neuausrichtung.