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Unternehmertum

Vier gescheiterte Startups Und was Investorinnen und Investoren von ihnen lernen

Diese vier Startup-Cases verdeutlichen, dass Kapital, Charisma oder Technologie allein nicht ausreichen. Entscheidend ist, die richtigen Fragen zu stellen - und frühzeitig die Grenzen eines Geschäftsmodells zu erkennen.

Die Statistik ist ernüchternd: In Deutschland, Österreich und der Schweiz scheitern 80 von 100 Startups innerhalb der ersten drei Jahre. Vier Startups geben Einblicke, worauf Gründerinnen und Gründer, aber auch Anglerinnen und Anleger achten können. © unsplash/Eduardo Ramos

Zusammenfassung

Die wichtigsten Take-Aways:

  • Scheitern ist die Regel: 80 % der Startups überleben die ersten drei Jahre nicht.
  • Typische Fehler: Hype ohne Substanz, fehlender Marktbedarf, falsches Timing oder künstliche Bedürfnisse führen zum Aus.
  • Lektionen für Investorinnen und Investoren: Entscheidend sind echte Nachfrage, tragfähige Geschäftsmodelle und stabile Gründerteams.

Lea von Bidder scheiterte mit ihrem Startup Ava. Die Firma, die sie mitgründete und deren Aushängeschild sie war, galt einst als das erfolgreichste Startup der Schweiz. Das Ava-Armband sollte Frauen helfen, ihren Zyklus zu überwachen und leichter schwanger zu werden. Drei Jahre nach dem Ende von Ava spricht von Bidder in einem Buch und diversen Interviews offen über ihr Scheitern. "Es gibt fast nie den einen Grund", sagt sie über das Scheitern. Es sei "fast immer eine Mischung aus Timing, Geld, Regulierung, Marktpassung - und schlicht auch Glück."

Gescheitert, gelernt, weitergemacht: Unternehmerin Lea von Bidder © KEYSTONE/René Ruis

Die Startup-Welt ist gnadenlos. Wer ein Unternehmen gründet, das mit einem innovativen, skalierbaren Geschäftsmodell und neuer Technologie schnell wachsen soll, muss das Risiko des Scheiterns akzeptieren. Die Statistik ist ernüchternd: In Deutschland, Österreich und der Schweiz scheitern 80 von 100 Startups innerhalb der ersten drei Jahre.

Natascha Fürst ist CEO von Female Founders, des grössten Netzwerks für Tech-Unternehmerinnen in Europa. Female Founders fördert ein gerechtes und wirkungsorientiertes europäisches Technologie-Ökosystem. Laut Fürst scheitern Startups meist dann, "wenn das Geschäftsmodell nicht funktioniert und die Gründer:innen sich zerstreiten".

Die Ursachen liegen also oft bei den Menschen und in den Zahlen. Die folgenden vier Beispiele zeigen, was das konkret bedeuten kann - und worauf Investorinnen und Investoren achten sollten. 

WeWork: Eine gute Story reicht nicht

Blendete selbst erfahrene Anlegerinnen und Anleger: WeWork-Mitgründer Adam Neumann. © KEYSTONE/CAMERA PRESS/Tom Stockill

WeWork ist eines der bekanntesten Beispiele für ein gescheitertes Startup. Über WeWork gibt es Dokumentarfilme, TV-Serien und Bücher. Die Firma, einst als wertvollstes Startup der Welt gefeiert, soll USD 47 Milliarden vernichtet haben. Im Zentrum der Geschichte steht Adam Neumann, der WeWork 2010 mit Miguel McKelvey gründete. Neumann vermietete die leeren Büros seiner gescheiterten Firma weiter und verkaufte damit zugleich eine Vision: Es ging nicht mehr nur um Arbeitsräume ("work"), sondern auch um Gemeinschaft und Kollaboration ("we") - ein Konzept, das in den 2010er-Jahren boomte.

Der Hype liess nicht lange auf sich warten. Investorinnen und Investoren, darunter Masayoshi Son von Softbank, pumpten Milliarden in das Unternehmen. WeWork wuchs rasant: 12’000 Mitarbeitende, Büros in über 100 Städten, eine halbe Million Mitglieder. Neumann sorgte derweil "gut für sich selbst", wie es die NZZ ausdrückt. Die teuren Partys für seine Belegschaft sind legendär. Er hielt die Rechte an der Marke "We" und stellte sie WeWork in Rechnung, und er flog in Privatjets um die Welt. Beim geplanten Börsengang 2019 kam die Wahrheit ans Licht: Das Geschäftsmodell war fragwürdig, die Verluste enorm. Neumann trat zurück, der Börsengang scheiterte. 2023 meldete WeWork Insolvenz an. Die Gläubiger übernahmen die Kontrolle und steckten weitere USD 450 Millionen in das Unternehmen.

Einst als wertvollstes Startup der Welt gefeiert, soll WeWork USD 47 Milliarden vernichtet haben. © An Rong Xu/NYT/Redux/laif

WeWork zeigt: Charisma, Hype und billiges Geld können eine schlechte Geschäftsidee nur eine Zeit lang kaschieren. Selbst erfahrene Investorinnen und Investoren liessen sich blenden.

Lumos: Kenne dein Produkt

Das indische Startup Lumos scheiterte aus ganz anderen Gründen. Die drei Techies Yash Kotak, Pritesh Sankhe und Tarkeshwar Singh wollten 2014 einen intelligenten Internet-Schalter entwickeln, der aus dem Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer lernt und Haushaltsgeräte automatisiert. Die drei "träumerischen Neulinge", wie Kotak sich und seine Kollegen später selbst beschreibt, nennen das Produkt Lumos - angelehnt an den Zauberspruch aus Harry Potter.

Haben ihr Produkt nicht richtig getestet: Die drei Lumos-Gründer. © Lumos

Doch "nach fünf Monaten harter Arbeit mit 14-Stunden-Tagen, in denen wir ein Hardware-IoT-Produkt von Grund auf neu entwickelt und Tausende von Dollar aus der Tasche anderer Leute ausgegeben hatten, wachten meine beiden Mitbegründer und ich mit einem Ruck auf." Das schreibt Kotak später in einem vielbeachteten Post.

Das Startup hatte zwar rasch eine Finanzierung über einen Angel-Investor gefunden, der erste Prototyp war nach rekordverdächtigen 45 Tagen fertig, ein weiterer nach einem zusätzlichen Monat. "Wir waren zufrieden mit uns. Die Investoren waren zufrieden mit uns. Das Leben war ein Zuckerschlecken", erinnert sich Kotak. Aber die Lumos-Jungs hatten die Nachfrage nach ihrem Produkt nie in der echten Welt getestet. Der Preis für den Schalter war viel zu hoch, das Produkt zu komplex. "Wir wollten alles für alle machen", schrieb Kotak selbstkritisch. Lumos scheiterte nach weniger als einem Jahr.

Die Lektion: Ein Produkt muss klar positioniert sein und einen echten Bedarf decken. Wer das ignoriert, scheitert - egal, wie innovativ die Idee ist.

Quibi: Grosse Namen garantieren keinen Erfolg

Während Lumos von drei unbekannten Nerds fast in Eigenregie gegründet wurde, ist der Fall von Quibi ganz anders gelagert. Das Startup scheiterte trotz vieler Vorschusslorbeeren und Stars - und ist heute fast in Vergessenheit geraten. Zur Erinnerung: Quibi (ein Akronym für "quick bites") war ein Kurzvideo-Streamingdienst aus den USA, der gleichzeitig mit dem Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 durchstarten wollte. Hinter Quibi steckten zwei Grössen der US-Businesswelt: Meg Whitman, ehemalige CEO von Hewlett Packard und Ebay sowie Jeffrey Katzenberg, ehemaliger Chef der Disney-Studios und Mitgründer von DreamWorks. 

Scheiterte trotz Star-Aufgebot: Meg Whitman, Mitgründerin von Quibi. © James Atoa/UPI/laif

Whitman und Katzenberg traten mit fast USD 2 Milliarden und einer Reihe von Talenten aus dem Showbusiness wie Steven Spielberg und Jennifer Lopez an. Letztere sollten Filme und Serien für Quibi liefern. Doch die Strategie von Quibi wurde früh in Frage gestellt. Die Serien kamen beim Publikum nicht an und die Infotainment-Videos wurden gar gebrandmarkt als "Äquivalent zu Videos, die man auf YouTube findet - nur dass auf YouTube das Gleiche besser und kostenlos ist".

Die Corona-Lockdowns verschärften die Probleme: Quibi setzte auf Menschen, die unterwegs Clips schauen - doch plötzlich sassen alle zu Hause. Nicht zuletzt war Quibi mit einer Klage konfrontiert, und das Wall Street Journal berichtete ausführlich über die seit langem angespannte Arbeitsbeziehung zwischen Katzenberg und Whitman. Quibi mutierte zur Lachnummer. Bereits im Oktober 2020 mussten Whitman und Katzenberg mitteilen, dass sie das Unternehmen auflösen und das verbliebene Geld an die Investorinnen und Investoren zurückzahlen müssten.

Quibi zeigt: Weder grosse Namen noch viel Kapital können ein schlechtes Konzept retten. 

Juicero: Schaffe kein künstliches Bedürfnis

"Braucht es das wirklich?" Diese Frage hätte sich bei der Gründung von Juicero jeder Investor, jede Investorin stellen müssen. Leider stellte sie niemand, bevor es zu spät war. 2013 war Gründer Doug Evans mit der Mission angetreten, frischen, nahrhaften Saft in jeden Haushalt zu bringen. Möglich machen sollte das ein hochmoderner Entsafter. Das Gerät machte aus gehäckseltem Bio-Obst und -Gemüse, das in Beutel eingeschweisst war, frischen Saft. In einem Interview mit Gizmodo bezeichnete Doug Evans den Juicero, der mit dem Internet gekoppelt werden musste, damit er überhaupt funktionierte, als "Tesla der Saftpressen".

Deckte kein Konsumentenbedürfnis: Juicero-Gründer Doug Evans. © Amy Lombard/NYT/Redux/laif

In der Funding Round hatte sich Evans über USD 120 Millionen von Top-Venture-Capital-Gebern wie Kleiner Perkins, Google Ventures und Campbell's Soup gesichert. Im März 2016 wurde Juicero der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Maschine kostete beinahe USD 700. Die Saftbeutel wurden im Abo verkauft und kosteten USD 30 pro Monat. Sie waren mit einem Ablaufdatum versehen, und wenn dieses überschritten wurde, konnte man sie nicht mehr auspressen.

Schon bald musste Juicero den Preis auf USD 399 reduzieren, obwohl die Entwicklungs- und Herstellungskosten der Saftpresse alles überstiegen. Im Oktober 2016 musste Evans als CEO nach schlechten Verkaufszahlen gehen, Jeff Dunn, ehemaliger Präsident von Coca-Cola, übernahm. Und dennoch kam es zum Super-Gau: In einem simplen Video zeigten Bloomberg-Journalisten, wie man die teuren Saftbeutel von Juicero auch einfach von Hand ausdrücken konnte - und die 400-Dollar-Maschine völlig überflüssig machten. Juicero sei, so sagte es der Fast Company-Autor Mark Wilson, "nichts weiter als eine Lösung für reiche Menschen, die schlechter ist als das eigentliche Problem". Im September 2017 stellte Juicero den Betrieb ein.

Die Lektion: Ein Produkt muss ein echtes Problem lösen. Wer ein künstliches Bedürfnis schafft, scheitert.

Die Startup-Welt ist gnadenlos. Wer ein Unternehmen gründet, das schnell wachsen soll, muss das Risiko des Scheiterns akzeptieren. © istock/Paul Bradbury

Gute Fehlerkultur macht Startups erfolgreich

Natascha Fürst: Das Scheitern gehört zum Gründen © Ella Széchényi

Auch für Expertin Natascha Fürst gehört das Scheitern zur Startup-Welt. Sie möchte aber lieber die Möglichkeiten betonen, die Startups offerieren: "Gründerinnen und Gründer sind dann erfolgreich, wenn sie verstehen, dass es nicht leicht wird, aber dass es enorme Potenziale in der Mitgestaltung von Innovation gibt - und es erfüllend und grossartig werden kann."

Erfolgreiche Startups zeichneten sich in erster Linie durch personelle Merkmale aus, wie diverse Führungsteams, die massgeblich am Unternehmen beteiligt sind - "nicht nur mit einem Titel, sondern auch mit Anteilen", wie Fürst betont. Dass Unternehmen mit Frauen oder diversen Teams längerfristig am Markt bestehen, weil unterschiedliche Lebensrealitäten einfliessen, zeigen die Zahlen, die Female Founders erhebt. "Erfolgreiche Startups verstehen zudem ihre juristischen Rahmenbedingungen, sie sind sich ihrer Risiken bewusst und haben eine gute Fehlerkultur", so Fürst.

Die Autorin
Sabina Sturzenegger, Gastautorin

Sabina arbeitet seit langem im Journalismus. Bei der Neuen Zürcher Zeitung, beim Sonntagsblick, im Wirtschaftsressort der Aargauer Zeitung, als Nachrichtenchefin und Spezialistin für digitale Werbeformen bei Watson. Als Gründerin und Inhaberin von Panda&Pinguin ist sie heute unter anderem als freie Autorin tätig.

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