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Unternehmertum

Wie die Kelly-Bag zur Ikone der Nachhaltigkeit wird

Die Kreislaufwirtschaft erreicht das Luxussegment. In Asien boomt der Handel mit gebrauchten Waren, allen voran mit Luxus-Handtaschen. Was Circular Economy zur modernen - und besseren - Wirtschaft macht.

Vom Luxusobjekt zur Nachhaltigkeitsikone: Die Kelly-Bag ist heute auch ein Symbol für ein neues Bewusstsein im Konsum. © KEYSTONE/Photoalto/Patrick Mac Sean

Zusammenfassung

  • Hermès Birkin- und Kelly-Taschen sind zu Symbolen einer Kreislaufwirtschaft geworden, in der Premiumprodukte repariert, wiederverwendet und weiterverkauft statt weggeworfen werden.
  • McKinsey und Accenture prognostizieren, dass zirkuläre Strategien in Europa bis 2050 über USD 1 Billionen Umsatz schaffen und weltweit im Konsumgüterbereich bis 2030 zusätzlich USD 35 Milliarden Wert freisetzen können.
  • Der Sekundärmarkt für Luxusgüter im asiatisch-pazifischen Raum boomt: Resale-Plattformen in Singapur, Hongkong und China treiben das Volumen bis 2025 auf USD 47.8 Milliarden, mit rund 10 % jährlichem Wachstum bis 2035.
  • Millennials und Gen Z bevorzugen langlebige, hochwertige Artikel und beschleunigen damit zirkuläre Praktiken von Mode bis Bauwesen - ein weltweiter Abschied vom linearen "take, make, waste"-Modell.

Die Zeiten, als Nachhaltigkeit und Umweltschutz noch mit Jutebeuteln gleichgesetzt wurden, sind - zum Glück - vorbei. Heute wird die legendäre Hermès-Tasche als hochwertiges Secondhand-Stück gehandelt und wird damit zu einem Symbol für nachhaltigen Konsum sowie ein neues Selbstverständnis der Konsumentinnen und Konsumenten. Die Hermès-Tasche, könnte man sogar sagen, steht für den Wirtschaftstrend der Circular Economy.

Take - make - waste muss durch reduce - reuse - recycle ersetzt werden.

Zirkuläres Denken in der Praxis: Vom Design bis zur Wiederverwendung bleiben Materialien im Kreislauf.

Die Kreislaufwirtschaft gewinnt in Zeiten von Ressourcenknappheit, ökologischen Krisen und wachsendem Konsumbewusstsein an Bedeutung. In der Circular Economy sollen die Ressourcen so lange wie möglich im Umlauf sein, statt nach kurzer Nutzung entsorgt zu werden. 

Das einstige Credo des linearen Wirtschaftsmodells "produzieren, verwenden, entsorgen" - "take - make - waste" - müsse ersetzt werden durch ein zirkuläres Modell, schreibt Cedric Baur, Equity Analyst bei LGT.  In der zirkulären Wirtschaft müssten Produkte so konzipiert werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus recycelbar oder wiederverwendbar sind, nach dem Motto: reduce - reuse - recycle.

Circular Economy ist mehr als Recycling

Die Kreislaufwirtschaft beginnt also beim Produktdesign, sie setzt auf Wiederverwendung, Reparatur, Regeneration, hohe Qualität und dadurch auf Langlebigkeit. Der Kreislauf endet idealerweise nie - weil Materialien immer wieder in neue Nutzungskreisläufe gelangen. Einschlägige Beispiele für solche Produkte sind Trinkflaschen aus Edelstahl oder das Fairphone. Die Flaschen halten lang, haben ersetzbare Deckel und können wieder in den Kreislauf zurückgegeben werden. Das Fairphone besteht aus einzelnen, ersetzbaren Komponenten wie Akku, Display, Kamera oder Lautsprecher und aus recyceltem Aluminium und ist dank langjährigem Software-Support auch in der Nutzung nachhaltig.

Und die Circular Economy wächst: Gemäss einer Studie von McKinsey hat die Kreislaufwirtschaft allein in Europa im Jahr 2050 eine Umsatzchance von mehr als USD 1 Billion. Unternehmen, insbesondere Konsumgüterhersteller, die sich zu ökologischen, sozialen und Kriterien sowie einer guten Unternehmensführung (ESG) verpflichten, haben die Chance, in der Zukunft führend zu sein. Accenture erwartet, dass die Kreislaufstrategien bis zum Jahr 2030 einen zusätzlichen Wert von  USD 35 Milliarden durch reduzierte Kosten in der Konsumgüterindustrie generieren werden.

Hinzu kommt das potenzielle Wachstum durch die Konsumenten und Konsumentinnen der Millennials und der Generation Z, die den Höhepunkt ihrer Kaufkraft erreicht haben und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Marken kaufen.

Asien: Fruchtbarer Boden für Circular Economy

Diese Generation entwickelt sich nicht nur in Europa und den USA, sondern zunehmend auch in Asien. Wurde in asiatischen Gesellschaften Gebrauchtes lange mit "arm" oder "altmodisch" gleichgesetzt, boomt derzeit in Singapur, Hongkong und China der Markt für Secondhand-Luxusgüter. Auch hier sind es Designer-Handtaschen, Mode und Accessoires, die auf einschlägigen Online- und Social-Media-Plattformen gehandelt werden, darunter Née Vintage, Madam Milan, StyleTribute, Bag It! und Vestiaire Collective. Auch in physischen Geschäften werden die Waren verkauft: So kommen bei ZZER, einem Geschäft, das 2022 aus einer Online-App hervorging, täglich über 5000 Secondhand-Produkte an, darunter Designer-Perlen von Louis Vuitton, Chanel, Dior und sogar "seltene Kollaborationsstücke" ("rare collab pieces"), wie der Reiseblog klooktravel schreibt. 

Secondhand boomt in Asien: In Städten wie Singapur und Hongkong verändert der Wiederverkauf den Luxusmarkt. © KEYSTONE/Picture Alliance/CFOTO

Gemäss Future Markets Insights belief sich der asiatisch-pazifische Markt für Secondhand-Produkte im Jahr 2025 auf USD 47.8 Milliarden und wird voraussichtlich bis 2035 um jährlich fast zehn Prozent wachsen. PwC rechnet im asiatisch-pazifischen Raum mit zusätzlichem BIP von rund USD 340 Milliarden (1.1 % Netto-Jahreswachstum) sowie einer Reduktion der Netto-Emissionen um 7.2 Prozent, ausgelöst durch die Circular Economy.

Millennials und Gen Z wollen Secondhand

Antonia Strachwitz, Editor Content and Publications, LGT Private Banking
"Ich kaufe alles Secondhand" - Antonia Strachwitz von LGT setzt auf Qualität, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit.

Weltweit wollen rund drei Viertel der befragten Millennials und 64 % der Gen Z mehr in hochwertige und langlebige Produkte investieren. Nachhaltigkeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung, wobei die Mehrheit der Gen Z (63 %) und Millennials (62 %) bereit ist, mehr für ethisch hergestellte Artikel zu bezahlen. 66 % der Gen Z-Konsumentinnen und -Konsumenten bevorzugen Secondhand.

Antonia Strachwitz, Editor Investment Strategy and Themes bei der LGT, ist eine dieser Konsumentinnen. "Ich kaufe alles Secondhand", sagt die Mutter von zwei Kindern, die in Zürich wohnt und arbeitet. Nicht nur Kleider und Accessoires, sondern auch Kunst, Möbel, das Auto sowie die Spielsachen und Sportgeräte der Kinder sind bei Strachwitz gebraucht. 

"Wenn man sich kurz überlegt, welche Emissionen die Herstellung einer Handtasche verursacht, kommt man rasch zum Schluss, dass es Alternativen braucht." So werde Secondhand immer mehr auch im Luxussegment angeboten. Die gebrauchte Hermès-Bag oder auch die Rolex-Uhr sind gute Beispiele dafür. "Durch ihre Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit werden sie sogar zu Anlageprodukten - und können auch noch vererbt werden", sagt Strachwitz.

Zirkuläres Denken endet nicht bei der Mode - es prägt auch, wie wir wohnen und unser Leben gestalten. © istock/Bulgac

Gemäss der Handelszeitung erreicht der Secondhand-Markt (ohne Autos und Immobilien) in der Schweiz mittlerweile einen Umsatz von rund zwei Milliarden Franken. Der Wandel hin zur Circular Economy ist längst im Gang - sichtbar in den Millionenstädten Asiens und zunehmend auch in Europa. Die Kelly-Bag zeigt: Was gestern reiner Luxus war, kann heute Teil der zirkulären Wirtschaftslösung sein.

Jede Region hat ihre Stärke

Auch in der Bauwirtschaft spielt die Circular Economy eine immer grössere Rolle, indem Rückbaumaterialien wiederverwendet oder recycelt werden. In der Schweiz gibt es verschiedene regionale Bauteilbörsen, auf denen gebrauchte Badewannen, Küchenabdeckungen, aber auch ganze Stahlgerüste gehandelt werden. In Ländern der EU wie Deutschland wird die zirkuläre Wirtschaft im Bausektor mit gesetzlichen Vorgaben wie dem Verpackungsgesetz oder dem politisch angestrebten "Recht auf Reparatur" aktiv vorangetrieben.

Der Umbau hat begonnen: Auch in der Bauwirtschaft zeigt die Kreislaufwirtschaft neue Wege. © Shutterstock/INTREEGUE Photography

Hongkong investiert massiv in Infrastruktur für Baustoffrecycling. Skandinavische Länder fördern Reparaturdienstleistungen steuerlich. Und Singapur will mit seinem "Zero Waste Masterplan" den Abfall bis 2030 um 30  % reduzieren - unter anderem durch Wiederverwendung von Beton, Asphalt oder Glas. 

China hat die Circular Economy in seine Fünfjahrespläne aufgenommen. Besonders im Batterie- und Textilrecycling macht das Land Fortschritte. Die USA setzen auf privatwirtschaftliche Innovation. Unternehmen wie Apple oder Patagonia arbeiten längst mit Rücknahme- und Refurbishment-Modellen. Afrika und Indien zeigen mit informellen Recycling-Netzwerken und Urban Mining neue Wege, wie Kreislaufwirtschaft auch unter schwierigen Bedingungen funktioniert.

Die Autorin
Sabina Sturzenegger, Gastautorin

Sabina arbeitet seit langem im Journalismus. Bei der Neuen Zürcher Zeitung, beim Sonntagsblick, im Wirtschaftsressort der Aargauer Zeitung, als Nachrichtenchefin und Spezialistin für digitale Werbeformen bei Watson. Als Gründerin und Inhaberin von Panda&Pinguin ist sie heute unter anderem als freie Autorin tätig.

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