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Market View & Insights
Künstliche Intelligenz (KI) hat bewiesen, dass sie die Medikamentenentwicklung unterstützen kann. Doch kann sie in einem Bereich, der von regulatorischen Hürden und den Rätseln der menschlichen Biologie geprägt ist, jemals die Führung übernehmen?
Künstliche Intelligenz (KI) ist in zahlreichen Branchen zu einem wichtigen Werkzeug geworden - insbesondere im Gesundheitswesen, das traditionell eng mit medizinischer Forschung verknüpft ist. Tatsächlich bildeten Untersuchungen über die Interaktion menschlicher Neuronen die Grundlage für die ersten künstlichen neuronalen Netzwerke, aus denen sich die heutigen KI-Modelle entwickelten.
Seit den 1970er-Jahren haben sich die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Medizin stark erweitert. Sie ermöglicht schnellere und präzisere Diagnosen und entlastet medizinisches Personal von Routinetätigkeiten. Das Wachstum der KI im Gesundheitswesen dürfte sich auch künftig fortsetzen - Schätzungen zufolge mit jährlichen Zuwachsraten von 25 % bis 35 % bis 2035, je nach den zugrunde liegenden Daten.
So unterschiedlich der Einsatz von KI in verschiedenen Branchen ist, so hat sie in der Medikamentenentwicklung ihr volles Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Bislang wurde noch kein einziges Medikament - von der ersten Idee bis zur Marktzulassung - ausschliesslich mithilfe von KI entwickelt. Auf den ersten Blick erstaunt das, denn die Fähigkeiten der KI scheinen geradezu prädestiniert für die pharmazeutische Forschung und Entwicklung.
Tatsächlich spielt KI bereits heute eine wichtige unterstützende Rolle. Doch während sie den Prozess ergänzt, kann sie derzeit noch nicht jede Stufe der Medikamentenentwicklung eigenständig übernehmen.
Ohne weitere Fortschritte bleibt die Pharmaindustrie auf menschliche Intelligenz angewiesen.
Warum ist das so? Die Gründe sind vielfältig. Zum einen ist die menschliche Biologie äusserst komplex und in vielen Bereichen noch nicht vollständig erforscht und nachvollziehbar. Diese Unsicherheit erschwert es der KI, die Zusammenhänge zu analysieren und abzubilden, die für die Entwicklung neuer Medikamente entscheidend sind.
Hinzu kommt, dass es keine zentrale, globale Datenbank gibt, die sämtliche verfügbaren klinischen und biologischen Daten enthält. Selbst wenn es sie gäbe, wären diese Daten vermutlich nicht ausreichend detailliert oder kontextualisiert. Stattdessen sind Informationen über unzählige, teils schwer zugängliche Datenbanken verstreut.
Selbst wenn KI-gestützte Analysen potenzielle Wirkstoffe identifizieren, müssen diese Ergebnisse durch aufwändige Laborversuche und klinische Studien validiert werden. Hinzu kommen strenge regulatorische Anforderungen, die umfassende Nachweise für Sicherheit und Wirksamkeit verlangen - Nachweise, die KI-generierte Resultate bislang (noch) nicht vollständig liefern können.
Auch die KI-Modelle selbst stehen in der Kritik von Regulierungsbehörden und Forschenden. Aufgrund ihrer hohen Komplexität werden sie häufig als "Black Boxes" bezeichnet. Ihre mangelnde Transparenz erschwert die Überprüfung und Interpretation - was Skepsis gegenüber ihren Resultaten schürt.
Die Herausforderungen in der Medikamentenentwicklung zeigen die heutigen Grenzen der KI deutlich auf. Ohne weitere Fortschritte bleibt die Pharmaindustrie auf menschliche Intelligenz angewiesen.
Dennoch kann KI im pharmazeutischen Bereich viel bewirken: Sie kann potenzielle Wirkstoffe in grossen Molekül- und Stoffdatenbanken identifizieren, frühzeitig mögliche Toxizitäten, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen erkennen, Studiendesigns durch gezielte Kandidatenauswahl effizienter gestalten, die Auswertung klinischer Daten beschleunigen und personalisierte Therapien auf Basis genetischer Informationen unterstützen.
Zudem kann KI - wie in vielen anderen Branchen - dazu beitragen, Entwicklungszeit und -kosten deutlich zu senken. Während die klassische Entwicklung eines neuen Medikaments im Durchschnitt USD 2 bis 3 Milliarden und zehn bis 15 Jahre dauert, gehen Schätzungen davon aus, dass der Einsatz von KI sowohl Kosten als auch Entwicklungsdauer um rund 30 % oder mehr reduzieren könnte.
Einer der ersten KI-unterstützten Wirkstoffkandidaten war "DSP-1181", ein selektiver Serotonin-5-HT1A-Rezeptor-Agonist zur Behandlung von Zwangsstörungen. Mithilfe von KI und automatisierten Experimentierverfahren konnte der Wirkstoff innerhalb von nur zwölf Monaten entwickelt werden - ein Prozess, der mit herkömmlichen Methoden mehrere Jahre gedauert hätte.
Obwohl die Entwicklung bereits 2022 eingestellt wurde, gilt DSP-1181 als Meilenstein und "Proof-of-Concept" für den Einsatz von KI in der Medikamentenentwicklung, da es das erste KI-basierte Molekül war, das die klinische Testphase erreichte.
Auch wenn die Zukunft der Pharmaindustrie zweifellos eng mit KI verknüpft ist, bleibt abzuwarten, in welchem Umfang sie die Medikamentenentwicklung tatsächlich aus den Händen menschlicher Forscherinnen und Forscher nehmen kann. Sicher ist aber: KI wird die Branche weiterhin transformieren - Schritt für Schritt.
Die Expertinnen und Experten der LGT analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.