The Strategist

Keine Zinssenkungen

Die US-Notenbank signalisiert ein Ende der Straffungspolitik. Da die Inflation aber nach wie vor hoch ist, erwarten wir vorerst keine Zinssenkungen. Sollte die amerikanische Wirtschaft allerdings in eine tiefe Rezession rutschen, dürften die Währungshüter die Geldpolitik lockern. Wir halten dies jedoch für ein Ausnahmeszenario.

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Autor
Thomas Wille
Lesezeit
5 Minuten

USD-Banknoten
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Die Kommunikation der US-Notenbank (Fed) war klar und direkt, nachdem sie vor einer Woche eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte beschlossen hat – und das, obwohl die Unsicherheit an den Finanzmärkten nach dem Bankenbeben deutlich zugenommen hat. Demnach steht das Fed am Ende des Zinserhöhungszyklus: Der Löwenanteil der Zinserhöhungen sei vollzogen, erklärte Fed-Chef Jerome Powell, und die Notenbank wolle in den kommenden Monaten die Auswirkungen auf die Wirtschaft beobachten. Powell stellte dabei eine Pause in Aussicht, schloss aber eine Zinswende – einen sogenannten «Pivot» – aus. Damit hat er den Anlegern klar gemacht, dass der Kampf gegen die Inflation noch nicht vorbei ist und vorerst nicht vernachlässigt werden darf. Die US-Währungshüter prognostizieren für das laufende Jahr eine Kerninflationsrate (Core PCE Inflation) von 3.6%, was eindeutig zu hoch ist, um bereits Geschenke in Form von Zinssenkungen zu machen.

Rezession oder nicht?

Im ersten Quartal 2023 wurden verschiedene Szenarien für die Entwicklung der US-Wirtschaft diskutiert: Eine harte Landung («hard landing»), eine weiche Landung («soft landing») oder keine Landung («no landing»). Heute fragen sich die Anleger, ob es zu einer Rezession kommt oder nicht, genauer gesagt, wie stark der Abschwung sein wird. Kommt es zu einer weichen Landung, einer milden Rezession oder zu einer tiefen Rezession, die einer harten Landung gleichkäme? Die Visibilität bleibt sowohl für die US-Notenbank als auch für die Marktteilnehmer begrenzt, so dass jede Prognose mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten ist.

Eine technische Rezession liegt dann vor, wenn das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ ist. Die Wachstumsprognosen für die US-Wirtschaft für die kommenden Quartale liegen nahe bei Null, nämlich bei 0% für das zweite Quartal, bei -0.4% für das dritte Quartal und bei +0.1% für das vierte Quartal. Wir müssen also mit einem sehr schwachen Wirtschaftswachstum rechnen, wobei der Abschwung in eine technische Rezession münden könnte. Bleibt eine echte Rezession aus, die sich durch einen Wachstumsrückgang von über 1% auszeichnet, wird die US-Notenbank unseres Erachtens die Zinsen nicht senken, da die Kerninflationsrate nach wie vor zu hoch ist. In unserem Basisszenario rechnen wir mit einem sehr schwachen BIP-Wachstum und schliessen eine technische Rezession nicht aus. Eine echte Rezession bleibt für uns ein Ausnahmeszenario. Nur in diesem Fall erwarten wir, dass das Fed die Zinsen deutlich senken wird.

Ein Geduldsspiel

Nach einem fulminanten Start ins Jahr 2023, der dem MSCI Welt Kursgewinne von bis zu 9% bescherte, haben die globalen Aktien mehr als die Hälfte dieser Gewinne wieder abgegeben. Mit dem Start ins zweite Quartal beginnt ein Geduldsspiel, denn neben der anhaltenden Unsicherheit über die Verfassung der Regionalbanken in den USA steht im April die Unternehmensberichtssaison an, die Anlegern Hinweise auf eine mögliche Gewinnrezession geben wird. Eine defensive Positionierung sowie der Fokus auf die Selektion bleibt in allen Anlageklassen unerlässlich.
 

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