LGT Private Banking House View

Oktober 2023

Wie die beiden Figuren, die auf Godot warten in Samuel Becketts Theaterstück, haben viele Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer auf eine Rezession in den USA gewartet, die aber vielleicht nie kommen wird. Viele Experten gingen davon aus, dass das US-Wirtschaftswachstum in diesem Jahr deutlich schwächer ausfallen würde, als bisher. Und die meisten von ihnen haben diese Einschätzung noch einmal bekräftigt, indem sie die antizipierte Rezession in den USA lediglich auf die zweite Hälfte des Jahres 2023 oder 2024 verschoben haben. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr eine Rezession vermeiden wird, und erörtern die Rezessionsrisiken für die wichtigsten Volkswirtschaften. 

Datum
Autor
Gérald Moser, CIO & Head Investment Services Europe
Lesezeit
7 Minuten
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In unserer breit angelegten Anlagestrategie reflektieren wir die Unsicherheit hinsichtlich des makroökonomischen Ausblicks, sowohl auf der Wachstums- als auch auf der Zinsseite. In diesem Umfeld halten wir an unserer Strategischen Vermögensallokation (SAA) in den wichtigsten Anlageklassen - Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, alternative Anlagen und Barmittel - fest. Allerdings sehen wir Opportunitäten bei festverzinslichen Wertpapieren, mit einer Übergewichtung von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating sowie einer Untergewichtung von Hochzinsanleihen. In dieser Hinsicht haben die jüngsten Zentralbanksitzungen für einige Überraschungen gesorgt, sowohl in Bezug auf die tatsächlichen Entscheidungen als auch auf die Tendenz der geldpolitischen Ausrichtung. Wir achten dabei insbesondere auf die Auswirkungen der US-Geldpolitik auf die Realzinsen und die langfristigen Renditen. Beide sind inzwischen wieder auf Niveaus zurückgekehrt, die zuletzt vor mehr als einem Jahrzehnt zu beobachten waren. Daher sind Staatsanleihen - auch mit längeren Laufzeiten - aus unserer Sicht wieder interessant.

Ein Bereich, in dem steigende Realzinsen weniger willkommen sind, sind Aktien. Wir diskutieren die Problematik steigender Renditen und erhöhter Multiplikatoren an den Aktienmärkten. Die Märkte bewegen sich auf einem schmalen Grat, auf dem zu viele gute Wirtschaftsnachrichten die Renditen noch weiter in die Höhe treiben und damit den Aktien schadet, während gleichzeitig Anzeichen einer Rezession die Stimmung gegenüber risikoreichen Anlagen belasten. Schliesslich werfen wir in unserer Rubrik Devisen einen genaueren Blick auf den Schweizer Franken. Die Währung hat eine Phase der Stärke hinter sich, aber die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die Zinssätze unverändert zu belassen, war eine Überraschung. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Franken in den kommenden Monaten stabiler entwickeln wird, wenngleich das Aufwärtspotenzial unserer Ansicht nach begrenzt ist.

Makroökonomisches Umfeld

Das globale Wachstum wird sich im Herbst weiter verlangsamen. Dies liegt vor allem an der Wachstumsschwäche in den USA, die auf die restriktive Geldpolitik des Fed zurückzuführen ist. In den USA sind die dämpfenden Effekte der restriktiven Zinspolitik auf praktisch alle wichtigen Wachstumsfaktoren - Konsum, Investitionen und Staatsausgaben - zu spüren. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die aktuelle Wirtschaftsabschwächung in den USA länger anhalten dürfte. Vor diesem Hintergrund verschärft die Wachstumsverlangsamung in China die Probleme der europäischen verarbeitenden und exportorientierten Industrie und erhöht damit das Risiko einer rezessiven Wachstumsdynamik in ganz Europa.

Anlagestrategie

Die Unsicherheit auf der makroökonomischen Seite hat ein Rekordniveau erreicht. Die wirtschaftlichen Überraschungen, sowohl nach oben als auch nach unten, sind so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr, wenn wir den Zeitraum der Corona-Pandemie ausklammern. Darüber hinaus sind auch die Massnahmen der Zentralbanken unberechenbar, wie die letzten Zinsentscheide gezeigt haben. In diesem Umfeld bevorzugen wir weiterhin unser robustes Multi-Asset-Portfolio und bewerten alle wichtigen Anlageklassen (Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, alternative Anlagen und Barmittel) neutral. Wir finden jedoch, dass Staatsanleihen immer attraktiver werden und bestätigen unser «Übergewicht» in diesem Segment der festverzinslichen Wertpapiere, während wir uns von den risikoreicheren Hochzinsanleihen zurückziehen.

Aktienstrategie

Nachdem der US-Aktienmarkt trotz steigender Zinsen deutlich zugelegt hat, scheint die Wallstreet nun sehr sensitiv auf Veränderungen der Zinserwartungen zu reagieren. Diese wiederum hängen von der US-Wirtschaftsdynamik ab. Eine geordnete, konjunkturelle Abkühlung zum Jahresende, die die Zinserwartungen zu reduzieren vermag, ohne aber Rezessionsängste zu schüren, wäre somit genau das, was der US-Aktienmarkt braucht. Ein Balanceakt mit schwer prognostizierbarem Ausgang, der uns an einer neutralen Einstufung festhalten lässt.

Anleihenstrategie

Im Anleihenbereich bevorzugen wir weiterhin Staats- und Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich, während wir bei Hochrisikoanleihen aufgrund der nicht nachhaltig tiefen Kreditrisikoprämie zurückhaltend bleiben. Vor dem Hintergrund der nach wie vor inversen Zinskurve, aber auch um die Kreditrisiken tief zu halten, bevorzugen wir bei Unternehmensanleihen Titel mit kurzer Laufzeit, während wir bei Staatsanleihen tendenziell längere Laufzeiten favorisieren. Dies nicht zuletzt aufgrund der deutlich gestiegenen Realverzinsung.

Währungsstrategie

Der Schweizer Franken hat eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit gezeigt. Faktoren wie ein robustes wirtschaftliches Umfeld und die Tatsache, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit der aktuellen Bewertung des Frankens «leben kann», haben zu dieser beeindruckenden Performance beigetragen. Die Frage ist nun, wie die SNB auf einen stärkeren Franken reagieren wird, wenn sich die Inflations- und Konjunkturlage ändert. Die jüngste Entscheidung, den Leitzins unverändert zu belassen, war ein deutlicher Verweis auf die veränderten Inflationsaussichten. In dieser Hinsicht bleibt die künftige Entwicklung der Schweizer Valuta für Investorinnen und Investoren wie auch die SNB von entscheidender Bedeutung.

Alternative Anlagen

Angesichts der hohen Unsicherheit könnte Gold als wünschenswertes «Übergewicht» angesehen werden. Da die Realzinsen jedoch steigen, entsteht auch Gegenwind für das Edelmetall, und wir ziehen es vor, unsere Allokation «neutral» zu halten. Im Allgemeinen halten wir an unserer neutralen Einschätzung für Alternative Anlagen fest

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