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Nachhaltigkeit

Philanthropie: Der Weg zu mehr Wirkung

Angesichts immer komplexer werdender globaler Herausforderungen erklären die Philanthropie-Experten Silvia Bastante de Unverhau und Oliver Karius, wie sich Familien und Fördernde an die neuen Bedingungen anpassen können - und warum langfristiges Denken wichtiger denn je ist.

  • von Katharina Bart, LGT Private Banking
  • Datum
  • Lesezeit 5 Minuten

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Philanthropie im Wandel: Wirkung entsteht dort, wo strategisches Handeln auf echte Partnerschaft und langfristiges Engagement trifft. © Roberto Moiola/Sysaworld/Getty Images

Zusammenfassung

  • Die Philanthropie-Expertin Silvia Bastante de Unverhau unterstützt vermögende Familien dabei, ihr Engagement strategisch und werteorientiert auszurichten.
  • Der Philanthropie-Experte Oliver Karius arbeitet mit Organisationen zusammen, die mit skalierbaren Lösungen systemischen Wandel ermöglichen.
  • Während Staaten ihre Entwicklungshilfe kürzen, übernimmt Philanthropie zunehmend eine strategische Schlüsselrolle.
  • Gefragt ist ein systemischer Ansatz: Wirkung entsteht, wenn philanthropisches Kapital strukturelle Veränderungen ermöglicht.
  • Familien richten ihr Engagement heute stärker an Werten und Wirkung aus - nicht mehr nur an Leidenschaft.
  • Zukunftsfähige Philanthropie setzt auf Zusammenarbeit statt Wettbewerb - für nachhaltige Veränderung im grossen Stil.

Wie verändert sich die Rolle der Philanthropie angesichts der Tatsache, dass einige Länder gerade ihre Entwicklungshilfe reduzieren?

Silvia Bastante de Unverhau: Das sich wandelnde Umfeld verändert den Kontext, in dem Philanthropie agiert, und stellt ihre Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit in Frage. Die globalen Herausforderungen rufen uns dazu auf, die Zukunft der Hilfe neu zu gestalten und zu überdenken, wie wir das knappe philanthropische Kapital effizienter und effektiver einsetzen können.

Wie wirkt sich dieser Wandel vor Ort in den Bereichen aus, in denen LGT Venture Philanthropy tätig ist?

Oliver Karius: Die von uns unterstützten Organisationen treiben häufig vor Ort Innovationen an. Aber ihre Lösungen stossen auf systemische Hindernisse. Genau hier kann die Philanthropie eine impulsgebende Rolle übernehmen. Es geht nicht nur darum, Organisationen zu finanzieren, sondern vielmehr um Impulse, die das gesamte System zu verändern helfen. Dazu gehört auch eine viel gezieltere sektorübergreifende Zusammenarbeit - wir beobachten derzeit eine grosse Dynamik bei Kooperationen, die Philanthropie, öffentliche Einrichtungen und privates Kapital miteinander verbinden.

Silvia Bastante de Unverhau, Head Philanthropy Advisory, LGT Private Banking

Silvia Bastante de Unverhau

Silvia Bastante de Unverhau ist Leiterin von Philanthropy Advisory bei LGT Private Banking, wo sie vermögende Privatpersonen und Familien bei ihren philanthropischen Engagements berät. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung bei der Entwicklung von Philanthropiestrategien und Programmen und lehrt Philanthropie an der Universität Genf.

Silvia Bastante de Unverhau: Genau diese Veränderung sehen wir auch bei Philanthropinnen und Philanthropen. Vor zehn Jahren waren viele Engagements geprägt von Leidenschaft und dem Wunsch, Gutes zu tun. Heute liegt der Fokus viel stärker auf der Wirkung: Wie kann man skalieren, wie kann man mehr Mittel einwerben und wie lässt sich eine langfristige Wirkung erzielen?

Wie sieht Veränderung auf Systemebene in der Praxis aus? 

Oliver Karius: Unmittelbar nach dem Bürgerkrieg in Liberia waren mehr als 40 zersplitterte, von NGOs geleitete Programme für Mitarbeitende der Gesundheitsversorgung in den Gemeinden im Einsatz - ebenso fragmentiert agierten die Geldgeberinnen und -geber. Gesundheitsfördernde Programme gab es zwar schon seit Jahrzehnten, aber die Gesundheitshelferinnen und -helfer erhielten oft nicht die Unterstützung, die sie für eine erfolgreiche Arbeit benötigten. Zudem gab es in Subsahara-Afrika nur wenige Beispiele für Programme, die landesweit skaliert wurden.

Das änderte sich, als Last Mile Health eine Partnerschaft mit den liberianischen Ministerien für Gesundheit und Finanzen einging und gemeinsam mit vier weiteren NGOs ein einheitliches nationales Programm entwickelte - mit einem Lehrplan, einer Lieferkette, einem Datensystem, einer Aufsichtsstruktur und einem einheitlichen Ansatz zur Vergütung des Gesundheitspersonals. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung sanken von 2014 bis 2024 von USD 16 auf USD 8 pro Person. LGT Venture Philanthropy war ein früher Unterstützer von Last Mile Health, das heute eine führende Rolle bei der Stärkung von Programmen für das Gesundheitspersonal in 16 afrikanischen Ländern spielt. So sieht Veränderung auf Systemebene aus.

Angesichts so vieler dringender, miteinander verknüpfter Herausforderungen - wie sollten Philanthropinnen und Philanthropen entscheiden, worauf sie sinnvollerweise ihren Fokus legen?

Silvia Bastante de Unverhau: Sie brauchen eine Strategie - und Leidenschaft. Sobald sich jemand für einen Schwerpunkt entschieden hat, unterstützen wir dabei, das Kapital optimal einzusetzen. Oft bedeutet das, auf Bewährtem aufzubauen und Menschen mit praktischer Erfahrung vor Ort aufmerksam zuzuhören. Wir raten Fördernden immer dazu, sich zunächst folgende Frage zu stellen: Wo wird die Finanzierung am dringendsten benötigt und wo kann sie den grössten Unterschied machen?

Oliver Karius, CEO, LGT Venture Philanthropy

Oliver Karius

Oliver Karius ist Geschäftsführer der LGT Venture Philanthropy Foundation, der er bereits seit ihrer Gründung im Jahr 2007 angehört. Ausserdem leitet er das Umwelt-Portfolio der Stiftung und ist Mitglied in mehreren Vorständen von Portfolio-Organisationen. Oliver Karius verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Bereichen Venture Philanthropy, Nachhaltigkeit und Impact Investing auf dem afrikanischen Kontinent und in Indien.

Oliver Karius: Philanthropie beginnt im Herzen - dann kommt der Verstand und danach das Portemonnaie. Es ist eine Reise, kein Produkt. Und sie funktioniert nur, wenn sie auf Vertrauen basiert. Das ist es, worum es beim Ansatz von LGT Venture Philanthropy wirklich geht: Präsenz zeigen, zuhören und lange genug bleiben, um etwas zu bewirken. Das dadurch gewonnene Vertrauen ermöglicht uns, in Krisenzeiten schnell zu handeln.

Können Sie ein weiteres Beispiel dafür nennen, wie dieser Ansatz in der Praxis umgesetzt wird? 

Oliver Karius: Educate Girls ist eine gemeinnützige Organisation in Indien, die Mädchen in ländlichen Gebieten dabei unterstützt, Zugang zu Bildung zu erhalten und den Schulbesuch nicht abzubrechen. Wir gehörten 2011 zu den ersten institutionellen Unterstützern. Seitdem ist die Organisation stark gewachsen und erreicht inzwischen 40 % der schulpflichtigen, aber nicht eingeschulten Mädchen in Indien. Kürzlich wurde sie mit dem Ramon-Magsaysay-Preis 2025, dem asiatischen Nobelpreis, ausgezeichnet. Wichtiger als die Anerkennung ist jedoch die Wirkung. Für uns zeigt das, was man erreichen kann, wenn man massgeschneiderte Finanzierungen, strategische Unterstützung und echte Partnerschaft über einen längeren Zeitraum hinweg kombiniert.

Wie können Philanthropinnen und Philanthropen ihre Werte in konkrete Massnahmen umsetzen?

Silvia Bastante de Unverhau: Werte sind zutiefst persönlich, und viele Menschen richten ihre philanthropischen Ziele an ihren eigenen Lebensgeschichten aus. Immer mehr Familien beginnen, Vermögen ganzheitlich zu betrachten - es geht ihnen nicht nur darum, wie es investiert wird, sondern auch darum, wie es entsteht, ausgegeben, gespendet und schliesslich weitergegeben wird. Diese Reflexion eröffnet kraftvolle generationenübergreifende Gespräche, insbesondere darüber, wie Kapital mit Werten in Einklang gebracht werden kann.

Silvia Bastante de Unverhau, Head Philanthropy Advisory, LGT Private Banking
Silvia Bastante de Unverhau berät Familien dabei, Kapital mit persönlichen Werten zu verbinden - über Generationen hinweg. © Luca Donati

Wie eine unserer aktuellen Studien zeigt, möchten viele Familien inzwischen sicherstellen, dass ihre Investitionen nicht im Widerspruch zu ihren philanthropischen Zielen stehen. Die meisten wollen nicht mit einer Hand gegen den Klimawandel kämpfen und ihn mit der anderen Hand finanzieren. Wir beobachten, dass solche Bestrebungen zunehmen - allerdings erfordern sie eine andere Art von Familiengesprächen.

Family Governance

Ihr Vermögen und Ihre Werte erfolgreich weitergeben

Familien verändern sich im Laufe der Zeit. Oft sind sie mit Umbrüchen im Umfeld konfrontiert. Erfolgreiche Familien wie unsere Eigentümerin, die Fürstenfamilie von Liechtenstein, schaffen es trotzdem, Familienvermögen und Familienwerte über Generationen hinweg zu erhalten und zu entwickeln. Die Basis dafür sind Grundsätze und Leitlinien, welche die Familie gemeinsam erarbeitet hat, sowie ein gemeinsames Verständnis ihrer Werte und Ziele. Dafür steht der Begriff Family Governance.

Als Kundin oder Kunde der LGT können Sie von der breiten Erfahrung profitieren, die das Fürstenhaus von Liechtenstein im Laufe der Jahrhunderte in der erfolgreichen Weitergabe von Vermögen, Unternehmen und Werten gesammelt hat.

Oliver Karius: Wir erleben gerade die grösste Vermögensübertragung der modernen Geschichte. Familien, die sich frühzeitig engagieren - unter Einbeziehung von Ehe- und Lebenspartnerinnen und -partnern und Kindern -, nutzen Philanthropie oft als Mittel, um Werte und Vermögen weiterzugeben. Sie wird zu einer Art Bindemittel.

Wir unterstützen dies durch Initiativen wie die LGT Next Generation Academy und Learning Journeys. Wenn Familien unsere lokale Partner in Ostafrika besuchen und sich vor Ort ein Bild von der Arbeit machen können, hilft dies der nächsten Generation zu verstehen, wie komplexer Wandel tatsächlich aussieht. Solche intensiven Erfahrungen sind eine der wirkungsvollsten Methoden, um zu lernen.

Silvia Bastante de Unverhau: Wenn sich die erste Generation von Vermögenden philanthropisch engagiert, setzen ihre Kinder dies in der Regel fort. So werden Werte weitergegeben und es entsteht Kontinuität über Generationen hinweg.

Unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrem philanthropischen Ansatz?

Silvia Bastante de Unverhau: Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Wahrnehmung von Risiken. In der Finanzwelt ist Risiko eine zentrale Kennzahl - in der Philanthropie hingegen definieren es Männer und Frauen oft unterschiedlich. Viele Frauen betrachten grosse philanthropische Entscheidungen nicht als riskant im herkömmlichen Sinne. Für sie besteht das eigentliche Risiko eher darin, nicht aktiv zu werden. Dies macht deutlich, dass sowohl die Finanzbranche als auch die Philanthropie sich noch an unterschiedliche Perspektiven anpassen müssen.

Welche Veränderung würden Sie sich im philanthropischen Sektor am meisten wünschen?

Silvia Bastante de Unverhau: Ich wünsche mir, dass sich der Wandel von der Frage "Wer bekommt die Wirkung zugeschrieben?" hin zu "Wie kann ich beitragen?" weiter fortsetzt und wir uns noch mehr von Konkurrenz weg- und auf Zusammenarbeit zubewegen. Nur so können wir eine wirklich nachhaltige Wirkung erzielen. Je weniger wir versuchen, Erfolge für uns zu beanspruchen, und je mehr wir uns fragen, welchen Beitrag wir leisten können, desto besser werden die Ergebnisse sein.

Oliver Karius, CEO, LGT Venture Philanthropy
Oliver Karius setzt auf Zusammenarbeit statt Wettbewerb - und darauf, Wirkung gemeinsam möglich zu machen. © Luca Donati

Oliver Karius: Ich hoffe, dass sich die Philanthropie weniger darauf konzentriert, nach der nächsten glänzenden Lösung zu suchen, sondern stärker darauf, das auszubauen und zu stärken, was bereits funktioniert. Zusammenarbeit ist dabei entscheidend. Wenn wir das gut machen, machen wir uns letztlich überflüssig - weil das Problem dann gelöst ist.

LGT Philanthropy Advisory

Einen positiven Beitrag leisten

LGT Philanthropy Advisory unterstützt Philanthropinnen und Philanthropen in allen Phasen des Prozesses - von der Entwicklung einer Vision bis hin zur Skalierung der Wirkung. Das Team berät sowohl erfahrene Philanthropinnen und Philanthropen als auch solche, die erst beginnen, sich mit ihrem Vermögen für Umwelt und Gesellschaft einzusetzen. Ausserdem ermöglicht das Netzwerk von Philanthropy Advisory, sich mit Gleichgesinnten und Expertinnen sowie Experten auszutauschen und voneinander zu lernen.

LGT Venture Philanthropy

Partnering locally to build resilient communities and healthy ecosystems

LGT Venture Philanthropy (LGT VP) ist eine 2007 gegründete unabhängige Stiftung der LGT Group. Sie unterstützt lokal verankerte Organisationen, die effektive und skalierbare Lösungen für systemische Herausforderungen entwickeln, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Umwelt in Subsahara-Afrika und Indien. LGT VP stellt flexible, mehrjährige Kernfinanzierungen bereit, bietet strategische Unterstützung und baut langfristige Partnerschaften auf, um Zusammenarbeit zu fördern, Wirkung zu verstärken und nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.

Im Rahmen des LGT Impact Fellowship bringen Fachleute aus aller Welt ihr Know-how ein, um die Partnerorganisationen der Stiftung zu unterstützen. Seit ihrer Gründung hat LGT VP über 83 Organisationen gefördert und 225 Fachleute vermittelt, was dazu beigetragen hat, das Leben von über 24 Millionen Menschen zu verbessern.

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