22. Dezember 2021
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Anleger sollten darauf achten, dass Unternehmen in verschiedenen Branchen unterschiedlich von der Inflation betroffen werden.
Bis vor kurzen war es in der entwickelten Welt während mehrerer Jahrzehnte sehr ruhig um das Thema Inflation. Wenn diese Gegenstand von Aufmerksamkeit wurde, dann deshalb, weil ein Abrutschen in ein disinflationäres Umfeld oder gar in Deflation befürchtet wurde. Wichtige Treiber für die anhaltend tiefe Inflation waren in den letzten Jahren:
Die aktuellen Dezember-Inflationswerte von +6.8% in den USA und +4.9% im Euro-Raum lagen deutlich über den bescheidenen Durchschnittswerten der vergangenen Jahre, in den USA war es sogar der höchste Wert seit 1982 (siehe Grafik 1). Selbst die Schweiz verzeichnete mit +1.5% für ihre Verhältnisse eine erhöhte Inflation. Dies lässt aufhorchen.
Mit der Corona-Pandemie wurden mehrere Steine ins Rollen gebracht, welche die Kräfteverhältnisse zwischen Angebot und Nachfrage deutlich durcheinandergebracht haben. Die Ursachen für die neu aufkeimende Inflation liegen in einem komplexen Zusammenspiel aus mehreren Faktoren:
Als Folge des Auseinanderklaffens von Angebot und Nachfrage stiegen die Preise für Mangelware – z.B. Mikrochips – deutlich an. Transportkosten verteuerten sich in bisher ungeahntem Ausmass und die Lohnkosten für dringend benötigte Lastwagenfahrer schossen in die Höhe. Infolge der stockenden Fertigung der Neuwagen konnten beispielsweise Autovermieter wie Hertz oder Avis in den USA ihre Flotte nicht erneuern, weshalb sie die bestehenden Fahrzeuge länger nutzten. Dies verursachte wiederum Engpässe auf dem Gebrauchtwagenmarkt, worauf die Preise für Occasionsfahrzeuge in die Höhe schossen.
Der Aktienmarkt fühlt sich mit einer moderaten, stabilen Inflation am wohlsten. Historisch betrachtet werden in einem solchen Umfeld die höchsten Bewertungsmultiplikatoren bezahlt, weil die Verlässlichkeit der Gewinnschätzungen hoch und die Unsicherheit entsprechend tief ist. In einem Umfeld steigender Inflation wirken insbesondere drei Schlüsselfaktoren, zeitlich verzögert, negativ auf den Aktienmarkt ein:
Bei anziehender Inflation bergen zunächst oftmals Aktien von Unternehmen im Konsumsektor erhöhte Risiken. In der Verbrauchsgüterindustrie, beispielsweise bei Nahrungsmittelproduzenten, schlagen höhere Einkaufskosten für Kakao, Getreide und Verpackungsmaterial zu Buche. Im Gebrauchsgütersektor sind der traditionelle, personalintensive Einzelhandel, die Hotellerie und Gastronomie, im Industriesektor z.B. die Logistik überdurchschnittlich von steigenden Lohnkosten betroffen. Innerhalb dieser Sektoren sind Preissetzungsmacht und starkes Branding daher sehr wichtig, um Preiserhöhungen ohne nennenswerte Umsatzeinbussen durchsetzen zu können. Investoren sollten folglich auf Unternehmen mit starker Preissetzungsmacht setzen, welche hohe Umsätze pro Mitarbeiter erwirtschaften, einen hohen Zusatznutzen für ihre Kunden bieten und über eine starke Marke verfügen. Verhältnismässig immun gegenüber der Inflation sind Technologiekonzerne, Luxusgüterhersteller sowie Erdöl- und Energielieferanten.
Sobald allerdings die Zentralbanken die geldpolitischen Schrauben anziehen und die Zinsen steigen, verhält sich die Sachlage leicht anders. Dann büssen insbesondere Unternehmen aus sogenannt «reifen» Sektoren an Attraktivität ein. Solche Unternehmen weisen oft unterdurchschnittliche Wachstumsraten und überdurchschnittliche Dividendenzahlungen aus und gelten deshalb als «Anleihen-Ersatz». Zinssteigerungen bedeuten für solche Aktien, dass die «Überrendite» der Dividende relativ zu den Zinsen abnimmt. Betroffen sind unter anderem Aktien aus den Bereichen Versorger, Telekommunikation und teilweise auch aus dem Bereich Gebrauchsgüter. Des Weiteren kommen oft auch hoch bewertete Wachstumsunternehmen unter Druck, weil der Gegenwartswert ihrer zukünftigen Gewinne mit einem höheren Diskontfaktor abnimmt, sozusagen ein umgekehrter «Zinseszins-Effekt».
Es gibt aber auch Sektoren, die von steigenden Zinsen profitieren. Hierzu gehören insbesondere Finanzwerte wie Banken und Versicherungen, aber auch Unternehmen mit einem konstanten Dividendenwachstum, welche den «Dividendenvorteil» gegenüber dem Zins mindestens konstant halten und unter Umständen sogar kontinuierlich verbessern können.
Ist angesichts der aktuellen Inflationsentwicklung nun der Zeitpunkt gekommen, wo Aktienanleger ihre Branchengewichtung massiv anpassen sollten? Wir sind der Meinung, dass aktuell nicht der Zeitpunkt für das Eingehen extremer Positionen ist. Ein moderates Übergewicht in Finanzwerten scheint angebracht, während in den anderen Sektoren auf die Qualitätsmerkmale einer starken Marke, eines hohen Zusatznutzens und entsprechend hoher Preissetzungsmacht zu achten ist. Auch wenn der Inflationsdruck insgesamt noch länger anhalten dürfte, sind wir der Meinung, dass die höchsten Preissteigerungsraten in Sichtweite sind, und dass danach eine moderate Entspannung einsetzen sollte. Gründe dafür sind die folgenden:
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