The Strategist

Langfristige Anpassung

Vor dem Ausbruch der Coronakrise waren die führenden Notenbanken mit deflationären Tendenzen konfrontiert. Nun müssen sich die Marktteilnehmer auf ein Umfeld einstellen, das von höherem Preisdruck geprägt sein wird. Diese Anpassung wird nicht allen Unternehmen gelingen.

Datum
Autor
Thomas Wille
Lesezeit
10 Minuten
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Die Vereinigten Staaten und Europa kämpfen mittlerweile bereits über zwei Jahre gegen die höchsten Inflationsraten seit den Siebzigerjahren. Davor sah sich vor allem die Eurozone mit deflationären Tendenzen konfrontiert und erreichte zwischen der globalen Finanzkrise und der Covid-19-Pandemie nur knapp das von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebte Inflationsziel von 2%. Kein Wunder also, dass sowohl die EZB als auch die US-Notenbank (Fed) lange mit Zinserhöhungen gewartet haben. Heute wissen wir, dass beide zu lange gewartet haben.

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Globalisierung dämpfte den Preisdruck

Die G7-Nationen kämpften nicht erst seit der globalen Finanzkrise gegen deflationäre Tendenzen, sondern bereits seit Ende der Neunzigerjahre. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die Globalisierung. So trugen die Gründung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA (1994) sowie der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO (2001) zu einer deutlichen Dämpfung der weltweiten Lohninflation bei. Mehr als eine Milliarde Chinesen sind inzwischen in den globalen Arbeitsmarkt integriert worden, was enorme Auswirkungen hatte. Beispielsweise lag die Kerninflationsrate für Güter in den USA zwischen 1997 und 2019 bei nur 0.04% pro Jahr. In den Siebzigerjahren notierte sie hingegen mehrheitlich auf über 3% pro Jahr, zweimal sogar über 10%. Aus unserer Sicht haben diese Globalisierungseffekte in den letzten Jahren stark abgenommen und werden auch nicht mehr zurückkehren.

Konsequenzen der Energiewende

Aufgrund des Klimawandels wird in den kommenden Jahren weltweit eine tiefgreifende Energiewende stattfinden müssen. Eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey rechnet bis 2050 mit einem Investitionsvolumen von rund 275 Billionen US-Dollar, was durchschnittlich jährlichen Ausgaben von 7.5% der globalen Wirtschaftsleistung entspricht. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) geht von einem Investitionsvolumen von über 100 Billionen US-Dollar in den kommenden Jahrzehnten aus, wobei die Zahlen je nach Studie und Betrachtungszeitraum mitunter stark variieren können. Bereits heute steht aber fest, dass die Energiewende tendenziell inflationär wirkt, wenn auch nicht in der Kernrate, so doch in der Gesamtinflationsrate.

Aktien bieten partiellen Inflationsschutz

Auf lange Sicht stellt sich für Anleger die Frage, welche Anlageklassen eine möglichst hohe risikoadjustierte reale Rendite erzielen. Mittel- bis langfristig bieten Aktien einen gewissen Inflationsschutz, denn in der Regel besteht eine sehr enge Korrelation zwischen dem Umsatzwachstum der Unternehmen und dem nominalen Wirtschaftswachstum. Doch die langfristige Anpassung an das sich wandelnde Umfeld - weniger deflationäre Tendenzen und anhaltender Preisdruck - ist eine Herausforderung, die nicht alle Unternehmen gleich gut bewältigen werden. Wir sind daher davon überzeugt, dass die Aktienselektion in den kommenden Jahren einen Mehrwert im Portfolio generieren kann.
 

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