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Market View & Insights
Es geht gar nicht darum, den Markt zu schlagen und möglichst grosse Gewinne zu erzielen. Und wer die gröbsten Anlagefehler vermeidet, hat schon viel gewonnen. Das sagt Martin Weber, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Mannheim - und erklärt, wie Anlegerinnen und Anleger langfristig besser investieren.
Laut Finanzmarktexperte Martin Weber handeln viele Anlegerinnen und Anleger zu viel - das schmälert die Rendite.
Der Versuch, den Markt zu schlagen, führt laut Weber oft zu Verlusten.
Diversifikation ist laut dem Professor der Schlüssel zu einer soliden Anlagestrategie.
Wer laut dem Finanzwissenschaftler langfristig denkt und psychologische Fallen meidet, ist klar im Vorteil.
Wer investiert, trifft Annahmen über die Zukunft. Das Problem liegt darin, dass die zukünftige Entwicklung der Finanzmärkte unsicher ist. Man kann also nicht vorhersagen, ob beispielsweise der Börsenkurs einer einzelnen Aktie steigen oder fallen wird. Vielen Leuten fällt es schwer, mit diesem Umstand richtig umzugehen.
Der Wichtigste: Sie handeln zu viel. Das ständige Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren wirkt sich erfahrungsgemäss negativ auf die Rendite aus. Dies aus zwei Gründen: Zum einen, weil mit jeder Börsentransaktion Gebühren und Steuern anfallen. Zum anderen, weil Anlegerinnen und Anleger in der Regel zum falschen Zeitpunkt kaufen und verkaufen - und dadurch Geld verlieren.
Menschen unterliegen bei der Geldanlage einer Vielzahl psychologischer und emotionaler Fallstricke. Insbesondere überschätzen sie sich. Befragt man Autofahrerinnen und -fahrer nach ihren Fahrkünsten, ist regelmässig eine Mehrheit der Meinung, dass sie überdurchschnittlich gut fahren können. Das ist aber rein mathematisch gar nicht möglich. Die gleiche Selbstüberschätzung findet sich beim Anlegen: Manche sind davon überzeugt, schlauer als alle anderen zu sein und die Entwicklung von Börsenkursen besser prognostizieren zu können. Im Fachjargon spricht man davon, "den Markt schlagen zu können", also eine Rendite zu erzielen, die über derjenigen des Gesamtmarkts liegt.
Man kauft beispielsweise die Aktien des Unternehmens X, das eine vielversprechende Neuerung lanciert hat, weil man davon ausgeht, dass der Aktienkurs davon profitieren wird. Oder man verkauft die Aktie Y, weil deren Kurs stark gefallen ist und man befürchtet, dass dieser noch weiter sinken könnte. Angst und Gier sind bekanntlich starke Treiber. Die Angst, Geld zu verlieren, sowie die Gier nach möglichst hohen Gewinnen. Wenn die Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger diesem Herdenverhalten unterliegen, kommt es zu den bekannten Übertreibungen an den Börsen. Am Ende stellen sich die Prognosen meist als falsch heraus. Mit der Folge, dass man bei zu hohen Kursen gekauft und bei zu tiefen Kursen verkauft hat.
Untersuchungen zeigen, dass nicht-professionelle Anlegerinnen und Anleger rund 1 bis 2 % schlechter als der Marktdurchschnitt abschneiden. Und auch beim professionellen Investieren und Fondsmanagen gelingt es nach Abzug der Kosten und unter Berücksichtigung der eingegangenen Risiken in der Regel nicht, den Markt zu schlagen - zumindest nicht über eine längere Zeitdauer. Diese Zahlen stehen im Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Finanztheorie, wonach sich Aktienkurse zufällig entwickeln und deshalb nicht prognostizierbar sind. Wenn aber Aktienkurse nicht prognostizierbar sind, dann liefern professionelle Finanzanalysen und ausgeklügelte Anlagestrategien kaum Mehrwert.
Es gab eine Zeit, wo auch ich geglaubt habe, dass sich mit gewissen Strategien Überrenditen erzielen lassen. Beispielsweise mit der Momentum-Strategie, welche davon ausgeht, dass Aktien mit einer starken Performance in der Vergangenheit den Aufwärtstrend zumindest kurzfristig fortsetzen. Mittlerweile musste ich umdenken: Es hat sich gezeigt, dass dies jeweils nur in bestimmten Börsenphasen zutrifft. Das heisst: Ausserhalb dieser Zeiträume kann auch eine unterdurchschnittliche Rendite eintreten. Und was noch schlimmer ist: Diese Börsenphasen kann man nicht vorhersagen.
Wissenschaftlich lässt sich ein Phänomen wie Warren Buffett nicht befriedigend erklären. Er scheint eine der wenigen Ausnahmen zu sein, die den Schlüssel zur langfristigen Überrendite gefunden haben. Gerade im laufenden Jahr sieht es aber so aus, als hätte auch ihn das Glück verlassen. Folgendes sollte man bedenken: Im Nachhinein kann man solche Ausnahmetalente einfach identifizieren.
Die Kunst liegt aber darin, die wenigen Buffetts dieser Welt im Voraus zuverlässig zu identifizieren. Es gibt hierzu eine aufschlussreiche Anekdote, wonach er seiner Frau empfohlen habe, nach seinem Tod die Aktien seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway zu verkaufen und den Erlös zu zehn Prozent in Regierungsanleihen sowie den Rest in Indexfonds zu investieren.
Strategisch. Hierzu sollte man sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, wie viel Risiko man objektiv tragen kann und subjektiv ertragen will. Grob ausgedrückt gibt das Risikoprofil die Anlagestrategie, also die Aufteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen, vor. Wichtig ist vor allem, welchen Teil seines Vermögens man in Aktien als risikoreichste Anlageklasse investieren will.
Langfristig denken - nicht bei jeder Marktbewegung umschichten.
Als Zweites sollte man die Demut aufbringen, zu erkennen, dass man nicht schlauer als alle anderen ist. Dann erkennt man nämlich auch, dass ständiges Handeln wenig bringt - ausser unnötige Kosten und das Risiko von Fehlinvestitionen. Wer aufhört, den Markt schlagen zu wollen, investiert am besten in kostengünstige Indexfonds und berücksichtigt dabei verschiedene Anlageklassen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also in der Diversifikation.
Das Konzept der Diversifikation beruht darauf, Anlagen zu tätigen, deren Kursverläufe beziehungsweise Renditen möglichst gegenläufig sind. Verluste auf einem Titel oder in einer Anlageklasse werden dann durch Gewinne in anderen Titeln oder Anlageklassen kompensiert. In der Fachsprache nennt man dies eine niedrige Korrelation. Kennt man die erwarteten Renditen und gegenseitigen Korrelationen sämtlicher Anlagen, lässt sich mit genügend Computerkapazität ein mathematisch optimal diversifiziertes Portfolio konstruieren. Das Schöne dabei: Durch Diversifikation kann man das Anlagerisiko reduzieren, ohne auf Rendite verzichten zu müssen.
Das ist richtig. In der Praxis genügt zum Glück ein einfacheres Vorgehen, um von den Diversifikationsvorteilen zu profitieren. Es ist schon viel erreicht, wenn man die grössten Klumpenrisiken vermeidet. Wer abhängig vom persönlichen Risikoprofil einen kleineren oder grösseren Teil des Vermögens in Aktien investiert und den Rest beispielsweise gleichmässig und breit diversifiziert auf Anleihen, Immobilien und Rohstoffe aufteilt, kann mit relativ wenig Aufwand zwar nicht das optimale, aber schon ein recht gutes Portfolio aufbauen.
Wenn das Portfolio steht, sollte man langfristig denken und der Versuchung widerstehen, dieses ständig umschichten zu wollen. Umschichtungen sind nur sinnvoll bei einem Vermögenszufluss beziehungsweise -abfluss, wenn sich das eigene Risikoprofil verändert hat oder wenn aufgrund von Marktbewegungen das Portfolio nicht mehr der gewünschten Anlagestrategie entspricht.
Es ist zwar nicht ganz einfach, aber auch nicht so kompliziert, wenn man pragmatisch vorgeht. Ich bin der Meinung, dass bei der Ermittlung des Risikoprofils oder bei der Beurteilung verschiedener Anlageprodukte eine neutrale und kompetente Beratung sehr hilfreich sein kann, aber auch bei steuerlichen Fragen oder wenn es darum geht, sein Portfolio an geänderte Lebensumstände anzupassen.
Zur Person
Martin Weber ist Seniorprofessor an der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim und beschäftigt sich in seiner Forschungstätigkeit mit der Modellierung der Psyche in finanziellen Situationen. Er untersucht, wie finanzielle Entscheidungen zustande kommen. In seinem Buch "Genial einfach investieren" erklärt er, warum bei der Geldanlage allein ökonomische Vernunft zum Erfolg führt und welche psychologischen Fallstricke Anlegerinnen und Anleger daran hindern, eine sinnvolle Investmentstrategie umzusetzen.