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Anlagestrategien

Die transformative Kraft der industriellen Automatisierung

Fortschritte in der Automatisierung und Robotik helfen produzierenden Unternehmen bei der Bewältigung globaler Herausforderungen.

Datum
Autor
Tobias Aellig, Senior Equity Analyst, LGT Private Banking
Lesezeit
5 Minuten

Vier Roboterarme arbeiten an einer Anlage, im Hintergrund laufen weitere automatisierte Prozesse.
Die Automatisierung treibt industrielle Prozesse voran - ein Wachstumsfeld für Investorinnen und Investoren, schreibt Tobias Aellig von LGT Private Banking. © Shutterstock/IM Imagery

Die industrielle Automatisierung ist einer der wichtigsten Treiber unserer Zeit. Zahlreiche globale Herausforderungen wie der demografische Wandel, die Rückverlagerung der Produktion ins Inland und zunehmend komplexe Produktionsverfahren lassen sich mit ihrer Hilfe leichter bewältigen.

Was genau ist aber unter Automatisierung zu verstehen? Eine klare Definition lautet: Der Einsatz von Technologie, Maschinen, Systemen oder Prozessen, um Aufgaben mit einem Minimum an menschlichem Eingreifen auszuführen, mit dem übergeordneten Ziel, die Effizienz, Konsistenz und Sicherheit zu verbessern und gleichzeitig die menschliche Arbeitsbelastung zu verringern.

Länder mit einer grossen Industrieproduktion wie China, die USA, Deutschland und Japan sind bereits mit einem demographisch bedingten Rückgang der arbeitenden Bevölkerung konfrontiert, was die Aufrechterhaltung arbeitsintensiver Produktionssysteme zunehmend erschwert. Da der demografische Wandel die Arbeitsverhältnisse, die Löhne und Gehälter sowie die Produktivität beeinflusst, wird die Automatisierung zu einem immer wichtigeren Instrument im Kampf gegen den Fachkräftemangel und die steigenden Betriebskosten.

Automatisierung als Lösung für industrielle Herausforderungen

Während und nach der Pandemie sind einige Nachteile der Globalisierung sehr deutlich geworden - beispielsweise die starke Konzentration auf wenige Produktionsstandorte für bestimmte Schlüsselkomponenten wie Halbleiter. Zugleich führen die Verschärfung der geopolitischen Spannungen und die Intensivierung der Handelskonflikte dazu, dass Regierungen und Unternehmen nun wieder vermehrt auf Produktionsanlagen im Inland setzen. Vor allem in Hochlohnländern ist die Automatisierung ein wichtiges Instrument, um die inländische Produktion kosteneffizienter zu gestalten.

Ein Bildschirm zeigt einen Mann in Anzug und Krawatte, der spricht, während im Vordergrund Menschen im Dunkeln
"America first": Vor dem Hintergrund zunehmender Handelskonflikte setzen Regierungen und Unternehmen wieder verstärkt auf inländische Produktionsanlagen. © Keystone/Michael Buholzer

Gleichzeitig nimmt die Komplexität der Produktion zu. Ein Faktor, der diese Entwicklung vorantreibt ist die Nachfrage nach "Mass Customisation" (Herstellung von individuellen Produkten mit den Vorteilen der Massenproduktion), da die Kundinnen und Kunden zunehmend nach individualisierten, hochwertigen Produkten verlangen, die auch rasch geliefert werden sollen. Die Automatisierung erleichtert flexible Fertigungsprozesse mit Produktionslinien, die sich rasch und ohne Effizienzverluste auf die Herstellung kleiner Mengen von individualisierten Produkten anpassen lassen.

Immer anspruchsvollere Nachhaltigkeitsziele, die immer engmaschiger überwacht werden, sowie die steigenden Anforderungen an die Compliance und Nachverfolgbarkeit, erhöhen die Komplexität zusätzlich. Die Automatisierung kann dazu beitragen, die betreffenden Prozesse zu verschlanken und zugleich den Ressourceneinsatz  zu optimieren.

Fertigungs- vs. Prozessautomatisierung: ein Vergleich

Es überrascht daher kaum, dass der Markt für Industrieautomation zu den rasch wachsenden Märkten gehört. Verschiedene unabhängige Schätzungen gehen davon aus, dass er derzeit 200 Milliarden US-Dollar wert ist und bis 2030 durchschnittlich eine hohe einstellige Wachstumsrate aufweisen dürfte.

Welche Art von Automatisierung gewählt wird und welche Produkte eingesetzt werden, hängt vom Herstellungsprozess ab. Es gibt zwei Hauptkategorien:

  • In der Fertigungsautomatisierung stehen Herstellungsprozesse im Mittelpunkt, die Einzelteile oder Produkte erzeugen, die zählbar sind und aus verschiedenen Komponenten bestehen. Dies gilt beispielsweise für den Automobilbau oder auch für Maschinen, elektronische Geräte und Spielzeug. Diese Produkte können zusammengebaut und zerlegt werden.
  • Die Prozessautomatisierung konzentriert sich auf Herstellungsprozesse, bei denen Rohstoffe gemischt, erhitzt, verarbeitet und kombiniert werden, um Produkte in grossen Mengen auf Basis von Formeln und Rezepten herzustellen. Zu diesen Gütern zählen etwa Flüssigkeiten, Gase, Chemikalien und Nahrungsmittel. Diese Prozesse werden häufig in Batches durchgeführt, wobei sich die Endprodukte nicht mehr einfach in ihre Bestandteile zerlegen lassen.

Selbstverständlich beschränkt sich die Automatisierung nicht auf diese beiden Kategorien. Zahlreiche Industrien setzen auf eine "hybride Automatisierung", die sowohl Elemente der Fertigungs- als auch der Prozessautomatisierung aufweist. Ein Beispiel ist eine Brauerei, die Bier herstellt, abfüllt und verpackt.

Vom Fliessband zur Raffinerie

Während die meisten Fertigungsprozesse Überschneidungen und damit hybride Aspekte aufweisen, sind einige Sektoren eher fertigungs- und andere eher prozessorientierter Natur. Der Herstellungsprozess bestimmt die benötigten Automatisierungsprodukte und die Endmärkte geben einen Hinweis auf die Art der Zyklizität im Konjunkturzyklus. Die Prozessautomatisierung (etwa im Energiesektor, zum Beispiel in der Öl- und Gasindustrie), weist tendenziell längere Zyklen mit umfangreicheren Projekten und längeren Lieferzeiten auf. Fertigungsorientierte Branchen (etwa die Automobilindustrie oder der Maschinenbau) haben tendenziell kürzere Zyklen und sind konjunktursensitiver. 

Ein Fahrzeug wird von zahlreichen Roboterarmen bearbeitet - die verschwommene Aufnahme vermittelt Dynamik und Bewegung.
Industrielle Automatisierung kommt nicht nur in der Automobilbranche in grossem Stil zum Einsatz, sondern oft auch in komplexen und gefährlichen Umgebungen, wie beim Umgang mit Gasen, Flüssigkeiten und Chemikalien. © Shutterstock/Jenson

Die Automobilindustrie ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für die Fertigungsautomatisierung. Von der Entwicklung des Fliessbands zur Fertigung des Ford "Model T" bis zur Einführung des ersten Roboterarms in den 1970er-Jahren haben die Automobilhersteller die industrielle Automatisierung vorangetrieben.

Aber auch in Prozessindustrien hat die Automatisierung einen zunehmend höheren Stellenwert: Sie steuert zum Beispiel den Fluss von Gasen, Flüssigkeiten und anderen Stoffen, insbesondere in komplexen und gefährlichen Umgebungen. Hier lassen sich mithilfe intelligenter Automatisierungssysteme die Qualität, die Konsistenz der Ergebnisse, die Sicherheit und die Produktivität verbessern. Solche Systeme tragen auch zur Minimierung der Stillstands- bzw. Ausfallzeiten in Prozessen bei, die häufig rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche laufen.

Schnell wachsender Markt für Industrieroboter

Laut der International Federation of Robotics (IFR) ist der Bestand an Industrierobotern zwischen 2017 und 2023 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 12 % gewachsen. Dies bedeutet, dass weltweit bereits über vier Millionen Roboter im Einsatz sind - mehr als doppelt so viele wie 2017.

Die wichtigsten Endmärkte für Neuinstallationen sind die Automobil- und die Elektronikindustrie. Die mit Abstand meisten Industrieroboter werden in China installiert, gefolgt von Japan, den USA, Korea und Deutschland, die zusammen rund 80 % der weltweiten Installationen ausmachen. Nach einer Verlangsamung des Wachstums in den Jahren 2023 und 2024 erwartet die IFR eine Rückkehr auf den Wachstumspfad mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum der Neuinstallationen von 4 % bis 2027.

"Cobots" und neue Chancen in der Robotik

Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter macht weiterhin rasante Fortschritte. Kollaborative Roboter unterstützen Arbeiterinnen und Arbeiter bei Aufgaben wie dem Heben schwerer Lasten, repetitiven Bewegungen oder Einsätzen in gefährlichen Umgebungen. Diese sogenannten "Cobots" machen rund zehn Prozent der neuen Roboterinstallationen aus und verzeichnen ein höheres Wachstum als traditionelle Roboter.

Ein Mann in Anzug und Krawatte lächelt in die Kamera.
Tobias Aellig, LGT Private Banking

Erwartungsgemäss verändert sich die Zukunft der Robotik auch mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Roboter funktionieren dank der Programme zur Steuerung ihrer Handlungen, die von Robotik-Ingenieurinnen und -Ingenieuren geschrieben werden. Die jüngsten Fortschritte auf dem Gebiet der KI beschleunigen die Programmierung, indem sie menschliche Sprache mithilfe von Large Language Models (LLMs) direkt in Programmiersprache übersetzen. Zudem führt der Einsatz von KI zu smarteren Robotern, die komplexere und weniger vorhersehbare Aufgaben ausführen können.

In jüngster Zeit haben Prototypen humanoider Roboter grosse Aufmerksamkeit erregt. Diese Universalroboter dürften ohne aufgabenspezifische Programme auskommen und damit profunde Änderungen in der Fliessbandproduktion herbeiführen. Ebenso dürften sie die Automatisierung in anderen Bereichen (z. B. im Gesundheitswesen) vorantreiben. Ihr Potenzial ist riesig und bis jetzt verzeichnen sie beeindruckende Fortschritte. Bis zu ihrer Einführung auf breiter Front ist allerdings noch weiteres KI-Training erforderlich; zudem sind die Herstellungskosten derzeit noch zu hoch. 

Branchenübergreifende Konvergenz

In den letzten Jahrzehnten gab es eine Konsolidierung im Markt für Automatisierungslösungen, wobei die Fortschritte in der Computertechnologie zu einer Konvergenz der in der Fertigungs- bzw. Prozessautomatisierung eingesetzten Kontrollsysteme geführt haben. Parallel zu dieser Entwicklung haben ursprünglich auf die Fertigung spezialisierte Automatisierungsunternehmen in die Prozessautomatisierung expandiert und umgekehrt, sodass die meisten grossen Anbieter heute in beiden Bereichen tätig sind.

Da die Möglichkeiten zur horizontalen Konsolidierung innerhalb der Branche inzwischen beschränkt sind, fokussieren sich grössere Unternehmen nun vermehrt auf Softwareanbieter. In einer modernen digitalen Fabrik, in der viele wertvolle Daten gesammelt werden, kann der Einsatz von Software weiteres Optimierungspotenzial freisetzen. Ferner trägt Software dazu bei, dass sich die physische und die digitale Welt immer mehr annähern. Zu diesem Zweck werden häufig digitale Zwillinge eingesetzt, mit deren Hilfe die Ingenieurinnen und Ingenieure Prozesse in der digitalen Welt entwerfen, modellieren und testen können.

Die Automatisierung ist bereits heute ein integraler Bestandteil zahlreicher industrieller Prozesse. Da sie sich immer weiter ausbreitet, bietet sich Anlegerinnen und Anlegern, die in Automatisierungs- und Robotikunternehmen investieren, die Chance, von der raschen Entwicklung in einem interessanten Bereich zu profitieren.

Marktinformationen unserer Research-Expertinnen und Experten

So sehen wir die Märkte

Die LGT Expertinnen und Experten analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Research-Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.

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