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Kunst schenken: Zuwendungen, die nicht vergehen

Auf dem Objektschild zu Kunstwerken in Museen oder Galerien steht oft "Geschenk von …" - ein Hinweis auf Personen, dank deren wir das Beste aus Kunst und Kultur erleben dürfen.

Datum
Autor
Sarah Murray, Gastautorin
Lesezeit
7 Minuten

Inmitten eines Waldes steht eine grosse Tempelanlage mit mehreren Gebäuden, rechts davon eine alles überragende weisse Statue.
Das 2019 in der Nähe von Tai Po, Hongkong, eröffnete Museum für Buddhistische Kunst im Tsz Shan Kloster beherbergt eine Sammlung, die zum grössten Teil vom Hongkonger Unternehmer Li Ka-shing gestiftet wurde. © Shutterstock/Gorma Kuma

Das Porträt in Saal 12 des Museu Picasso in Barcelona zieht unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich. Es zeigt einen Mann mit einem Stehkragen und einem federbesetzten Hut, wie ihn spanische Adlige im 16. Jahrhundert trugen.

Ein surrealistisches Portrait eines Mannes mit verzerrtem Gesicht, Brille, Hut und Rüschenkragen in gedämpften Farbtönen.
Brilliant und doch beunruhigend: Picassos Porträt von Sabartés © Succession Picasso/DACS, Bridgeman Images

Aber es ist kein Kunstwerk aus der Renaissance, sondern ein zeitgenössisches, das die Augen verwirrt. Das 1939 gemalte Porträt verzerrt das Gesicht des Abgebildeten: Es zeigt die Nase im Profil, die Lippen in Frontalansicht und die bebrillten Augen sind nach links verdreht. Der Effekt ist verstörend und vermittelt gleichzeitig die Komplexität eines Menschen: In einem einzigen Bild sehen wir die verschiedenen Seiten des Mannes.

Mit diesem Porträt zeigt Pablo Picasso sich in höchst experimenteller Stimmung. Er zerreisst die bis anhin geltenden künstlerischen Regeln - ganz so, wie er es mit den ebenfalls in den 1930er Jahren entstandenen Gemälden "Guernica" und den Porträts von Dora Maar tat. Aber die Bedeutung dieses Gemäldes geht noch weiter: Der Abgebildete ist Jaume Sabartés, ohne den es das Museu Picasso nicht geben würde.

Sabartés, Picassos Sekretär und Biograf, schenkte 1962 seine persönliche Sammlung an Werken des spanischen Künstlers der Stadt Barcelona unter der Bedingung, dass sie den Grundstock für ein dem Künstler gewidmetes Museum bilden sollte.

Zwei Männer in einem Atelier sitzen vor surrealistischen Gemälden, einer auf einem Stuhl, der andere auf einem Kissen am Boden.
Picasso (rechts) mit seinem Sekretär und Biographen Sabartés, der die Gründung des Museu Picasso in Barcelona initiierte. © Michel Sima. Succession Picasso/DACS, Bridgeman Images

Eine US-amerikanische Künstlerin und Sammlerin hingegen nahm die Ablehnung einer geplanten Schenkung zum Anlass, eine eigene Galerie zu gründen, die später zu einem bedeutenden Museum für amerikanische Künstler werden sollte. Die wohlhabende Kunstmäzenin und Bildhauerin Gertrude Vanderbilt Whitney hatte die mehr als 500 Werke ihrer Sammlung ursprünglich dem New Yorker Metropolitan Museum of Art angeboten. Als das Met sie ablehnte, richtete sie drei nebeneinanderliegende Häuser in der Innenstadt von Greenwich Village als Museum ein und stellte dort die Werke aus - das Whitney Museum of American Art war geboren.

Ein oft beschrittener Weg

Mit diesen Schenkungen folgten Sabartés und Whitney einer Tradition, die viele der grossen Kunstmuseen der Welt bereichert hat - man denke etwa an das Madrider Thyssen-Museum, das im ehemaligen Palacio de Villahermosa für die Sammlung von Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza eingerichtet wurde. 

Ein flaches dreieckiges Gebäude ragt mit der Spitze in einen Hafen. Es ist beleuchtet, dahinter stehen höhere Gebäude.
Punta della Dogana, Venedig © Thomas Mayer

Oder an die Sammlung Pinault in Venedig, die im Palazzo Grassi und in der Punta della Dogana einen Grossteil der Sammlung des französischen Milliardärs François Pinault zeigt und damit zu einem der weltweit führenden Museen für zeitgenössische Kunst gehört.

Die Werke der 1941 eröffneten National Gallery of Art in Washington D.C. stammen ausschliesslich aus privaten Schenkungen ihrer Gründungsstifter, von denen jeder über Sammlungen verfügte, denen jeweils ein eigenes Museum hätte gewidmet werden können. In Fortsetzung dieser Tradition erhielt Im Jahr 2014 erhielt die Galerie das Vermächtnis des Philanthropen Paul Mellon mit britischer und amerikanischer Kunst - eine der grössten Privatsammlungen, die jemals einem öffentlichen Museum geschenkt wurden.

Schwarz-Weiss-Gemälde mit abstrakten Formen, Punkten und Linien, die dynamische Veränderungen darstellen sollen.
Detail aus "Die Jugend hinter sich lassen", Wu Guanzhong, 2009 © Collection of Hong Kong Museum of Art

Oft werden Museen direkt von Künstlern mit ihren Werken beschenkt. So konnte das Hongkong Museum of Art (HKMA) dank Schenkungen des Malers Wu Guanzhong und seiner Familie im Laufe der Jahre einen bedeutenden Bestand an dessen Werken aufbauen. 

Der Begründer der modernen chinesischen Malerei vereinte westliche und östliche Einflüsse, wie den westlichen Stil des Fauvismus und den östlichen Stil der chinesischen Kalligrafie. Das HKMA verfügt heute über die weltweit grösste Sammlung von Werken Wu Guanzhongs.

Vermächtnisse und Leihgaben

Natürlich werden nicht immer ganze Sammlungen gestiftet. Hinter vielen Werken, die wir beim Besuch eines Kunstmuseums betrachten, stehen einzelne Schenkungen. Diese Zuwendungen gewinnen an Bedeutung, da die öffentlichen Mittel für die Kunst immer knapper werden.

Eine Frau mittleren Alters in dunkelblauem Kostüm und mit kurzen, dunkelblonden Haaren steht an einem Geländer in einem Museum.
Leihgaben können zu Schenkungen führen, so Sabine Haag. © Kunsthistorisches Museum Wien

Manche wählen dafür die Form des Vermächtnisses, bei dem Sammlerinnen und Sammler die Kunstwerke zu Lebzeiten in ihrem Haus aufbewahren können, in der Gewissheit, dass sie nach ihrem Tod an ein Museum übergeben werden. 

Im Kunsthistorischen Museum - dessen Sammlung der Habsburger wurde nach dem Sturz der Monarchie 1918 unter den Schutz der jungen Republik Deutsch-Österreich gestellt - haben beispielsweise mehrere Spender anlässlich der bevorstehenden Pensionierung von Sabine Haag nach 16 Jahren als Generaldirektorin des Museums solche Zusagen gemacht.

Die Fürstlichen Sammlungen

Das Fürstenhaus von Liechtenstein (die Eigentümerin der LGT) beherbergt in Österreich einen Grossteil der Kunstwerke aus den Fürstlichen Sammlungen. Im Gartenpalais und im Stadtpalais, beide in Wien, empfängt die Besucherinnen und Besucher eine Auswahl an Meisterwerken aus einer seit dem 16. Jahrhundert kontinuierlich aufgebauten Sammlung. Die mehr als 30'000 Objekte umfassende Sammlung mit bedeutenden Werken aus fünf Jahrhunderten europäischer Kunst - von Gemälden, Grafiken und Skulpturen über Porzellane, Möbel und Tapisserien bis hin zu historischen Jagdwaffen - ist eine der grössten privaten Kunstsammlungen der Welt.

Zwei schlanke, hohe, weiss-blaue Porzellanvasen mit Drachen- und Blumenmustern.
Die "David-Vasen" (1351) aus der Yuan-Dynastie. © British Museum

Ein erster Schritt für eine künftige Schenkung könne sein, eine Kunstsammlerin oder einen Sammler um eine vorübergehende Leihgabe zu bitten, so Haag. Wenn diese Person ihr Werk in einer Ausstellung wie der des Kunsthistorischen Museums hängen sehe, könne das einen bleibenden Eindruck hinterlassen. 

Manchmal werden langfristige Leihgaben zu Geschenken. Im November 2024 erhielt das British Museum in London die bisher grösste Schenkung: Die Sir Percival David Foundation überliess ihm ihre Sammlung von rund 1700 chinesischen Keramiken im Wert von 1 Milliarden GBP. Es ist die bislang wertvollste Schenkung von Kunstwerken an ein britisches Museum.

Von der Entscheidung bis zur Ausstellung

Ob es sich um eine kurzfristige Leihgabe, eine Dauerleihgabe oder direkte Schenkung handelt: Bis ein Kunstwerk in einem Museum oder einer Ausstellung zu bestaunen ist, müssen sowohl Spendende als auch Begünstigte eine Reihe komplexer Entscheidungen treffen. Der erste Schritt besteht darin, dass die Stiftenden sich die richtigen Fragen stellen. Eine der wichtigsten Fragen ist, was mit der Schenkung erreicht werden soll, sagt Jean Paul Warmoes, Vorstandsvorsitzender von Myriad USA, dem amerikanischen Zweig der Brüsseler König-Baudouin-Stiftung.

Eine Kupfertafel zeigt eine Szene, in der ein Mann von anderen Männern gesteinigt wird, die um ihn herum sehen.
"Die Steinigung des heiligen Stephanus", gestiftet von Simon Schama und Dr. Virginia Papaioannou. © Rijksmuseum Amsterdam

Myriad USA, zu deren philanthropischen Dienstleistungen auch die Unterstützung von Menschen gehört, die ihre Kunstwerke oder Sammlungen an Institutionen im Ausland spenden möchten, half kürzlich dem Historiker, Schriftsteller, Kunstkritiker und Fernsehmoderator Sir Simon Schama und der führenden Genetikerin Dr. Virginia Papaioannou dabei, dem Amsterdamer Rijksmuseum eine kleine Rembrandt-Kupferstichplatte zu übertragen, die das Paar seit den 1990er Jahren besass. Die beiden wollten die Platte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen, waren aber auch der festen Überzeugung, dass das Werk in das Land zurückgebracht werden sollte, in dem es geschaffen wurde.

Natürlich besitzt nicht jeder einen Rembrandt, und es ist nicht immer damit zu rechnen, dass grosse Museen weniger bedeutende Werke übernehmen. Eine Ausnahme sind Arbeiten, die eine spezifische Lücke in der Sammlung füllen oder das Verständnis für den Künstler, das Werk oder die historische Epoche in der Präsentation des Museums erweitern. Das Kunsthistorische Museum in Wien besitzt zum Beispiel bereits zwölf Werke von Pieter Bruegel dem Älteren. "Wenn uns ein dreizehntes als Schenkung angeboten würde, würden wir prüfen, ob es unser Forschungswissen erweitert", sagt Haag.

Doch auch wenn eine renommierte Institution das Kunstwerk eines Spenders oder einer Spenderin annimmt, wird es nicht immer ausgestellt. "Wenn Sie das Werk an eines der führenden internationalen Museen geben, riskieren Sie, dass es längere Zeit im Lager verbringt", sagt Warmoes. In einem kleineren Museum hingegen könnte das Werk eher Teil der ständigen Sammlung werden. "Regionale Museen haben einen Bildungsauftrag", erklärt er, "und sie dienen der lokalen Gemeinschaft, die stolz auf ihr Erbe und ihre Kultur ist."

Schwierige Entscheidungen treffen

Ein Gemälde zeigt einen riesigen, spiralförmigen Turm im Bau, umgeben von Arbeitern und einer mittelalterlichen Stadt.
Bruegels monumentales Gemälde "Der Turmbau zu Babel" (1563), eines von zwölf Werken des flämischen Meisters im Kunsthistorischen Museum in Wien. © KHM-Museumsverband

Spenderinnen und Spender sollten sich auch darüber im Klaren sein, dass Museen vor der Annahme eines Werks äusserste Vorsicht walten lassen. Jedes potenzielle Geschenk wird einer umfassenden rechtlichen und künstlerischen Due-Diligence-Prüfung unterzogen, um seine Herkunft zu bestätigen. Zudem muss es den historischen und künstlerischen Zielen der Institution entsprechen - Haag nennt dies den "Erzählfaden der Sammlung" - und den formalen Aufnahmebestimmungen entsprechen.

"Die Kunstliebhaberinnen und -liebhaber denken vielleicht, dass ein Museum ihre Kunstwerke unbedingt haben möchte", sagt die Spezialistin für Kunstrecht Amanda Gray. "Aber diese müssen sorgfältig abwägen, was sie erwerben."

Ein Museum, erklärt die Partnerin bei der britischen Anwaltskanzlei Mishcon de Reya, werde sich überlegen, ob das Kunstwerk in den künstlerischen oder historischen Schwerpunkt seiner Sammlung und in die momentane kulturelle Stimmung passe. "In den letzten Jahren wurde viel darüber nachgedacht, welche Arten von Kunstwerken in Ausstellungen und Sammlungen aufgenommen werden sollen und ob und ob diese den Vorstellungen des Museums von Vielfalt und Repräsentation entsprechen", sagt sie.

Darüber hinaus müssen die Museen sehr genau auf die Herkunft der Kunstwerke achten und die Eigentumsrechte prüfen, damit es bei einer Übertragung nicht zu Komplikationen kommt.

Warnsignale leuchten bei Werken aus Elfenbein, kulturell bedeutsamen oder sakralen Objekten sowie bei allen Gegenständen auf, die geraubt worden sein könnten, ob von den Nationalsozialisten oder aus einem antiken Tempel. Die Museen müssen auch abwägen, ob sie mit der Schenkerin beziehungsweise dem Schenker in Verbindung gebracht werden wollen - etwa dann, wenn diese ihr Vermögen unredlich erworben haben könnten. Selbst wenn ein potenzielles Geschenk alle Kriterien erfüllt, muss ein Museum prüfen, ob es die für Konservierung, Versicherung und Lagerung erforderlichen Mittel bereitstellen kann und möchte, insbesondere bei grossen Werken oder Skulpturen.

So profitieren Spendende

Eine Frau mittleren Alters in einem rostroten Oberteil und rötlichen gewällten Haaren lacht in die Kamera.
Amanda Grey, Mishcon de Reya. © Mishcon de Reya; Used with permission. All rights reserved.

Kunstwerke zu stiften kann steuerliche Vorteile bringen. Diese sind von Land zu Land unterschiedlich. In Grossbritannien zum Beispiel kann im Verhältnis zum Wert des Werks eine Steuerermässigung erhalten, wer zu Lebzeiten oder im Todesfall ein Kunstwerk oder Kulturgut an eine öffentliche Sammlung spendet.

In den Niederlanden wiederum kann man die Erbschaftssteuer vermeiden, indem man Kunstwerke von nationaler kultureller oder kunsthistorischer Bedeutung an den niederländischen Staat überträgt.

Ein Steuerabzug ist jedoch bei Weitem nicht das einzige Motiv für die Schenkung von Kunstwerken. Spenderinnen und Spender wissen, dass ihre Werke in einem Museum sorgfältig gepflegt werden und sich gegebenenfalls die Öffentlichkeit an einem Werk aus ihrer Privatsammlung erfreuen wird. "Das hat etwas sehr Grosszügiges", sagt Jean Paul Warmoes. "Ich glaube nicht, dass diese Menschen morgens mit dem Gedanken an den Steuerabzug aufwachen."

Zudem zielt nicht jede Person auf einen persönlichen Nutzen oder die öffentliche Würdigung des Geschenks. "Manchen Menschen ist es ein grosses Anliegen, ein künstlerisches oder sammlerisches Vermächtnis zu hinterlassen, andere möchten anonym bleiben und lediglich vermerkt haben, dass es sich um ein Geschenk aus einer privaten Sammlung handelt", erklärt Gray.

"Das kann auf vielen Ebenen funktionieren", sagt sie. "Die Motivationen sind so vielfältig wie die Menschen selbst.

Über die Autorin

Sarah Murray ist eine Sachbuchautorin und Schriftstellerin, die seit mehr als zwei Jahrzehnten für internationale Publikationen über die Schnittpunkte von Wirtschaft, Umwelt, Gesellschaft und Kunst berichtet. Sie lebt abwechselnd in den USA und im Vereinigten Königreich.

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