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Unternehmertum

"Ich bin stolz darauf, was die IT für die Menschheit geleistet hat"

Tech-Unternehmer Bob Goodson hat den Like-Button entwickelt, die das heutige Internet prägt. Gegenüber Insights erklärt er, warum ein Studium der Geisteswissenschaften ein Erfolgsfaktor in der Tech-Karriere sein kann - und wie wir Menschen biologisch darauf programmiert sind, Anerkennung zu geben und zu suchen.

Bob Goodson, Gründer und Präsident von Quid, Silicon Valley, USA
Vom Philosophiestudent zum Innovationspionier - wie diese Laufbahn das Internet geprägt hat. © Denisa Ilie, for Harvard Business Publishing, 2025

Zusammenfassung

  • Wie ein Geisteswissenschaftler zum Tech-Pionier wurde: Bob Goodson verbindet Sprache und Programmieren - landet zufällig im Silicon Valley.
  • Der Like-Button: Warum er weltweit Milliarden Interaktionen auslöst und welche tiefen menschlichen Mechanismen dahinterstecken.
  • Social Media zwischen Dopamin und Risiko: Goodson über Suchtgefahr, Verantwortung und die Grenzen individueller Kontrolle.
  • Blick in die Zukunft: Von VR bis Brain-Computer-Interfaces - Zustimmung könnte schon bald nur noch ein Gedanke entfernt sein.

Wie hat Sie Ihr Studium der Philosophie und mittelalterlichen Literatur in Oxford auf eine Karriere in der Tech-Welt vorbereitet?

Bob Goodson: Seit meinem achten Lebensjahr faszinieren mich zwei Dinge. Das eine ist Programmieren - die Tatsache, dass wir Computern beibringen können, Dinge für uns zu erledigen. Als ich an die Universität kam, sah ich darin beruflich jedoch keine Perspektive. Es war für mich immer ein Hobby. Das andere war Sprache: die Kraft von Worten, die unser Denken prägen. Das schien mir der ultimative Rahmen zu sein. Deshalb habe ich Philosophie und Literatur studiert. Ich wollte Professor für Literatur und Philosophie werden.

Dann lernten Sie 2003 die Gründer von PayPal kennen und zogen nach San Francisco, um bei einem neuen Unternehmen namens Yelp zu arbeiten. 

Oxford Union, die berühmte Debattiergesellschaft in der historischen Stadt Oxford.
Oxford vertiefte, was ihn schon immer antrieb: Wie Worte Denken - und Technologie - formen. © Chris Harris/Loop Images/laif

Plötzlich arbeitete ich vor allem als Frontend-Programmierer und User-Interface-Designer. Ich machte mein Hobby zum Beruf - und mein Interesse an Sprache blieb. 
Was ich an Yelp liebte: Wir sammelten riesige Mengen an Text - Millionen Bewertungen lokaler Geschäfte. Doch über simple Analysen hinaus konnten wir mit den Formulierungen wenig anfangen. Das weckte mein Sprachinteresse neu - und daraus entstand Quid. Seit 2013 analysieren wir grosse Sprachdatensätze und womit meine beiden Leidenschaften zusammenkamen.

Und heute? Schauen Sie auf GenAI: Sprache ist plötzlich der spannendste Bereich der gesamten Tech-Branche.

Ist dieser Einstieg für Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund auch heute noch möglich? Ja, durchaus. Reid Hoffman, der Gründer von LinkedIn, hat zwei Jahre in Oxford Philosophie studiert und kommt ebenfalls aus den Geisteswissenschaften. Er sagte einmal, Unternehmertum sei die letzte grosse Lehrlingskarriere - ein faszinierender Gedanke.
Im Mittelalter waren viele Berufe Lehrberufe: Wer Fässer herstellte, lernte jahrelang von Meisterinnen und Meistern. Wir stellen uns Unternehmerinnen und Unternehmer gern als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer vor, die alles selbst herausfinden. Das kommt vor. Aber die meisten beginnen damit, mit grossartigen Managerinnen und Managern, Führungskräften oder Unternehmerinnen und Unternehmern zu arbeiten und so das Handwerk zu lernen.

Kommen wir zum Like-Button. Sie haben die Idee im Mai 2005 auf einen Zettel skizziert. Macht Sie das zum "Vater" dieser Funktion? 

Das möchte ich nicht behaupten - es widerspricht meiner Sicht auf Erfindung und Innovation. Viele Menschen haben an zentralen Punkten Entscheidendes beigetragen.

Bei Yelp waren wir die Ersten, die verschiedene Reaktionen auf Webinhalte ermöglichten - und, vielleicht noch wichtiger, dass Nutzer und Nutzerinnen auf der Seite bleiben konnten, während sie reagierten. Kurz nach meinen Skizzen haben wir die Buttons live gestellt. Eine der Ideen war das Wort "Like" mit einem Daumen nach oben zu kombinieren - diese Version wurde aber erst Jahre später verbreitet übernommen.

Eine einfache Skizze auf einem Notizblock - und plötzlich verändert ein Daumen die digitale Welt. © Bob Goodson

Warum kommt dieser Daumen-hoch-Button bei uns Menschen so gut an? 

Zwei biologische Mechanismen spielen eine Rolle. Der erste ist die Dopaminreaktion, die sowohl beim Vergeben eines Gefällt mir/Likes als auch beim Erhalten eines Likes ausgelöst wird. Entscheidend dabei: Dopamin wird bereits vor dem erwarteten Ereignis freigesetzt - in der Vorfreude auf soziale Bestätigung. Und wenn die Bestätigung dann eintritt, folgt ein zweiter Dopaminimpuls. Das heisst: Schon beim Hochladen eines Fotos entsteht ein kleiner Kick - und jeder anschliessende Like verstärkt diesen Zyklus erneut.

Und was ist der zweite biologische Mechanismus? 

Wir sind auf intensives soziales Lernen programmiert. Wir suchen die Nähe zu Menschen, die uns ähneln - im Idealfall solchen, die uns in irgendeiner Form voraus sind. Likes sind ein einfaches Mittel, Anerkennung für Menschen zu zeigen, von denen wir lernen.

Es geht um viel Geld. Wieso ist ein Klick auf ein Icon so wertvoll? 

Täglich werden rund 50 Milliarden Likes vergeben. Denken Sie an die Milliarden Dollar, die es jährlich kostet, diese Daten zu speichern. Es muss also einen echten Vorteil für die digitale Plattformen geben. Likes sind der Treibstoff des Social-Media-Geschäfts, weil sie Interaktion steigern. Marken lieben sie: Es gibt kaum stärkere Belege dafür, dass eine Anzeige wirkt.

Wir sind darauf programmiert, Anerkennung zu suchen.

Und die Schattenseiten dieses omnipräsenten Icons? 

Likes sind Teil der Suchtmechanismen sozialer Medien - ein grosses gesellschaftliches Thema. Wie lassen sich diese Risiken regulieren? Wie schützen wir jüngere Menschen? Die Pubertät ist eine besonders sensible Phase, in der Jugendliche herausfinden, wer sie im Verhältnis zu Gleichaltrigen sind. Hier müssen wir negative Folgen vermeiden. Dazu brauchen wir noch bessere Antworten.

20 Jahre später - fragen Sie sich manchmal, ob Sie dazu beigetragen haben, soziale Medien "als Waffe" zu nutzen? 

Ich weiss nicht, was das genau heissen soll. Entwicklungen verlaufen evolutionär. Es wäre sehr ego-zentriert zu denken, man könne als einzelner Entwickler riesige Veränderungen auslösen. Schauen Sie auf die mächtigsten Personen in Tech - Elon Musk, Satya Nadella, Tim Cook: Sie treffen enorme Entscheidungen. Aber sie sind eher Hebammen, die etwas zur Welt bringen, dass sie selbst kaum kontrollieren können.

Silicon Valley - das Epizentrum des Digitalwandels - Goodsons zweite Heimat © unsplash/Nils Huenerfuerst

Sind Sie zufrieden damit, wie sich "Ihr Baby" entwickelt hat? 

Ich glaube nicht, dass es mein Baby ist. Der Like-Button hat sich weiterentwickelt. Bin ich stolz auf das, was Informationstechnologie in den letzten 20 Jahren für die Menschheit geleistet hat? Ja. Die Beteiligten sollten darauf stolz sein. Die Geschichte wird diese Zeit als bedeutende Phase menschlicher Kreativität einordnen.

Ich wuchs in einem Haushalt auf, in dem wir uns kaum Bücher leisten konnten. Ich liebte das Lesen. Heute haben Kinder weltweit kostenlosen Zugang zu Wissen - wenn sie ein Telefon oder einen Laptop nutzen können. Ich weiss, dass das nicht ganz kostenlos ist, aber sie können in jede Bibliothek gehen, jedes Gerät in die Hand nehmen und auf alle Informationen der Welt zugreifen. Der Beitrag zu Wissen, Bequemlichkeit und Fortschritt ist enorm. Deshalb arbeite ich weiter in der Tech-Welt.

Wir bewegen uns von Touchscreens hin zu einer neuen Welt mit Virtual-Reality-Brillen und sogar Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI). Wie werden wir in Zukunft unsere Zustimmung geben?

Wir können bereits durch Gedanken mit Maschinen kommunizieren. Es gibt Menschen, die mithilfe von Chips oder Sensoren im Gehirn nuanciert mit Computern interagieren. Ich kenne den Zeithorizont nicht - aber die nahtlose Verbindung zu Computern über Gedanken ist unausweichlich. Maschinen werden wissen, was wir mögen - mit klaren Grenzen dessen, was wir offenlegen wollen.

Buch

Martin Reeves, Bob Goodson: Like: The Button That Changed the World (Harvard Business Review Press, 2025)

Zur Person

Bob Goodson, Gründer und Präsident von Quid, Silicon Valley, USA
Bob Goodson, Gründer und Präsident von Quid, Silicon Valley, USA © Denisa Ilie, for Harvard Business Publishing, 2025

Bob Goodson beschäftigte sich in Oxford intensiv mit Literatur des 15. Jahrhunderts, bevor er 2003 ins Silicon Valley wechselte und erster Mitarbeitender der Bewertungsplattform Yelp wurde. Anschliessend gründete er das Datenanalyse-Unternehmen Quid, dessen KI-Modelle von vielen Fortune-50-Unternehmen genutzt werden.

 

Der Autor
Steffan Heuer, Gastautor

Steffan Heuer befasst sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Schnittstelle von Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft. Er pendelt zwischen der amerikanischen Westküste und Berlin. 

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