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Finanzwissen

Der Januar-Effekt: Fakt oder Fiktion?

Zu Jahresbeginn herrscht - auch unter Anlegerinnen und Anlegern - meist eine optimistische Stimmung. Steigen die Aktienkurse im ersten Monat des Jahres, ist dann oft vom "Januar-Effekt" die Rede. Aber schneiden Aktien in diesem Monat tatsächlich besser ab als im Rest des Jahres? 

Datum
Autor
Tim Cooper, Gastautor
Lesezeit
4 Minuten
Eine weihnachtlich verschneite Strasse in Manhattan, in der Ferne das Chrysler Building
Den einzigen "Free Lunch" am Aktienmarkt gibt es laut Stock Trader's Almanac allenfalls kurz vor Weihnachten. © iStock/Olga Kaya

Der Januar-Effekt ist einer von mehreren saisonalen "Trends", die häufig thematisiert werden, wenn die Aktienkursentwicklung bestimmten Mustern zu folgen scheint. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der sogenannte "Oktober-Effekt" - die weitgehend unbegründete Vorstellung, dass im Oktober die Wahrscheinlichkeit eines Crashs am grössten ist. Oder die Börsenweisheit "Sell in May and go away", die auf der These einer traditionell schwächeren Aktienkursentwicklung in den Monaten Mai bis Oktober beruht.

Womöglich haben sich saisonale Faktoren in der Vergangenheit tatsächlich auf die Aktienmarktentwicklung ausgewirkt, was daran liegen könnte, dass die Landwirtschaft und ihre Zyklen früher mehr Einfluss gehabt haben könnten. Heute, in Zeiten viel komplexerer Märkte, sollte man sich bei seinen Anlageentscheidungen aber nicht mehr davon leiten lassen.

Keine statistischen Belege

Wie ist die Theorie vom Januar-Effekt entstanden, und steckt in ihr zumindest ein Fünkchen Wahrheit? Manche Analysen führen Januar-Aktienmarktrallys auf saisonale Faktoren zurück - etwa darauf, dass Anlegerinnen und Anleger verlustreiche Aktien zur Kompensation von Kapitalgewinnen im Dezember veräussern und dann im Januar erneut kaufen. Andere erklären den mutmasslichen Januar-Effekt mit dem Neujahrsvorsatz von Investorinnen und Investoren, mehr Geld anzulegen oder ihre zum Jahresende erhaltenen Bonuszahlungen zum Aktienkauf zu verwenden.

Ein Mann auf der Strasse schaut im Vorbeigehen auf einen Bildschirm mit Börsenkursen.
Warum kommt es im Januar häufig zu Aktienmarktrallys - ist am Januar-Effekt etwas dran? © iStock/chachamal

Es gibt aber wenige bis gar keine Belege dafür, dass diese Faktoren zu einer signifikanten Outperformance des S&P 500 Index der führenden US-Aktien geführt haben. Investopedia hat beispielsweise herausgefunden, dass der S&P 500 Index den Monat Januar in den drei Jahrzehnten seit 1993 17 Mal im Plus und 13 Mal im Minus beendet hat. Ein Monatsgewinn ist in diesem Zeitraum also nur um ein Weniges wahrscheinlicher gewesen als ein Monatsverlust.

Seit dem Beginn des Bullenmarktes 2009 war die Wertentwicklung im Januar im Vergleich zu anderen Monaten enttäuschend. Laut Investopedia sollten sich Anlegerinnen und Anleger bei dem Versuch, kurzfristige Anlagetrends zu verstehen, eher auf die aktuellen Marktbedingungen als auf den Kalendermonat konzentrieren.

Der Small-Cap-Effekt

Allerdings ist der Januar-Effekt bei Aktien kleinerer Unternehmen (Small Caps) ausgeprägter als bei grösseren Unternehmen. Da Small Caps weniger liquide sind, ist es für Anleger schwieriger, sie schnell zu handeln, so dass Anomalien, die darauf zurückzuführen sind, dass Aktien verkauft werden, um Verluste bei der Steuer geltend machen zu können, eher bestehen bleiben.

Der Stock Trader's Almanac 2024 zeigt, dass der Januar-Effekt bei Small Caps immer noch ein klarer Trend ist, der nun aber länger als einen Monat anhält. Die Outperformance von Small Caps gegenüber Large Caps beginnt derzeit im November, hält bis Mitte März an und ist in der letzten Dezemberhälfte am stärksten ausgeprägt. 

"Angesichts der vielen angeschlagenen Aktien, die aus Steuergründen verkauft werden, lohnt es sich in der Regel, den Januar-Effekt bereits Mitte Dezember zu nutzen", erklärt der Almanach. Das heisst, dass der einzige "Free Lunch" am Aktienmarkt allenfalls kurz vor Weihnachten zu haben ist.

Ein klügerer Ansatz

Nahaufnahme eines Mannes mit Bart, Brille und Tweedjackett ohne Krawatte, der freundlich in die Kamera schaut
Greg Davies von Oxford Risk schlägt vor, sich ein Regelwerk zu geben, um Entscheidungen zu erleichtern. © A P Wilding

Um von diesem Effekt zu profitieren, bedarf es eines sehr sorgfältigen Timings - und selbst dann ist es noch immer ein risikoreiches Unterfangen. Wenn Sie kein sehr erfahrener, professioneller Anleger sind, ist "die Verweildauer im Markt, nicht das Timing des Marktes" ein viel sichereres und erfolgreicheres Konzept. Wenn Sie mit Ihrem Anlageberater langfristige Ziele festlegen und sich daran halten, werden Sie wahrscheinlich viel bessere Ergebnisse erzielen, als wenn Sie versuchen, saisonale Trends abzuschätzen. 

Greg Davies, Head of Behavioural Finance beim Finanztechnologiedienstleister Oxford Risk, sagt: "Selbst wenn der Januar-Effekt ein äusserst verlässlicher Trend wäre, sollten Sie Ihre Anlageentscheidungen nicht darauf stützen. In rund 60 Prozent aller Monate steigen die Aktienmärkte, in 40 Prozent fallen sie. Warum sollte man sich also auf einen einzigen Monat verlassen? Ausserdem ist kein Monat oder Jahr 'durchschnittlich'. Man kann Glück haben, aber es kann auch schief gehen. Auf den Januar-Effekt zu setzen bedeutet also, gegen das Haus zu spielen. Wer im Markt bleibt, spielt mit dem Haus". Davies empfiehlt, am besten regelmässig das ganze Jahr hindurch in den Aktienmarkt zu investieren. "Bleiben Sie jederzeit investiert und versuchen Sie nicht, Ihren Einstiegszeitpunkt auf Grundlage kurzfristiger Meldungen bzw. falscher oder unvorhersehbarer Trends zu wählen."

Verzerrungen entgegenwirken

Leider fällt es den meisten Menschen schwer, solche statistischen Vergleiche zu verstehen. Und selbst wenn wir sie verstehen, sind wir im Allgemeinen nicht diszipliniert genug, sie auch anzuwenden. Stattdessen folgen die meisten Menschen lieber kurzfristigen Aussagen wie "die Märkte beginnen das Jahr mit einer neuen Welle des Optimismus". 

Acht animierte Gesichter in Grossaufnahme.
Jeder hat seine eigene Anlegerpersönlichkeit. Eine gute Beziehung zu Ihrer Finanzberaterin oder Ihrem Finanzberater zahlt sich aus: sie oder er versteht Ihre Bedürfnisse und Ihre Persönlichkeit und erkennt, wo Sie Hilfe benötigen, um Ihre langfristigen Ziele zu erreichen. © iStock/adamkaz

Um dieser Irrationalität zu begegnen, sollten wir uns zunächst Folgendes vergegenwärtigen: Jeder Mensch hat seine eigene Anlegerpersönlichkeit und reagiert unterschiedlich auf Marktveränderungen und kurzfristige Nachrichten. Manche Menschen sind beispielsweise ängstlicher als andere, wenn es um Investitionen geht, und andere lassen sich eher von Nachrichten beeinflussen. 

Wenn Sie eine gute Beziehung zu Ihrer Finanzberaterin oder Ihrem Finanzberater aufbauen, wird sie oder er Ihre Bedürfnisse und Ihre Persönlichkeit verstehen und erkennen, wo Sie Hilfe benötigen, um Ihre langfristigen Ziele zu erreichen. "Wenn Sie wissen, dass Sie Entscheidungen tendenziell eher auf Grundlage kurzfristiger Nachrichten als auf der Grundlage statistischer Daten treffen, können Sie dem entgegenwirken, indem Sie für sich selbst eine Reihe von Regeln aufstellen", schlägt Davies vor.

Wir Menschen tun uns oft schwer damit, Statistiken mitunter richtig zu verstehen, aber wir sind gut darin, Regeln zu befolgen. Indem Sie vorab Ihre persönlichen Regeln festlegen, sind Sie emotional auf mögliche Ereignisse vorbereitet. Eine Regel könnte festlegen, wann investiert wird, zum Beispiel an einem bestimmten Tag im Monat, unabhängig von den Marktbedingungen. Eine andere Regel könnte sein, Investitionsentscheidungen nie unter der Woche zu treffen, sondern nur am Wochenende, nachdem man Zeit hatte, darüber nachzudenken. Wenn Sie diese Regeln aufschreiben und sich daran halten, nehmen Sie sich die Last der Entscheidungen ab. Diese Regeln aufzuschreiben und einzuhalten erleichtert Entscheidungen und vermeidet emotionale Reaktionen.

Was Sie im Januar tatsächlich tun sollten

Das heisst aber nicht, dass der Neujahrsvorsatz, im Januar mit der Investitionstätigkeit zu beginnen, generell falsch ist. Für Davies ist der Januar aus Anlagesicht ein nützlicher Monat. Denn nach dem Ende der Festtage hätten viele Menschen Zeit, sich neu zu orientieren und ihre Finanzen zu ordnen. Sie selbst könnten diesen Zeitraum für Folgendes nutzen:

  • Ihre Anlageziele und Ihren Investmentansatz schriftlich festhalten 
  • Entscheiden, mehr zu sparen und zu investieren 
  • Ihr Portfolio neu ausrichten 
  • Sich mehr Wissen im Finanzbereich aneignen 
  • Einen Termin mit Ihrer Ansprechpartnerin oder Ihrem Ansprechpartner aus der Finanz- bzw. Anlageberatung vereinbaren

Selbst wenn Sie nur einmal im Jahr so "über die Bücher" gehen, ist das besser als nie. Das wäre dann ein Januar-Effekt, der sich wirklich lohnt.

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