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Lifestyle

Besser führen - ohne Floskeln Management-Blabla führt zu Vertrauensverlust

Vom "Vibe Shift" bis zur "Disruption": In vielen Unternehmen gehört Business-Jargon zum Alltag. Doch was steckt hinter den Schlagworten - und wer profitiert von den nebulösen Bedeutungen?

"Wie bitte?" statt "Aha!": Kaum anderswo als in Unternehmen - nicht einmal auf den Schulpausenplätzen - spriessen Modewörter üppiger auf. Wieso eigentlich? Wer profitiert von diesem Business Jargon und seinen nebulösen Bedeutungen? © Shutterstock/PeopleImages

"Zuerst sollten wir die low-hanging fruits priorisieren." - "Und Quick-wins erzielen?" - "Absolut, um die Synergien im Ecosystem zu nutzen." - "Sollen wir nicht zuerst die Stakeholder im Sounding Board abholen?" - "Unbedingt. Und dann skalieren wir das Programm disruptiv." 

"Wurden während meiner Mittagspause irgendwelche Schlagworte erfunden?" © CartoonStock.com

Nein, das ist keine Satire. So - oder ähnlich - klingen Dialoge in vielen Unternehmen. Kaum anderswo, nicht einmal auf den Schulpausenplätzen, spriessen Modewörter üppiger auf. Wieso eigentlich? Wer profitiert von diesem Business Jargon?

"Viele Unternehmensberatungen und Agenturen lancieren neue Begriffe, um sich auf dem Markt zu differenzieren und als innovativ zu gelten", sagt Stefan Häseli, Kommunikationsberater und Business Comedian. So sind Akronyme wie "VUCA" (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) und BANI (brittle, anxious, non-linear, incomprehensible) entstanden. 

"Wenn ein Wort oft genug in den Medien auftaucht, gilt es als in. Es entsteht ein Gruppencode. Wer es braucht, signalisiert, dass er zur Business-Elite gehört."

Schlagwörter sind wie Segelmanöver

Linguistik-Professorin Christa Dürscheid: "Slang kann das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken."

"Wo Menschen eng zusammenarbeiten, entwickelt sich Sprache besonders dynamisch", sagt Christa Dürscheid, emeritierte Linguistik-Professorin der Universität Zürich. "Slang kann das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Und manche Begriffe helfen, Komplexes auf den Punkt zu bringen." Zudem werden uns manchmal Phänomene - etwa "Burnout" oder "Mental Load" - erst bewusst, wenn wir ein Wort dafür haben, und das sind dann oft Wörter aus dem Englischen. Oder es zeichnen sich Entwicklungen ab ("New Work"), die nach neuen Wörtern verlangen.

"Schlagwörter sind nicht per se gut oder schlecht. Sie sind wie Segelmanöver: Gut gesetzt geben sie Orientierung. Aber falsch gesetzt verschleiern sie Tatsachen", sagt Christiane Brandes-Visbeck, Geschäftsführerin der AHOI Innovationen GmbH und Mitautorin verschiedener Fachbücher wie "HR-Storytelling". Wirksame Führung greife nicht zu Worthülsen, sondern erzähle Geschichten, die den Kurs des Unternehmens sichtbar machten.

Autorin und Geschäftsführerin Christiane Brandes-Visbeck mag den Begriff "Vibe Shift".

"Persönlich mag ich zum Beispiel den Begriff des Vibe Shift", meint Brandes-Visbeck. Er sei der Popkultur entlehnt und stehe für Trendwechsel. Nach Jahren des Dahindümpelns brauche es in der Businesswelt wirklich Wendemanöver. "Leider assoziiert man Vibe Shift im Business-Kontext zunehmend für die Rückkehr zu restriktiveren Normen."

Brandes-Visbeck spricht bildhaft. Denn Sprachbilder bleiben länger in Erinnerung als abstrakte Konzepte. Das wusste schon der Management-Übervater Peter Drucker (1909-2005). Er kreierte die Analogie der tiefhängenden Früchte ("low-hanging fruits") für rasch lösbare Probleme.

Verirrt in Nebelpetarden?

Doch oft geht der Schuss nach hinten los. Floskeln gehen zum einen Ohr rein und zum anderen hinaus. Davon ist auch Jens Bergmann überzeugt. Der stellvertretende Chefredakteur des deutschen Magazins "Brand eins" beschäftigt sich leidenschaftlich mit "Business Bullshit", worüber er auch ein Buch geschrieben hat.

Seine These: Wer nebulös kommuniziert, bietet weniger Angriffsfläche. Man kann die eigene Unsicherheit kaschieren. "Bullshit ist konsensfähig", resümiert Bergmann. Denn kaum jemand nimmt sich die Mühe, zu hinterfragen oder zu widersprechen.

Bergmann unterscheidet sechs Kategorien des Blabla-Talks:

  1. Imponier-Vokabular (Disruption, Ecosystem) klingt gross, enthält aber oft kaum Substanz.
  2. Beschwörungsformeln (Think big, live it) sollen Aufbruchstimmung erzeugen.
  3. Euphemismen dienen der Schönfärberei. Der Personalabbau heisst dann "Right-Sizing", die Krise "Transformation".
  4. Auch Nullnachrichten eignen sich, um Sachverhalte zu tarnen. Banalitäten wie die "Die Zukunft beginnt heute" und "wir sind auf gutem Weg" passen immer - und sind doch meist fehl am Platz.
  5. Gutfirmen-Sprech hilft, wenn ein Unternehmen moralisch glänzen will. Schlagwörter wie "Diversity" und "Purpose" sind dehnbar wie Gummi. Sie wirken jedoch abgegriffen - wenn man sie nicht mit Inhalt füllt.
  6. Viele Managerinnen und Managern streben nach noch höheren Sphären. Dafür bedienen sie sich Jargon aus der Psychologie, gar der Spiritualität. Die Absicht mag löblich sein. Doch in der Praxis verwässern sie die Begriffe. Wer "Resilienz" sagt, meint oft: "Halte mehr Druck aus". "Achtsamkeit" bedeutet im Klartext: "Wir möchten, dass du konzentrierter arbeitest." Noch kurioser sind Apple, Microsoft, Salesforce und Google unterwegs. Ihre "Evangelisten" predigen die Cloud und das CRM - das Kürzel steht für Customer Relationship Management.

Wer nebulös kommuniziert, bietet weniger Angriffsfläche.

Dass Business-Sprache manchmal total entgleist, machte der Telecom-Konzern Pacific Bell vor. 70'000 Angestellte mussten einst Mystiker-Vokabular à la "Justierung" oder "Intentionalität" pauken. Kostenpunkt: USD 40 Millionen, allein anno 1987. Als Resultat verstand bald keiner mehr den anderen. Und die Sitzungen dauerten immer länger. Immerhin verwandelte ein Angestellter seinen Frust zu Kunst. Scott Adams schuf die Büro Cartoon-Serie "Dilbert" - sie ist bis heute beliebt.

In der Cartoon-Serie "Dilbert" ist Corporate Kauderwelsch ein wiederkehrendes Thema. © Mauritius Images/Alamy

Aus diesem Fall zog der Organisationspsychologe André Spicer, Dekan der Bayes Business School, City University of London, eine klare Lehre: "Business Bullshit" verpflichtet sich nicht der Realität, sondern verfolgt allein persönliche oder organisationale Interessen. Wer so spricht, will die Aufmerksamkeit gewinnen und seinen Status inszenieren. "Bullshitter gieren wie Künstler nach Publikum", schreibt Spicer. Aber die Effekthascherei hat einen hohen Preis: Vertrauensverlust.

Als Erster machte der US-Philosoph Harry G. Frankfurt das Wort "Bullshit" salonfähig: 1986 erklärte er Produkte ohne "Verbindung zur Wahrheit" kurzerhand zum "Bullshit". Wie lautet das Gegenmittel? "Eine bullshit-freie Zone wäre produktiver", ist sich Spicer sicher. Dazu braucht es Mut zur inhaltlichen Auseinandersetzung, auch mit streitbaren Themen - und einen offenen Austausch.

"Führungskräfte gewinnen, wenn sie ehrlich, anschaulich und anschlussfähig kommunizieren. Dazu helfen Bilder und Geschichten, die im Alltag andocken. Dies zu tun, bedeutet Respekt vor dem Gegenüber", betont Christiane Brandes-Visbeck.

Am Ende des Tages bleibt der Management Talk eine Art moderne Lingua Franca. Wer auf der Teppichetage Fuss fassen will, kommt nicht darum herum, zumindest den Grundwortschatz zu erlernen. Vielleicht gelingt es dann sogar, einige "low hanging fruits" zu ernten, wenn man das passende Buzzword im richtigen Moment charmant einschleust?

Der Autor
Stephan Lehmann-Maldonado, Gastautor

Stephan Lehmann-Maldonado ist ein erfahrener Investment-Autor und diplomierter Handelslehrer, der nebenbei junge Lernende ausbildet – unter anderem als Mitinhaber einer Kommunikationsagentur.

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